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Nr. II.

Motto: Was frag' ich viel' — Nach Geld und Gut!

Der Erfolg unseres Blattes
hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Schon
drei Tage nach dem Erscheinen unserer ersten
Nummer.waren sammtliche Gründungö-An-
zeigen auS den Zeitungen verschwunden, und
der Makler-CircuS wurde gebildet. Hier
heißt cs nicht: Arm in Arm — sondern: Reich
in Reich, so fordr' ich mein Jahrhundert in
die Schranken! Dagegen sind uns drei neue
Concurrenz-Blätter erstanden. Cie werden,
wie die übrigen Börseu-Zeitnngen, ihre Schild-
krötensuppen und ihren Champagner schlürfen,
.indeß wir unö ferner lediglich von dem Bewußt-
sein unserer Redlichkeit werden ernähren müssen.
Eine zwar leichte, aber die Gallenabjondcruug
vermehrende Speise! Jedes Genre ist bon, aus-
genommen daö langweilige. Ehrlich währt
aber am längsten, und ist daher mauvaisgenre.

Und wir saßen Tag für Tag. und es ward
Abend uud Morgen, und kein Gründer kam,
uns zu bestechen. Und das Weihnachts- und daö
Neujahre fest gab doch so gute Gelegenheit, uns
etwas aufzubauen! Aber nicht ein Pfeffer-
kuchenherz. nicht ein Treierschäfchen, nicht eine
anonyme Wunschkarte zum ersten Januar! Nur
einige mitleidige Localdichter würdigten uns der
Ehre, die Pointen unserer ersten Nummer ihren
Werken einzuverleiben und uns so Unsterblichkeit
zu verleihen. Wer aber kann von der Unsterb-
lichkeit leben? Niemand. Am wenigsten die
Todtengräber! Und daö sind wir. Sagen
wir es offen:

Wir wollen senken —

versenken und begraben den seelenlosen Mammo-
niSmus, welcher der arbeitenden Menschheit Licht
und Leben raubt!

Wir wollen schneiden —
weder Halo noch Beutel, sondern schneiden
aus dem Leichentuch der Bauernfängergegenwart
das Hemd des glücklichen — Fleißes der
Zukunft!

Wir wollen ziehen von Allem —
aber ziehen vor Allem den Eordon des Mahn-
und Warnungerufes gegen die verheerende Lust-
seuche des Schwindels. Doch — fragt ihr —
schwindelt euch nicht selbst vor der Größe
eures Unternehmens? Gewiß! Aber —

Wir wollen schwindeln!

Wer auf der Höhe steht, dem muß schwarz vor
den Augen werden, wenn er hinunter sieht!

Und damit dem Teufel bcfohleu! Will der
alte heilige Vater von uns erwähnt sein, jo be-
theUige er uns bei seinen Unternehmungen oder
schicke noch rasch vor dem Erscheinen unserer

dritten Nummer unserer Frau eine goldene
Ankeruhr mit Brillanten!

Die Redaction der Dörsenzeitung
des Kladderadatsch.

Wie kann man mit einem Schlage reich
werden?

(Von einem alten F-inancier mitgetheilt.)

Man kaufe sich einen sogenannten Todtschläger
(einen Stock mit Bleikugel) und begebe sich zu
einem notorischen Millionär, der ganz allein
schläft und sein ganzes Vermögen unter dem
Kopfkissen hat.

Ob man dann die erhaltenen Papiere und
Effecten verkaufen oder behalten soll, dar-
über werden die übrigen Börsenzcitungen gern
Auskunft geben. Uns genügt, in der Haupt-
sache einen Fingerzeig ertheilt zu haben.

Vom Couponsschneiden.

Wenn der noch Unverdorbene zum ersten Male
einen Coupon abschneidet, so überfliegt ihn ge-
wöhnlich eine gewiffe Schamröthe, für eine so
kurze Arbeit so viel Geld zu bekommen. Man
lasse sich jedoch dadurch ja uicht abfchrecken! Die
Scham verliert sich! Riß. ratz! Es thut nicht
weh, und Gewohnheit wird zur zweiten Natur.

• •

Wohnst du zur Miethe uud hast mehrere
Stunden zu schneiden, so schmiere deine Scheere
mit Oel. damit dein Nachbar nicht hört, daß
du dich im Schweiße fremder Arbeit badest.

* •



Hast du einen ganzen Tag geschnitten, so
halte endlich ein. Denn jeder Arbeiter ist seines
Lohnes werth. Kleide dich an und gehe aus,
und sage zu Jedem, der an dir vorüberwandelt,
im Stillen für dich: „Lump!" Denn wer den
ganzen Tag Coupons zu schneiden hat, hat wenig
College«.

. •



Ueberhaupt geht nächst dem Genuß, allgemein
für einen Millionär gehalten zu werden.' nichts
über denjenigen, es heimlich wirklich zu sein.
TaS Leben ist ein ewiger Carneval; also ver-
kleide nicht bloß dich, sondern auch deinen
Arnheim mit Holz, so daß man ihn für einen
schlichten Kleiderschrank hält.

Andere goldene Äalbsregcln.

Versprechungen uud Spandauer Brätzcln müssen
gebrochen werden.

Pachte keine Eisbahn für den Juli, und iß
nur im Januar Kirschen mit großen Herren.

Frage nur dein Gewiffen! — hieß eS früher.
Jetzt finden wir in jeder Zeitung Frage- und
Anlwortkasten.

Wer nichts zu sagen weiß, reinigt seine Nägel.

Fahre nie mit Gummirädern: denn du hörst
wett eher bei der Geräuschlosigkeit deiner Equi-
page den Fußgänger rufen: „Da fährt auch

so eine Canaille!" Thust du cs aber den-
noch, so singe mit Theresa:

»,0'est la Canaille! Eh bien, j'en suis!“

üörsenyelpriiche.

Ameier. Was sagen Sie zu dem Scandal
mit die neue „Makler-Barriere" an der
Börse?

Bemeier. Im Beichtstuhl bei Vater Ga-
briel in Linz sitzt es sich angenehmer!

Ameier. Das glaub' ich! Ihnen ist auch eine
christliche Jungfrau lieber wie 100 alte Juden.

Bemeier. Wenn sie so schön ist wie „Fer-
nande" im Residenz-Theater, zieh' ich meinen
Hut.

Ameier. Ich ziehe sogar „drei Hüte" —
bei Deich mann vor.

Bemeier. Börse wie Theater, Theater wie
Börse — das beßte Geschäft immer noch in
Franzosen!

Feiisalionsletegrnmm.

Durgstraße, 1*. Uhr Mittags.

Großer Sieg der Tugend über das
Laster! „Gründer" in vollem Rückzug. Klad-
deradatsch im Vormarsch auf Baukschwindel.
Hartnäckiges, aber glückliches Gefecht. Rückzug
aller Reclamen und Annoncen. Die an Zahl
überlegenen Consortien mit großem Verlust aus
den Zeitungen geworfen.

Fromme Stiftung.

Im Hinblick auf die großen Erfolge und
Gewinnerzielungcn der letzten Monate sind zehn
jüdische Millionäre in der Silvesternacht zu-
jannnengetreten, in dankbarer Frömmigkeit einen
Tempel zu gründen.

Nachschrift der Redaction. Wie wir so
eben hören, ist er nur — gelegt worden!

Natbgeber für Jedermann.

M. I. R. Dalphenidfabrikant hier: Sie
möchten gern in guter Gegend ein Eckhauö mit
geringer Anzahlung, da Sie in dem jetzt von
Ihnen bewohnten Gebäude bis jetzt die zu Neu-
jahr fällige Miethe noch nicht berappt haben?
Wir werden mit Herrn Dr. Bodinus im Zoo-
logischen Garten sprechen. — X. in Potsdam:
Vormittags 7 Uhr. Was macht man hier
so früh? Fixen Sie Türken! — Dietrich
u. Co. in Spandau. Bei Wagner. Friede-
berg Söhne und Haller u. Rathenau finden
Sie daö Genmnschte. am sichersten zwischen 3 und
-t Uhr Morgens, wenn die Wächter schon schläfrig
werden. Jedenfalls Vorsicht beim W a ch s a b d r u ck!

Vier tragen au 8chmarzliurg-Vudotstndl.

Du Perlcheu unter Deutschlands Etääteln,
Erschloß sich dir Roms Gnadcnborn?

Was fällt dir ein, zu concordäteln
Mit Sanct Marlin von Paderborn?

Willst strahlen, nach Sanct Bertrabö Lehren.
Du in Sanct Hum brachte Heil'gcnschein?
Willst, deines Namens Klang zu ehren,

Du eine Burg der Schwarzen sein?

Baiern läßt seine Gesandtschaft in Rom zwar bestehen, aber nur „zum
Schutze der Bairischen Unterthanen, des Paß- und Consularwesenü und des
geschäftlichen Verkehrs." Was sonst noch an Geschäften übrig bleibt, kann
der Gesandte des Deutschen Reichs übernehmen; mrd — der Rest ist
Schweigen.

Die Rreuzzeilung au ihre genossen.

Kaum weiß ich vor Verzweiflung mich zu fassen —

Ach! unser Glanz war nur ein schöner Wal,u!

Kommt. laßt uns Buße thun! Wir - sind entlassen-
Der Mohr hat seine Schuldigkeit gcthan'
 
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