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Dev Aug nach dem Westen.

Auslassungen des Rentiers L e h m an», Berlin 0-, gegen die Stammgäste am runden Tisch.

Da hör' ick »u schonst 'ne janze Weile immer des Quasseln mit an über
den Zug nach n Westen, worüber ick doch ooch 'n Wort mitsprechen kann, ick
habe se immer ruhig reden lassen. Alleweile oberst wird es mir doch zu
ville, un ick will nu ooch mal meine Meinung sage».

Ick ivar nämlich dnnncmals erst 2V Jahre alt, wie ick den ersten Zug
kriegte un mit Zulejers bcedc Aeltsten un Schmidten seinen Louis
durch brannte.

Es is allcns Mumpitz. Es jibt jar Irenen Westen.

Wie wir in Spandau waren, sagtHujo Lehmann: „Sind wir mal so
weit, denn man immer wärtser. In drei Tage können tvir in Hamburg
sind! „Un richtig. Zu Fuß konnte» wir nn »ich westlicher kommen und
nahmen auf ein Auswandererschiff das freundliche Anerbieten an, jeje»
12stündige Arbeit täglich und '»e Portion Keile die Neberfahrt frei mit-
zumachcn.

Unterwegs erklärte mir 'n ehemaliger Professor, damals Auswanderer, des,
die janze Zoddelei »ach Westen' uns noch immer von die Völkerwanderungen
her in die Knochen sticht. Na meinswejen. Wir kamen ivenigstenS dabei
endlich nach Rew-Uork.

Aberft nu war jutcr Rath theuer. Jeld hatten wir man wenig in-
jcstochcn, den» die janze Spritzfahrt kam uns zu überraschend. Nu hatten
wir aus die Fahrt allerdings »ich ville Unkosten jehatt, aber allens in allem
blieben uns höchstens noch 8 Tage Frist, bis des Hungern anjing.

Wir waren eben im Bejrisf, uns nach wenig Arbeit und jute Bezahlung
umzuschn, als wieder 'n jroßes Jcdrängcle nach den Westen losjing. Es
ivar nämlich mittlerweile 1819 jeworden, und se hatten des erste Jold in
Californicn jefunde».

Wir also jleich los. Wir jingen nn zu Fuß so weit mit die Nase nach
Westen, als es daS Land erlaubte, und wie wir jejen des Wasser stießen,
fingen wir an zu buddeln.

■f c n n Ft t c i rfi n u it Jl u g f a n if.

Für französische und russische Blätter.

Wenn cs zwei Völker gibt, die der Himmel für einander geschaffen hat,
so sind cs die Franzosen und die Russen. Beide sind ritterlich, gerecht, fried-
liebend und jeder leeren Prahlerei abhold. Um so schmerzlicher müssen sie
es euipfinden, daß der Deutsche, der aus einer viel tieferen Stufe der Intelligenz
wie der Sittlichkeit steht, sich zwischen sie gedrängt hat und eine engere Ver-
bindung zwischen ihnen verhindert.

Leider läßt es sich nicht leugnen, daß Rußland zur Zeit seines ersten
Aufblühens gutmüthig genug war, die Deutschen als Träger und Vermittler
der Cultur eine gewisse Rolle bei sich spielen zu lassen. Aber woher hatten
die deutschen Schwindler diese Cultur? Doch nur von Frankreich! Darum
fort mit den aufdringlichen Zwischenhändlern, die nie den heiligen Boden
Rußlands hätten betreten sollen!

Zwischen Rußland und Frankreich hat immer die schönste Eintracht
geherrscht. Kam einmal ein kleines Mißverständnis, vor, so war dasselbe stets
durch deutsche Intrigen hervorgerufen. Es wird noch zu wenig beachtet, daß
beim Ausbruch des Krimkriegs Herr von Bismarck schon zwei volle Jahre
als Diplomat in Frankfurt thätig war. Wir sind überzeugt, daß die un-
parteiische Geschichtschreibung der Zukunft auch hier die geheime Thätigkeit
des Mannes Nachweisen wird, der nun schon seit mehr als zwanzig Jahren
Europa nicht zur Ruhe kommen läßt. UebrigenS vergesse man nicht, daß der
Kriinkrieg ein ritterlicher Waffengang war, nicht ein schnöder Ranbzug. Beide
Th eile begnügten sich mit der Ehre, von der Erpressung unerschwinglicher
Contributionen und der Wegnahme blühender Provinzen war keine Rede.

Unermüdlich sind die Deutschen auf dem Gebiet der Geschichtssälschung
thätig, um Frankreich mit Rußland zu verhetzen. Da behaupten sie, der
große Napoleon habe einen Kriegszug gegen die Russen unternommen und
sich bei dieser Gelegenheit seine erste schwere Niederlage geholt. Alles
Schwindel! In Wirklichkeit war die Sache so, Napoleon, der mit dem
Kaiser Alexander schon bei verschiedenen Anlässen freundschaftlich verkehrt
hatte, wollte dem Beherrscher Rußlands in der alten Hauptstadt seines Landes
einen Besuch mache». Natürlich nahm er sein Heer mit, ohne das er über-
haupt nicht auszugehen pflegte. Die russische Armee kam den Wasfcnbrüdern
entgegen und geleitete sie nach Moskau. Hier räumte die Einwohnerschaft
mit echt russischer Zuvorkommenheit ihre Wohnungen, um den zahlreichen
Gästen ein gutes Quartier zu bereiten, dem Beherrscher Frankreichs wurden
die kaiserlichen Prunkgemächer im Kreml zur Verfügung gestellt.

Nun befanden sich im Gefolge Napoleons leider auch zwanzigtausend
Preußen. Dies« zündeten in dunkler Nacht die heilige Stadt an, und zwar

Na, wat soll ick euch sagen, ville kam »ich dabei raus. Manchmal
fanden wir wat, manchmal fanden wir nischt, und haben thun hatte» m»
mehrstentheils jar nischt. Da erwachte wieder in uns der alte Zug »ach '
Westen. Wir jingen ans 'n Schiss, des tvdte Chinesen nach Hause fuhr, dem,
keener von die himmlischen Zoppträger möchte nick, um die Welt in Ainerila
bejrabe» sind, und fuhren mit sie nach ihre westliche Heimath.

China wurde uns ooch bald über. Ein Land, wo jeden Tag Maskenball
is un die Männer entweder Köchinnen oder Waschfrauen sind,' konnte »ns
ans die Dauer nick, passen. Außerdem hatten wir uns bei des Joldbudbckn
janz von die Arbeit entwöhnt.

Also immer vorwärts. Wir kamen nach Ost-Indien. Ick habe in „um
janzeS Leben nick, fu'ii jeojraphifchcs Berjnüjc» jehalt, als wie damals m°
wir m Folge von jahrelangen Zug nach Westen mit eenmal nach Ost-Indien
kamen! Na, meinswejen. Die Jeojraphcn haben's zu verantworten.

Uns war des Land zu heiß. Die englische Rejicrung thut wirklich '»
jutes Werk, wenn se die Einjebvrcncn auszieht. Es könnt's sonst keener
da aushalten.

Na, um die Sache kurz zu machen, wir jingen nn quer durch Rußland,
wo alleweil wieder 'n heftiger Zug nach Westen weht, wol auch noch von
die Völkerwanderungen her, den se Slawa nennen, schlosse» uns der Be-
wejung an und kamen nach Schermeisl, von wo wir mit ’n Auswandererzug
noch rechtzeitig wieder in Berlin ankamen.

Nu sage ick blos, westlicher wie bis Berlin kann man doch nich von
Berlin kommen, wenn man nich wieder von vorne ansangen will!

lind des wollen wir nich. Deshalb meine ick immer, Zug nach den
Westen is Unsinn, Westen ,ibt s jar nich, und bleibe jetzt ruhig in 'n Osten,
Berlin O-, und nähre mir redlich!

in so rasfinirler Weise, daß sie vollständig niederbrannte. Jetzt mußte» die
Franzosen sich natürlich aus den Heimweg machen. Wieder gaben die Rügen
ihnen das Geleit und mahnten sie zu immer größerer Eile, denn je Ungtt
die Gäste in Rußland verweilten, desto mehr mußte der ungewohnle ffiint«
ihnen verderblich werden.

Hoffen wir, daß der Tag der Rache für alle diese Niederträchtig»
nicht mehr fern ist! Mögen sich bald Frankreich und Rußland in der Mt!
Deutschlands begegnen und den Freundschaftsbund erneuern, der sie zu all!»
Zeiten vereint hat!

Windthorst wird vom strengkatholischen „Echo der Gegenwart" sch
scharf angezapft und zwar wegen seiner angebliche» Vorliebe für die Juden!

Armer Windthorst! Wie uns aus bester Quelle versichert wird, gibt
es schon einige, welche sagen: „Gebt ihm ja nicht das Geld siir die zweite
katholische Kirche in Hannover! Paßt auf, wenn er es hat, baut er dajür
die schönste Shnagogc!"

Bas f |i T g n iC I if c it c i di.

Nach dem Anträge des 316g. Gamp soll fiir jeden Kartoffelbrenner auf
Reichskosten ein Rectisicationsapparat angcschassl werden. Gehl der Antrag
durch, so muß man natürlich bei der Einführung oder Erhöhung anderer
Stenern und Zölle in ähnlicher Weise verfahren.

Werde» die Getreidezölle verdoppelt, so erhält jeder Großgrundbesitzer
vom Reich eine Dreschmaschine und einige hundert neue Kornsäcke.

Wird die Biersteuer erhöht, was ja nur eine Frage der Zeit ist, f°
bekommt jede Brauerei eine 3lnzahl Stücksässer. Jedem Biertrinker aber
dcdicirt das Reich ei» hübsches Stammseidel, über dessen Deckel der Reichs-
adler thront. Diese Maßregel dürfte manche versöhnlich stimme», die sonst
von Steuererhöhungen nichts wissen wollen.

Neustes aus Kamerun.

Das viclgeschmähte Hinterland von Kamerun liefert immer neue Schätze-
So übersandte u»S kürzlich der dort weilende Forscher vr. Möppcl ein aus-
gewachsenes Exemplar einer von ihm entdeckten Raubvogelgattnng, nämlich
einen Mottcnadlex, welcher im ganzen nur 8 ein klaftert. Dieser kleinsie
aller Raubvögel nährt sich, wie schon seine Name andcutet, nur von Mollen
und scheint sich vorzüglich bei uns zu acelimatisiren. Man setzt ihn einfach
in das Kleidcrspind und braucht dann keinen Kamphcr und kein Mottenpulver.
Natürlich muß man das Schlüsselloch sorgfältig verstopfen.
 
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