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ssssß Hie tzer Amtier Aeeöach IM Lie Aommerreise kam. sssss

Die schlechten Prozentverhältnisse halten mir schon im Juni eine jewisse
Abneijung jejen eine Familien-Sommerreise einjeflößt, objleich ich mich in
früheren Jahren zu derjleichen nie recht jedrängt halte.

Dazu kamen nun noch die traurigen Folgen eines allzu feucht verlebten
Siebenschläfers, welche an keinem Tage ausblieben, so das, ich mir vornahm,
es an mich kommen zu lasse».

Und richtig. Ansang Juli fängt meine Olle an von de» herausziehenden
Hundstagsserien zu quasseln, und Ivie nöthig es für unsen Heinrich is, daß
er sich diese» Sommer jehörig kräftigt und erholt, weil er Oclober in die
Vorschule kommt.

Ich mache meine Einwendungen ivejen das Wetter, die aber meine Frau
umjehend in die Flucht schlägt. „Ewig kann es nich regnen!" sagte sie, und
ich mußte ihr Recht jeben.

Den andern Morjen hatte es sich ein bischen ausjeklärt, ich sage also
Muttern: „Heut woll'n wir nial 'ne kleine Probe niachen." Wir packen uns zu-
sammen und jehn an den Dampserhalteplatz. Der janze Kahn war von unten bis
oben voll, und mit Mühe und Roth kriegten wir noch drei Plätze zum Steh».

Kauni ist der Dampfer abjestoße», so überzieht sich der Himmel, bis die
paar Wolken das Rejenwasser nicht mehr halte» können und der Juß bejinnt.
Ich brauche ivohl nichts weiteres hinzuzusügen. Beim Eierhäuschen trennten
wir uns vom Dampfer, warteten auf den nächsten von Köpnick und fuhren
pitschnaß nach Berlin zurück, wo wir drei ohne einen trockenen Faden ankamen.

„Mit Misdroy is es also nichts", sagte meine Frau am anderen Morjen.

Wie cS nun weitere 14 Tage jeregnel hatte und ivieder nial ein trockener
Morjen kam, sagt meine Frau jleich: „Nun wird's besser, wie wär's, wenn
wir es dies Jahr mit den Berjen versuchten!"

„Jut", sage ich, „es kann ja aus'n Versuch nich ankommen", und be-
stelle zu Nachmittag einen Wagen nach Pichelsberg, wo unsere janze Freund-
schaft 'ne Landpartie Vorhalte.

Wir stiegen bei richtigen Sonnenschein ein, wie wir aber hinter Westend in
den Wald sahren, sängt es an zu dreschen. Ich brauche wohl nichts weiter
hinzuzufügen. I» Pichelsberg spunnten wir die Damen in'n Saal mit Aus-
sicht und >vir flüchteten uns in die zuige Kegelbahn, wo wir die Abfahrt
von eine halbe Stunde auf die andere verschoben, weil wir verjebens aus
einen besseren Witlerungsbericht lauerten.

Endlich fuhren tvir durch den Regen nach Hause.

„Mit die Berje is es auch nichts", sagte meine Frau den andern Morjen.

Nu rejnete eS immer unjestört weiter.

Vorjestern sing mir nun doch die Sache an leid zu thun. „Wie wäre es
denn noch auf 8 Tage nach'n Spreewald, da sind jar keine Berje und man
auch wenig Wasser?" sagte ich einschmeichelnd zu Muttern. Aber da hätte
sie einer sehn sollen.

Mit einer Miene, die sie mindestens schon 4 Wochen einstudirt hatte,
warf sie mir vor, daß ich den janzen Sommer hätte verstreichen lassen, ohne
an nieine Familie zu denken, und für das, was noch davon übrig sei, danke
sie nun auch. Uebrigens müsse sie unsen Erben aus die Nona vorbereiten,
und ich solle mir ja nicht einfallen lassen, allein zu reisen.

Das wäre inir nun auch nich mal im Traume beigekommen, denn mir
ist nirgends wohler, als zu Hause.

So habe ich denn in diesem Jahre das janze Reisejeld jespart.

Hält' ich's man erst zusammen!

Der Hlichter-Isonds.

Vor einigen Tagen wurde zu Hagen i. W. eine stark besuchte Ver-
sammlung von freisinnigen Vertrauensmännern abgehalten. Zur Berathung
stand die Verwendung der 100,000 Mark, die dem obersten Parteiführer an
seinem fünfzigsten Geburtstage als Ehrengabe überreicht sind. Natürlich
konnte es sich nicht um entscheidende Beschlüsse handeln, sondern nur um
gute Ralhschläge und discrete Winke, die man dem Gewaltigen zu geben denkt.

Zuerst erhielt das Wort ein stattlich und würdig aussehender Herr, bei
dem nur ein malitiöser Zug um den vollen Mund unangenehm ausfiel Der-
selbe erklärte, Eugen müsse für das Geld eine Reise von mindestens fünf-
jähriger Dauer machen, um die inneren Verhältnisse wahrhaft sreier Staaten
gründlich zu studiren. Bei dem Wüthen der Reaction in Deutschland finde
ein wirklich freisinniger Mann doch daheim keine Gelegenheit zur Entfaltung
seiner Kräfte. Als nächste Reiseziele schlug der Redner die nordamerikanische
Union, die Negerrepublik von Hayti und die südamerikanischen Staaten vor.
Schon hatte sich eine animirte Discussion über diesen Vorschlag entsponnen,
als man dahinter kam, daß man es hier mit einem hinterlistigen Cartell-
bruder zu thun hatte. Natürlich wurde der Eindringling in nicht eben sanfter
Weise hinausgeleitet.

Jetzt erhob sich ein alter grauhaariger Herr und machte den Vorschlag,
den Fonds unter die noch lebende» Achtundvierziger zu vertheilen. In be-
weglicher Weise wies er darauf hin, wie kümmerlich es diesen Veteranen und
Invaliden der Freiheitskämpse ergehe; in der neuen Zeit könnten sie sich
nicht znrechtsinden, und von der alten wolle man sogar in den Kreisen der
eigenen Partei nicht immer hören und lesen. Von einer solchen Verwendung
wollte aber das jüngere Geschlecht, das in der Majorität war, nichts wissen.

ßisinacifc Sdiimrtetmeijler.

Trefflich, Schneider Berlins, pfuscht ihr den Schmieden ins Handwerk,
Träfet des Nagels Kopf sicher mit euerm Diplom.

Meister tvar er ja längst, den zum Ehren-Meister ihr machtet,

Fremd nicht ist ihm die Kunst, Nadel zu führen und Scheer'.

Scheere war ihm das Schwert, als Nadel dient' ihm die Feder,

Was er durchs erste getrennt, zog mit der andern er fest.

Stattliches Frauengewand, er schnitt's aus gediegenen Stoffen,

Stahlhart, goldigen Grunds, schmiegt es den Gliedern sich an.

Allen zum dauernden Heil, dem Meister selber zum Ruhme
Schmück' es Germania so, haltend für ewige Zeit!

Deutschfreisinnige Blätter geberden sich sehr unwillig darüber, daß die
Nationalliberalen sich an den Ovationen zu Eugens fünfzigjährigen Lebens-
jubiläum nicht beiheiligt haben.

Dann wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich nicht empfehle, aus dem
Fonds fiir jedes Wirthshaus im deutschen Reich ein lebensgroßes Bild des
Geburtstagskindes anzuschaffen. Schon schien sich eine Majorität hiersür zu
finden, als einige erfahrene Männer aus das Bedenkliche dieses Vorschlag«
aufmerksam machten. Mit Recht hoben sie warnend hervor, daß manche
Wirthe das Bildniß des verehrten Führers mit der Vorderseite nach der
Wand zu aufhängen würden und daß zechende Cartellbrüder leicht mit dem-
selben allerlei Unfug treiben könnten.

Viele Redner vertraten die Ansicht, daß man auf Kosten des Fonds
jedem wahrhaft freisinnigen Manne ein kleines Geschenk machen sollte; für
jeden würden doch einige Mark abfallen. So schlug man vor, Albert
Träger eine neue Leier, Birchow einige Rieseneidechsen, der Tante Voß
eine Stillehre und dem Redacteur der „Freisinnigen Zeitung" ein halbes
Dutzend Scheeren zu schenken.

Endlich einigte man sich dahin, dem Parteityrannen folgenden Vorschlag
zu machen. Da vorläufig die Aussichten für den Freisinn ja doch recht
schlecht sind, soll das Geld zweihundert Jahre lang verzinsbar angelegt
werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Summe aus weit mehr als eine
Milliarde angewachsen, und mit diesem Anti-Reptilienfonds soll ein glücklicheres
Geschlecht den Kamps gegen die dann jedenfalls noch wüthende Reaction
ivieder ausnehmen und siegreich zu Ende führen.

Man trennte sich in der Ueberzeugung, daß der hochsinnige Führer dem
Vorschläge der treue» Parteigenossen seine Zustimmung nicht versagen

Ja, so schlecht sind die Leute. Unablässig bombardirt Eugen die National-
liberalen aus den Spalten seines kleinen Blattes heraus mit Schimpfwörtern,
und doch wollen sie ihn nicht feiern. Kann man wohl noch daran glauben,
daß es Dankbarkeit in der Welt gibt?

Eine neue Komßinatiou.

Nun die Hochconservativen gegen Bismarck mobil gemacht haben, was
hindert noch die „Tante Voß" mit der „Kreuzzeitung" und die „Freisinnige"
nnt dem ihr auch seelisch so nahe stehenden kleinen „Reichsboten" in dasselbe
Horn zu stoßen?

Glück auf zum reactionär-deutschsreisinnigen Cartell! Hoffentlich schließt
auch noch Windthor st mit seiner ganzen Reiterei sich an.
 
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