Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
194

^3/

Heßet Erspar»».gen fiel iteu 3DaflCen.

Sobald die Wahlagitation beginnt, zeigt es sich jedes Mal, das; es in
allen Parteikassen an Geld fehlt. Bei de» Hochconservativen war es diesmal,
wie Herr v. Hell darf offen erklärte, ganz kümmerlich damit bestellt, die
freisinnigen Blätter, deren Wahlspruch sonst „Hallet die Tasche» zu!" lautet,
schrien schon acht Wochen vor dem Wahltermin nach Beiträgen, und bei den
Mittelparleien wird auch gerade kein Ueberstuß geherrscht haben.

Angesichts dieses Uebelstandes muß man doch fragen, ob der ganze
Wahlbetrieb nicht billiger eingerichtet werden kann. Ganz gewiß kann er das!

Weshalb steht für jede Partei ein besonderer Zettelvertheiler vor dem
Wahllocal? Einer genügt für vier, fünf, ja zehn Parteien, denn wer zur Wahl
geht, weiß schon genau, wie er stimmen will, er läßt sich durch die Zeltelträger
nicht beschwatzen. Noch besser wäre es, einen Automaten aufzustellen, ivelcher
nach dem Einwurf eines Geldstücks den gewünschten Zettel herausgibt; in
der dritten Klasse müßte man einen Nickel, in der zweiten eine Mark, in
der ersten einen Thaler Hineinwersen. Ein solcher Automat macht großen
Spaß, und in so geringen Beträgen lassen sich die Leute das Geld gern
abnehmen. So würden beträchtliche Summen für die Parteikassen zu-
sammen kommen.

Muß dann jede Partei ihre säumigen Anhänger in besonderen Droschken
heranholen? Genügt nicht ein Kremser, der alle Nachzügler ohne Unterschied
der politischen Richtung aussammelt? So viel Bildung herrscht doch jetzt in
allen Ständen, daß auch die erbittertsten Gegner in dem Fahrzeug friedlich
zusammen sitzen werden.

Biel Geld wird mit der Wanderrednerei verschleudert, denn der Redner
muß doch wenigstens freie Fahrt, freies Essen und Bier haben. Hier genügt
wieder e i n reisender Agitator für alle Parteien, denn jeder kennt die Stand-
punkte der Gegner ebenso gut wie seinen eignen und kann sie, wenn es ver-
langt wird, mit demselben Nachdruck vertheidigen. So kann also derselbe
Mann Nachmittags um vier Uhr für das Carlell, um fünf für das Centrum
und uni sechs für den Freisinn sprechen.

Biel wäre gewonnen, wenn wir statt der zahllosen Blätter, von denen
viele nur mit Mühe durch wohlhabende Parteifreunde über Wasser gehalten
werden, eine einzige wirklich allgemeine Zeitung hätte», in der dann Politiker
jeder Richtung ihren Standpunkt vertreten sänken. Da es aber jetzt viele
Tausende von Zeilungsschreibem gibt, die alle ihr Brot verdienen wollen,
so ist kaum anzunehmen, daß wir dies Ziel bald erreichen werden.

Der französische Zappelphilipp.

Seht hier den Zippel-Zappelmann,

Der keine Ruhe Hallen kann.

Er schnüffelt hier, er nörgelt da
In Dresden und in Afrika,

Bricht in Italien Zank vom Zaun
Und drückt sich, wenn es geht ans Hann.
Er spionirt, er intrigirt,

Er schimpft und schreit und perorirt.
Verfolgt in tollem Unverstand
Die armen Fremden, die im Land,

Macht jeden Tag 'ne Deutschenhetz
Und hat ein Spionirgesetz.

Da war der deutsche Kilian,

Der litt sehr stark an Größenwahn,

Gerirte sich als Offizier

Und trank zuweilen deutsches Bier;

Er fehlt' bei keiner Truppenschau,
Skizzirte auch 'nen Festungsbau.

Ganz Frankreich ries mit Jubelton:
„Juchhe, nun endlich ein Spion!"

Und hat dem Armen unverweilt
Fünf Jahre Kerker zugetheilt.

Nun sage man mir nur, wer war
In diesem Fall der größte Narr?

Wie weit der Zippel-Zappelmann
Es noch in Zukunft bringen kann,

Ist ungewiß, doch scheint es mir
Als steh' d61nge dicht vor der Thür;
Vielleicht im nächsten Jahre schon
Kommt die ... . Verfaffungsrevision.

Das ff o m p r o m i [j.

Es trafen sich zwei Männer gut
Wohl vor dem Wahllocal,

Freisiuing der, der andre
Nationalliberal.

Das sprach der erste: „Lieber Freund,
Sag' an, was willst du hier?

Mußt stundenlang wohl warten
Bei abgestandnem Bier.

Ich weiß ganz nah hier einen Ort,

Da stießt so frisch und hell
Der Trank, da sitzt es gut sich,

Du Bruder vom Carlell!"

Der andre draus: „Versucher, schweig!
Treu blcib' ich meiner Pflicht.

Willst du zum Wahlact gehen,

Darf ich auch fehlen nicht."

Und wieder sprach der erste: „Freund,
So ist es nicht gemeint!

Den Wahlact wollen schwänzen
Wir beide treu vereint.

Nur eine Stimme wen'ger gibt's
Für jegliche Partei;

Das ist fürs Resultat doch
Wahrhaftig einerlei."

Da rief vergnügt der vom Carlell:
„Das ist es ganz gewiß!

Ich gehe mit! DaS nenn' ich
Ein gutes Compromiß."

Nach allen Seiten sahn sich um
Die beiden noch einmal,

Dann schlüpften sie gar eilig
Hinein ins Bierlocal.

Die f.ücftITcficii UntionalCifiecatcn.

Aus dem deutschfreisinnigen Lager.

Zu schlechte Kerle sind doch die Nationalliberalen! Monatelang haben
alle deutschfreisinnigen Blätter Schmäharlikel gegen sie gebracht, Waschkörbe
voll Schimpfwörter hat Eugen gegen sie verbraucht, und doch sind die
Elenden noch nicht todt, sondern werden wahrscheinlich noch einige neue
Mandate zu ihren früheren hinzuerobern.

Nein, mit so tückischen und undankbaren Menschen muß man sich künftig
gar nicht mehr abgeben. Man überlasse sie ruhig ihrem Schicksal!

Doch etwas Gutes!

Wenn die Nationalliberalen in Berlin gesiegt hätten, so würde der
gefürchtete Heyden'sche Obelisk als Siegesmal aufgerichlet worden sein.
Also versichert man in deutschfreisinnigen Kreisen.

Sollte das mehr sein als ein von boshaften Leuten verbreitetes Gerücht,
so würde nian in Berlin doch einen Grund haben, sich über die Niederlage
der Cartellbrüder zu freuen.

Die Berliner Hauswirthe hoffen, wie aus den Zeitungen zu ersehen ist,
auf Herabsetzung der Wafferpreise.

Sollten sie, ivas man für wahrscheinlich hält, in ihrer Hoffnung getäuscht
werden, so wird ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich an einen
leichten Mosel zu gewöhnen.

Neuste Ausstellung.

Zu einem wohlthätigen Zweck soll im Berliner Rathhaus eine Aus-
stellung langer Nasen veranstaltet werden.

Ein paar Prachtexemplare sind vor einigen Tagen für die Ausstellung
gewonnen worden.
 
Annotationen