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ton verschiedenen Seiten wird Anklage erhoben gegen die Dichter
des Suffs. Mit vollem Recht, wie wir meinen. So geht es
nicht weiter, dag die Trunkfälligkeit verherrlicht und die Nüchternheit
gewissermaßen in Der ... — in Verruf, wollen wir sagen — erklärt wird.

Wer aber unter den deutschen Dichtern ist in der poetischen Ver-
klärung der Trunksucht allen anderen vorausgegangen und hat alle
übertroffen? Ein gewisser Goethe, aus Frankfurt a. M. gebürtig,
wo er früh schon durch Apfelwein verdorben wurde, und nachher seiner
Festigkeit am Zechtisch wegen in den Adelsstand erhoben- Auch was er
sonst in denjenigen seiner Gedichte, die sich erhalten haben, zun. Lobe
des Trinkens sagt, grenzt ans Unglaubliche, das Aergste der Art aber
bilden wohl seine Worte „Trunken müssen wir alle sein". Es wundert
uns, daß er nicht ein noch kräftigeres Wort als „trunken" wählte, etwa
„angesäuselt" oder „bespiht" oder geradezu „bes .... n". Schiller
bemühte sich ehrlich, es Goethe- in der Verherrlichung des Zcchens
gleichzuthun. Daß er ein Loblied auf den Punsch gedichtet hat, ist
charakteristisch für ihn und lägt tief blicken. In seiner Commoden-
schublade wird er außer den faulen Aepfeln, die er so sehr geliebt
haben soll, wohl auch noch eine vierkantige Flasche gehabt haben.
Lessing war einfach ein Gewohnheitstrinker. Er hat eine „Rettung"
des Quartalsäufers Horaz geschrieben, und seine früher vielgelesene
„Minna von Barnhelm" ist nichts weiter als eine Reclame für
den leider nur zu bekannten „Danziger Lachs". Jean Paul soll
niemals ganz nüchtern gewesen sei». Ernst Moritz Arndt ließ, wie
noch lebende ehemalige Bonner Studenten bezeugen können, keinen
Tag, den Gott werden ließ, verstreichen, ohne daß er zu Bier ging.
Justinus Kerner würde vielleicht noch leben, wenn er nicht so sehr
dem Weinsberger zugesprochsn hätte. Uhland sprach selten ein Wort,
leerte aber um so fleißiger das Glas. Bebn ersten blieb es nie, wenn
er einmal angcfangen hatte. Ziemlich sicher ist es, daß auch Geibeltrank.

Und nun thue man einen Blick hinein in die Comnicrsbüchcr unserer
Studenten. Von nichts als Suff und wieder Suff ist darin die Rede.

Alle Lieder preisen und rühmen das Saufen, ausgenommen ein einziges
in dem eine grausige That als die Folge mütterlicher Trunkenbolden!
Hastigkeit bezeichnet, also auf das Furchtbare der erblichen Belastung
hingewiesen wird. Aber das ist unter lauter Schafbohnen die
'einzige Perle.

So ist es denn kein Wunder, daß außer deu Nichldichtern auch
Dichter, die es ehrlich mit sich selbst und mit ihrem Volk meinen, sich
an der Agitation gegen den Suff und die Suffpoesie b-theiligen.
Mit Freude bemerken wir unter ihnen: Ernst v. Wolzoge», den
Sänger des Zartesten und Dusligsten, Otto v. Leirner. der von
allen Idealisten die wuchtigsten Accorde anschlägt, Paul Heyse, den
„Heyse von Magdala". Oskar Blumenthal hat sich'noch'nicht
vernehmen lassen, wird aber ohne Zweifel mit flammenden Worten
in die Verdammung des Spiritus einftimnien.

Was ohne Alkohol auf dem Wege der Dichterischen Production
sich erreichen läßt, das sehen wir an unseren hochmodernen Dichterinnen.
Woher stammt bei ihnen die Kraft, in so erhebenden und begeisterungs-
vollen'Klängen die hohe und herrliche Göttin, dis Venus vulgivaga
zu besingen? Dom Kaffee, lautet die Antwort, vom Kaffee! Die
Kaffeekanne ist für sie der kastalische Quell, der ihre Zunge löst und
sie so wunderbar schnattern läßt. Selbstverständlich verlangen wir von
den Dichtern nicht, daß sie sich auch in Kaffee berauschen, wenn der
Pegasus von ihnen bestiegen wird, denn der Kaffee ist das Getränk
der dichtenden Frau. . Für die Dichter dürfte' sich vielleicht als Be-
geisterungserregcr ein milder Thee empfehlen, der mit Sternanis oder
Mäusedreck gewürzt ist. '

Dichter, laßt euch das eine Mahnung sein!

, Ach, wir haben so viel noch auf dem Herzen, was wir sagen möchten,
aber was hilft alles Reden? Es wird ja doch nicht anders bei uns
werden, solange noch die allerhöchsten Herrschaften einander mit Wein
> anprosten und Kronensöhne bei Studentenconimersen präsidiere».

Armer Leid vom „Vorwärts"

O Jammer, der zum Himmel schreit!
Wer hätte nicht Mitleid mit Leid.

Als in der vierten und letzten öffentlichen Generalversammlung des
Katholikentags der Cardinal-Erzbischof 0r. Fischer die Mittheilung
machte, daß das Metropolitancapitcl des Kölner Domes deni Cardinal
Ferrari einen Theil der Gebeine der heiligen drei Könige über-
wiesen habe, brach ein Jubel aus, der nicht wieder verstummen wollte.
Von Begeisterung ergriffen stimmten viele, vor allem die jüngeren
Capläne, mit kräftiger Stimme das alte schöne Lied an:

.Zu Köln an. Rhein, da lind non
Die heiligen drei Könige."

Erst als inan an dem energischen Abwinken des Erzbischofs erkannte,
daß er noch weiter zu der Versammlung sprechen wollte, beruhigte die
allgemeine freudige Erregung sich so weit, daß der hochwürdigc Herr
sich wieder verständlich machen konnte.

Die Führer der Zionistcnbewegung sind mit großen Rosinen
im Sack in Basel angekominen und haben ihre Stimmen erhoben für
den Auszug der Kinder Israel aus Europa.

Ob die Fürsten und Präjidenten auch wie einst Pharao in letzter
Stunde ihre Heere ausjchicken werden, um das Volk Israel mit Gewalt
zurückzuhalten? _

In der vornehmen Gesellschaft Nordamerikas finden, wie die Blätter
berichten, die Trauungen nur noch um Mitternacht statt.

Man ist geneigt, in dieser neuen Mode einen neuen Beweis für die
Originalitätssucht der Amerikaner zu erkennen. Wir glauben, daß sich
diese Sitte aus dem glänzend entwickelten Geschäftssinn der Pankees
genügend erklären läßr. Der Tag gehört dort ausschließlich den, Ge-
schäft, und ein so nebensächlicher Act, wie eine Trauung doch ist, kann
füglich auf die Nachtstunden verlegt werden. Wenn sich die jungen
Eheleute dann am Morgen bei genauerem Zusehen nicht gefallen,
können sie ohne Zeitverlust wieder auseinander gehe», und nichts ist
verloren.

Die deutschen Ultramontanen

wollen, wie der Cardinal-Erzbischof Ferrari von Mailand in Köln
unter dem tosenden Beifall der versammelten Tausende erklärte, unter
den Fittichen des kaiserlichen Adlers für die Rechte und
Freiheiten der Schlüssel Petri eintreten. Der neue heilige
Vater ist den Deutschen freundlich gesinnt, diese Gesinnung wird von
den Regierungen des Deutschrn Reichs lebhaft erwidert, und so sind
die Aussichten für ein gutes Dcrhältniß zwischen Staat und Kirche so
befriedigend, wie sie nur sein können.

In hohen preußischen Negierungskreisen schmeichelt mgn sich schon mit
der Hoffnung, daß in den weihevollen Augenblicken, wo Pius den»
Deutschen Reich und ganz besonders dem frommen Preußen seinen
Segen ertheiit, das gute Einvernehmen zwischen dem kaiserlichen Adler
und den Schlüsseln Petri sichtbarlich zum Ausdruck kommen wird.
Man rechnet darauf, daß bei solchen Gelegenheiten die päpstliche Tiara
einen Schmuck erhält, der ebenso dem Herzen wohlthut, wie er dem
Auge gefällt.
 
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