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KUNSTGESCHICHTLICHE
VORAUSSETZUNGEN

M an hat es Willmann zum Vorwurf gemacht, daß er zunächst aus der Quelle des
Rubens, van Dyck und Rembrandt schöpfte, ja man ließ durchblicken, er habe diesen
international gangbaren Stil geschickt für seinen geschäftlichen Vorteil ausgebeutet.
Wer so redet, steht nicht nur dem Wesen Willmannscher Kunst fern, er verkennt die
geistige Lage der Kunst des 17. Jahrhunderts überhaupt.
Als Willmann 1630 geboren wurde, da gerade trat der vernichtende Glaubenskrieg,
der seit 1618 von seinem böhmisch-schlesischen Herd aus ganz Deutschland ergriffen
hatte, in sein entscheidendes Stadium. In raschem Siegeszuge war der Schwedenkönig
Gustav Adolf den bedrängten Protestanten bis nach Süd- und Westdeuschland zu
Hilfe geeilt. Als er aber schon 1632 in der Schlacht von Lützen gefallen war, da streifte
seine entartete Soldateska, Tod und Schrecken verbreitend, durch die Lande und ver-
nichtete die letzten Reste von Wohlstand, Wirtschaft und Kultur. Man kann das
namenlose Elend, in das Deutschland nun verfiel, nicht anschaulicher schildern, als es
Andreas Gryphius schon 1636 in seinen »Thränen des Vaterlandes« tat:
Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schaar, die rasende Posaun,
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Carthaun
Hat allen Fleiß und Schweiß und Vorrath aufgezehret.
Die Thürme stehn in Glut, die Kirch’ ist umgekehret,
Das Rathhaus liegt in Grauss, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfraun sind geschändt, und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchführet...
Das Ende des Krieges (1648) fiel etwa mit dem Ende der Lehrzeit Willmanns zusam-
men. Der Zeitpunkt konnte nicht ungünstiger sein. Gerade jetzt, wo der junge Künst-
ler über den engen Königsberger Horizont hinaus Anregungen, ja vielleicht eine neue
Lehrstelle suchte, war die malerische Tradition abgebrochen, und was sich aus den
Trümmern erhob, zeigte eine so bedenkliche Entwicklung, daß für Willmann da
wenig zu holen war. Die Situation war in groben Umrissen etwa folgende.’1
Der verheißungsvolle Aufschwung, den die deutsche Kunst gegen Ende des 16. Jahr-

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