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B. HANDZEICHNUNGEN

Es ist bei Willmann wie bei der Mehrzahl aller Künstler: erst die Handzeichnungen
gewähren einen Einblick in die Geheimkammern des Schaffens. Sie sind der aufs
Papier gesprungene Gedanke, und erst auf dem Papier entscheidet sich, ob eine Idee
für die Ausführung brauchbar ist oder nicht. Deshalb gibt es eine Reihe flüchtig hin-
geworfener Skizzen, die nie Bild geworden sind. Im Kern des Werkes aber stehen
die Vorzeichnungen für ausgeführte Gemälde, Fresken, Radierungen, meist von
einer Ausführlichkeit, daß sie unmittelbar übertragen werden konnten. Nur einmal
erhebt sich eine Zeichnung zu selbständiger Geltung — die Huldigung an Sandrart —
und diese gibt dann gleich einen Inbegriff nicht nur seines eigenen zeichnerischen
Vermögens, sondern der graphischen Energien seiner Zeit überhaupt.
Die technischen Mittel sind die seit dem zweiten Viertel des Jahrhunderts in Deutsch-
land üblichen. Meist handelt es sich um Federzeichnungen in dunkelbräunlicher
Tinte, mit Bistre oder Tusche laviert, gelegentlich weiß gehöht und auf farbigem
Papier. Ganz selten bedient er sich des Bleis, der Kreide oder des Pinsels allein.
Die Beurteilung des Wesens der Willmannschen Zeichnungen wird zunächst dadurch
erschwert, daß offenbar eine große Anzahl zugrunde gegangen oder nicht mehr nach-
weisbar ist. Das beweisen allein die zwanzig Radierungen nach Vorlagen Willmanns,
die der böhmische Stecher Joseph Gregory 1794/95 anfertigte"" und zu denen sich
keines der Originale bisher hat auffinden lassen (Abb. 146, 147). Mit seltener An-
empfindung ist hier die charakteristische Vehemenz des Strichs getroffen, und die
Fülle der Einfälle gibt uns die traurige Gewißheit, daß wir in den erhaltenen
Originalen nur wenige Bruchstücke eines umfangreichen zeichnerischen Werks be-
sitzen.
Aber selbst unter den erhaltenen Blättern wird man sich mehr als bei anderen Künst-
lern an die absolut gesicherten Stücke halten müssen und von dort aus vorsichtig die
Kreise schlagen. Denn öfter als bei anderen verwischen sich die Grenzen zwischen
Meister- und Werkstattarbeit. Schon Eybelwieser kommt seiner Technik mitunter
bedenklich nahe, und wenn es sich nicht um so eigenwillige Charaktere wie Lischka,
Brandei, Bentum handelt, ist die Entscheidung oft nur instinktiv zu treffen.
Schon ein flüchtiger Blick auf die in der Skizze steckengebliebenen Entwürfe für das
GrüssauerPassionsbuch( 1672—76) läßt keinen Zweifel, daß eine tiefinnere
Verwandtschaft mit dem Zeichenstil Rembrandts vorliegt (Abb. 36—45). Nicht nur in
den allgemeinen Merkmalen (die das ganze Jahrhundert übernahm): daß das zeich-

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