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WERKE

A. GEMÄLDE
FRESKEN UND FARBSKIZZEN

I. WANDERJAHRE
T^ach den bedeutsamen Eindrücken an den niederländischen Kunststätten und nach
der Aussage Sandrarts, Willmann habe dort »Tag und Nacht« gearbeitet, ist es er-
staunlich, daß bisher keinerlei Zeugnis seiner Tätigkeit aus diesen Jahren bekannt ge-
worden ist; es sei denn, man nehme zwei recht fragwürdige Radierungen dafür in
Anspruch (s. Abschnitt C). Gewiß mag manches verloren sein, aber merkwürdig:
auch von den anderen Stationen seiner Wanderschaft haben sich nicht viele Bilder er-
halten. Ein paar Arbeiten in Böhmen, ein paar in Breslau und Berlin, das ist alles,
und die große zusammenhängende Entwicklung seiner Kunst setzt erst mit den Leu-
buser Apostelmartyrien ein. Noch sonderbarer aber, daß die ersten Kopien nach
van Dyck erst in Breslau, also mehrere Jahre nach der holländischen Studienreise,
entstehen und daß sie ganz unvermittelt neben teils befangenen, teils fortgeschritte-
nen Arbeiten ureigensten Gepräges stehen.
Das Rätsel klärt sich auf andere Weise, und hierin unterscheidet sich Willmann grund-
sätzlich von der Mehrzahl seiner Zeitgenossen. Wenn etwa ein Ovens nach Holland
ging, so war das Ziel seiner Wünsche erreicht, wenn er sich den Stil seiner Vorbilder
»bis zum Verwechseln« zueigen gemacht hatte. Noch heute wirkt er in den Amster-
damer und Haarlemer Familienbildern als ein geschickter Doppelgänger seiner Lehrer
Netscher, Mytens, Musscher. Willmann aber trieb das tiefere Verlangen nach dem
Westen, einem dunklen Vorstellungsdrange zur Gestalt zu verhelfen, für dessen Ver-
wirklichung ihm der erstarrte Königsberger Eklektizismus keinerlei Mittel bot. Durch
Stiche und Berichte mag er mit Staunen von einer Künstlerwelt erfahren haben, die
mit Körpern arbeitete, wie man sie noch nie gesehen hatte, mit einem Natursinn, der
beinahe erschrecken machte und mit Helldunkelwirkungen von geheimnisvoller Ge-
walt. Und trotz vollendeter Ausbildung ließ er alles stehen und liegen, um in den
Niederlanden sein Heil zu suchen. Im rauschenden Leben von Amsterdam und Ant-
werpen aber und in den Ateliers von Rembrandt, J. de Backer, Bramer u. a. wird ihm
aufgegangen sein, wie sehr es ihm an den einfachsten Voraussetzungen fehlte. Und

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