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I. DIE ROMANISCHEN HANDSCHRIFTEN

A. GESCHICHTLICHES13
In den ersten anderthalb Jahrhunderten des zweiten Jahrtausends, als das mittlere und
westliche Deutschland schon ein beträchtliches Stück künstlerischer Kultur hinter sich ge-
bracht hatte, harrte Schlesiens politisches Schicksal noch der Entscheidung. Das Land war
ein Spielball zwischen polnischen und böhmischen Herrschergewalten, und bei dem müh-
samen Vordringen des Christentums war an eine stetige Entfaltung künstlerischer Regungen
nicht zu denken. Erst als 1163 das Land unter die drei Söhne Ladislaus II. aufgeteilt wurde,
war der Grund zu einer selbständigen Entwicklung Schlesiens gelegt. In der Gestalt Boles-
laus des Langen, des Herzogs von Mittelschlesien (1163-1201), der 1167 die deutsche Prin-
zessin Adelheid von Sulzbach heiratete, 1175 das Zisterzienserkloster Leubus stiftete und die
Anfänge der deutschen Besiedlung einleitete, sind die ersten Züge jenes Fürstengeschlechts
vorgebildet, dem Schlesien in der Folgezeit den Aufstieg zum deutschen Kulturlande ver-
dankte. Aber erst sein Sohn Heinrich I. (1201-1238), auch er mit einer Deutschen, Hedwig
von Andechs, verheiratet, nahm das Kulturwerk in großem Maßstabe auf. Zwar hat auch er
sich kriegerischen Verwicklungen nicht entziehen können, und an dem Erlös aus der Koloni-
sation war ihm viel gelegen. Aber das Unterscheidende zu den früheren Regierungsmethoden
ist die Idealität der Beweggründe. Kriege wie der gegen die heidnischen Preußen (1222)
brachen dem deutschen Ordensstaate Bahn, und was das eigne Land betraf, so galt es nicht
mehr als Opfer fürstlicher Beutegier, sondern als Pflanzstätte bürgerlicher und kirchlicher
Kulturen. Kaum wieder ist auf Betreiben eines Herrscherpaares eine so erhebliche Anzahl
von Klöstern und frommen Pflegestätten gestiftet worden, und kaum wieder ist in so kurzem
Zeitraum eine solche Fülle von Städten gegründet, d. h. nach einem noch heute gültigen
Planschema angelegt und zu Magdeburgischem Recht ausgesetzt worden. Von anfeuernder
Bedeutung für die jungen Kulturbestrebungen war es, daß die Landesherrin Hedwig selbst,
dieses Urbild an Güte und Gottergebenheit, schon vor ihrem Tode (1243) wie eine Heilige
verehrt wurde (kanonisiert 1267). So konnte es kommen, daß schon in der nächsten Genera-
tion, unter Heinrich II. (1238-1241), die Kräfte des Landes sich zu einer Tat von weittra-
13 Zur Orientierung über den geschichtlichen Teil sei aus der Fülle des Schrifttums hingewiesen auf: C. Grünhagen, Ge-
schichte Schlesiens, Bd. I, II, Gotha 1884; J. Heyne, Dok. Geschichte des Bistums... Breslau, Bd. I-III, 1860ff. — Einzel-
forschungen u. dgl. in: Zeitschr. des Vereins f. Geschichte Schlesiens; Darstellungen und Quellen zur Geschichte Schlesiens. —
Neuere Werke: Historja Sl^ska, Bd. I, II, Krakau 1936; Geschichte Schlesiens, Bd. Iff., Breslau 1938ff.

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