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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1843 (Nr. 28-80)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1490#0186
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E i n l a d 1» n g.

Aufolgr ß. 22 der Statuten und ß. 9 d»r Geschäftsordnung beehre
ich mich, die Herren Vorstands-Mitglieder des Central-Dombau-Ver-
rins zu der auf Montag den 30. Drtober o., 9!achmittags 3 llhr,
im hiestgen großen Rathhaussaale anberaumten ordentlichen Vorstands-
Versammlung ganz «rgebenst einzuladen.

Kiln, 19. Oct. 1843. Der Präsidenk des Vorstandes,

Rolshausen.

Lleber -en Plan ;um kölner wom.

»ls zusätzlicheS Wort zu der von Herrn Ernst Weyden in
der vorigen Nummer des „Domblattes" darüber aufge-
^ stellten Meinung.

Die Bewunderung unseres Domes war bi'sher unzertrennlich von
der Verehrung des unbekannten Meisters. Wir standen vor dieser
Schöpfung seineS Geistes wie vor einem Werke der ewigen Natur, voll
Freude über die Erscheinung und voll Dank und Ehcfurcht gcgen den
Urheber. Jn dieser Rothwendigkeit und Schönheit, dieser Kraft und
Anmuth, dieser Treue und Freiheit fanden wir überall dle Offenbarung
«ines Gedankens, wie ihn nur die Seele deS für immer unerreichten
Meisters fassen und auS gigantischen Verhältnissen zu entzückender
Herrlichkeit gestalten konnte. Wer ist der hohe Fremdling in dieserHülle,
so lauten schon die Worte Georg Forster's, daß er so in man-
nigfaltigen Formen sich offenbaren, diese redenden Denkmäler von sei-
ner Arr, die äußeren Gegenstände zu ergreifen und sich anzueignen,
hinterlassen kann? Wir fühlen, Jahrhunderte später, dem Künstler nach
und ahnen die Bilder seiner Phantasie, indem wir diesen Bau durch-
wandern. Boisseröe unternahm Im Jahre 1808 seine Messungen
und Zeichnunqen, „um wenigstens einen augenscheinlichen Begriff von
dem ganzen Werke in seiner ursprünglich entworfenen Vollständigkeit
zu geben." „War doch", sagt er, „das Gebäude in allen seinen we-
sentlichen Theilen nach Einem und demselben Plane angelegt, und be-
saß man noch eine Abbildung des ersten Entwurfs der Hauptlhürme,
so daß ich hoffcn durfte, aus dem Bestehenden und Beabsichligten ein
Eanzes von der vollkommsnsten Einheit herstellen zu können, wie es
auS dem Geiste des MeisterS hervorgegangen." Und kein anderer Mei-
Iker, als eben dieser, war es wieder, von dem GörreS noch im Jahre
1814 Zeugniß gab, als er das mahnende Wort sprach : Ein ewiger
Borwurf steht der Bau vvr unsern Augen, und der Künsiler zürnt
aus ihm hervor, daß so viele Menschenalrer nicht zur Wirklichkeit ge-
bracht, was er allein, ein schwacher sterblicher Mann, in seineS Geistes
Gedanken getragen hat.

Herr Weyden stellt nun bei Besprechung der burckhardt'schen Schrift
über Eonrad von Hochstaden (in der vorigen Nummer des „Domblat-
tes") cine Meinung auf, die, wenn sie sich als richtig erwiese, den
ganzen blsherigen Glauben an die GeisteSgröße und Schöpferkrast des
unbekannten Meisters außerordentlich herabstimmen müßte. Nach sei-
ner Meinung waren

neben einem Grundplan mit Angabe der Hauptverhältnisse,
in Bezug auf Länge, Höhe und Breite, ganz ausgeführte Werk-
pläne mit genauen Detailszeichnungen nie vorhanden. Der Plan,
«onach zuerst der Unterbau des Chores zur Ausführung kam,
— und also in so weil wohl der erste Werkplan? — war der
Art, daß er schon 1298—1303 — d. i. in den nächsten fünfzig
Jahren nach der Grundsteinlegung im Zahre 1248 — nicht
mehrgenügen konntc. Der germanische Baustyl hatle sich
gerade in der Hälfte deS 13. Jahrhunderts außerordentlich aus-
gebildek und vervollkommnet, er war reicher, kühner und schlan-
ker in allen Verhältnisseu geworden. Somit wucden auch die
Aufrisse unseres Chorbaues reicher und kühner umgestaltet,
wie wir denn auch daS Werk über der ersten Galerie ausgeführt
sehen. Der Süd-Thurm- und der Haupt-Portalbau
wurden jedenfalls, wie wir sie angelegt und theilweise ausgeführt
sehen, erst im 14. oder ganz am Cnde deS 13. Jahrhunderts en t-
worfen, sind in ihrem ganzen Charakter kein Werk auS
der Mitte deS dreizehnten. Das erste Schönheitsprincip des ger-
manischen Baustyls: alle Maffen für das Auge zu unterbrechen,
zu verdecken, ist hier in seiner höchsten Vollendung vom Grund-
baue an durchgeführt, während am Chore der massivc Unterbau
einen störenden Eindruck macht. AlS man den Plan zum
No rd-Thurm entwarf und auszuführen anfing, war die germa-
nische Baukunst schon am Sinken, wie wir auch an der Nord-
seite schon geschwungene Bogen und Linien sehen, sich schneidende
Släbe und Kröpfungen, welche den Verfall deS SpihbogenstylS
im 15. Jahrhundert charakterisiren. Die einzelnen Meister, die
im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts an dem großen Werke
bauten, führten die ihnen übertragenen Bautheile immer in den
Stylformen aus, wie sie ihrer Zeit gäng und gebe waren. Jeder
Meister schuf hier, da die Grundidee und die Hauptverhältniffe
gegeben waren, von denen, ohne die Harmonie des Werkes als
ein Ganzes zu stören, nicht abgewichen werden konnte, nach sei-

nem besten Wissen und den Regeln der Kunst, wie
seine Zeit eS wollte. Sicher, so schließt Herr Weyden, hät-
ten wir ein in seinen einzelnen Theilen anderes Werh,
wäre der Dom von 1250 bis 1350 vollendet worden!

Die praktischen Resultate dieser Meinung des Herrn Weyden lie-
gen klar zu Tage. Die heilige Gestalt des großen Dombaumeisters,
wie unsere Derehruna sie sich schuf, muß von dem Throne ihrer Ehre
auf den Boden der Gewöhnlichkeit herabsteigen, und das wundervolle
Werk deS Genius wandelt flch zur bloßen Erscheinung allgemeiner
Zeitbestrebungen. Wir glaubten an einen Meister, dec diesen Dom
von Grund aus bis zu den Wipfeln schön und vollendet in den Tie-
fen seiner reichen Seele schaute, und der, was er schaute, mil gottge-
weihter Hand zu staunender Freude seiner Zeik und der kommenden
Geschlechker im Bilde fesselte. Er war es, und er allein, dessen Geist
den Riesenbau gründete, der ihn ordnete und gliederte, dcr ihm Seele
und Bildung gab, und die Unermeßlichkeil seiner Theile zum reinen
Einklang stimmte. Wo blcibt dieser Meistcr? Sein ganzes Verdienst
ist mit dem Worte: Grundplan mit Angabe der Hauptverhältniffe,
oder, wenn das tröstlicher klingt, mit dem Worte: Grundidee, aus-
gesprochen. Der Plan zum Unterbau des Chores, sofern anderS
der Schöpfer der Grundidee sich den zweideutiqen Ruhm beilegt, in
diesem Unterbau einen störenden Eindruck verewigt zu haben, wird von
der forlschreitenden Kunstbildung schon der nächsten fünfzig Jahre über-
holt. Die Grundidee selbst, wovon gesagt wird, daß, ohne die Harmo-
nie des Werkes als ein Ganzes zu stören, nicht von ihr abgewichen
werden konnte, läßt dieser Harmonie unbeschadet schon geschehen,
daß der ungenügende Plan des Unterbaues sehr bald aufgegeben wird
und daß man, sich dem unterdeß außerordentlich ausgebildeten, ver-
vollkommneten und in allen Verhältnissen reicher, schlanker und küh-
ner gewordenen Baustyl der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts freu-
dig zuwendend, die Aufrisse des Chorbaues über der ersten Galerie
umgestaltet und in dieser Umgestaltung auf dem Unterbau fortbaut.
Mit dem Thurm- und Portalbau, der völligen Durchführung des er-
sten Schönheiksprincip« des germanischen Baustyls, der Unterbrechung
und Verdeckung aller Massen vom Grundbaue an, mit dem Sy-
stem in seiner reinsten Vollendung, mit dem Werke, das in seinem
ganzen Charakter nicht aus der Mitte des 13. Jahrhunderts ist, daS
erst ganz am End« dieses oder sogar erst des folgenden 14. Jahrhun-
derks entworfen ward, — hiermit steht der Meister deS GrundplaneS
vollends in einem so äußerst dürftigen Zusammenhange, daß selbst die
größte Vvrliebe ihn bei dem eigentlichen Ruhme dieses Bauwerks schwer-
lich noch bedenken wird. Kurz, dasjenige, was wir als ein nach dem ^
Plane des ersten Meisters ausgesührtes Werk allenfalls noch betrachten
dürfen, der Unterbau deS Chores, das stört, und was erfreut, daS ist
nach ihm und von Andern. Der Kranz ist seinem Haupte genommen,
und uns zerfließt ein lebenvolles Bild in unerquickliche Täuschung.
Dvch das ist weni'ger. Aber das Werk selbst seufzt unter dem Geschickc
des vermeintlichen Meisters. Es hat in seincr Totalität aufgehört, der
Canon vaterländifcher Baukunst, der Bau ohne Gleichen zu sein; es
unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht mehr von andern Bauwerken,
die nach frühern und spätern Planen glücklich zusammen gesetzt sind;
es ist von der Höhe seiner Einheit und harmonischen Selbstständig-
keit zu dem gemeinen Schicksal großer Bauten herabgesunken; daS
Siegel einer einigen göttlichen Ersindung, das allen Theilen aufge-
drückt war, ist gebrochen, und wo wir Außerordentliches verehrten, hat
unsere Befangenheit nur die allmähliche Entwickelung aus gegebenen
Culturstufen übersehen!

Jndem Herr Weyden eine von dem bisherigen Glauben so sehr ab-
weichende Meinung über den Plan und Meister aufstellt, kämpft er
für das, was nach seincr Ueberzeugung Wahrheit ist, und solche Kämpfe
sind selten ohne Anregung und Förderung. Jch bin mir bewußt, nur
in einem solchen Kampfe dem Herrn Weyden entgegen zu treten,
und ich thue es, weil mir die Erhebung für den angegriffenen alten
Glauben eine Pflicht aller scheink, die diesem Glauben treu bleiben,
und weil ich die Ueberzeugung nähr«, daß dieser Glaube !n sich selbst
stark genuq ist, um auch von schwächern Kräften mit Erfolg verthei-
digt zu werden.

Herr Weyden schöpft die Gründe seiner Meinung aus den Quellen
der Geschichte des germanischen Baustyls am Rhein und aus der An-
schauung des Bauwerks selbst. „Vor der Mitte des 13. JahrhundertS
— und somit auch zu der Zeit, worin Erzbischof Conrad den Grund-
stein zum Dome legte, — hatte sich", sagk Hr. Weyden, „der germa-
nische Styl bei uns noch nicht in dieser Vollkommenheit ausgebildet,
die wir eben an den vollendeten Theilen unseres Domes bewundern. Keine
frühern Werke in diesem Style zeigen uns den Bildungsgang dessel-
ben in seiner allmählichen Entwickelung in unserer Gegentz, was —
den Entwurf des Domes zu jenen vollendeten Theilen schon um daS
Jahr 1248 vorausgesctzt — nothwendig der Fall sein müßte. Zst eS
wohl denkbar, daß mit dem ersten Bauwerk, das im rein germanische»
Styl ausgeführt wurde, auch zugleich das vollkommenste und reichste
geschaffen wurde?" .... Wo aber ist die logische Berechtigung zu
dem Schlusse, daß die bewunderten Bildungey um deßwillen nicht
schon 1248 concipirt sind, weil um diese Zeit Bildungen gleichen
Grades nirgend sonst am Rheine anzutreffen waren? wo würde diese
Berechtigung sein, selbst wenn man die Prämisse für einen weit grö-
 
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