von Valencla und Sevllla, wo gerade in diescm Puncte in Spanien am
meisten geleistet wird: wir meinen in der Airchenmufik. Wir hallen diesen
Gegenstanv aber schen deßhalb einer umfaffenderen Prüfung werth, alS
hier geichehcn kann, weil mir gerade bci unS in Deutschiand in dicser
Beziehung in ein neueS Stadium getreicn. daS offenbar nur daS Sta-
dium der Entwicklung oder deS UebergangeS gmannt wecden muß, und
von dem wir nur wünschen können, daß Sochverständige auch anderweitige
Untersuchungen in anderen Ländern anstelllen, alS eben in Jtalien. wo
fich, mit AuSnahme der päpstlichen Capeve, nur wenig Erbauliwes findet.
Wir wünschten jene Untersuchungen in Spanien, namcntlich in den Kalhe-
dralen von Valencia und Sevilla, um so mehr, alS nach den Angaben ge-
wiffer Schriftstellec gerade auS Spanien der ernfte und strenge Kirchenstyl
gegen Anfang dcS 16. JahrhundertS nach Rom herübergekominen. So er-
zählt Havemann in seinen Darstellungen auS der inneren Geschichte SpanienS
im 15., 16. und 17. Jahrhundsrt: Von dem künstlerischen Reichthume spa-
nischer Archilektur zeugen zahlreiche Kaihedralen, die im 16. Jahrhundert
aufstiegen. Bei jeder derselben war eine große Musikschule gegründet; aus
ihnen enisproß die erhabene und in der Einfachheit gewallige Kirchenmusik.
Darin wurde keine Stadt von Dalencia übertroffen. Eogar der kunsterfahrene
Leo X. berief zum Vorsteher seiner Capelle im Datican einen Spanier. ES
war Zuan de la Encina, der zarte Jdyllendichter, „dessen Leiche im Jahre
1534 in Salamanca beigesetzt wurde. Dag Salve Regina und die Passion,
welche ComeS, Cavtllmeister am Hose Philipp'S II., schuf, durchzittert noch
jetzt die Herzen der Beter in den spanischen Domen".
Wir wiffen nun freilich, daß hier und da die Behauptung aufgestcllt
worden, jene streng-kirchliche Musik sei ursprünglich auS den Niederlanden
herübergekommen, waS wir aber stark bezweifeln, dem wic sogar, wenn hier
nicht bestimmte Beweise beigebracht werden. entschieden widsrspcechen. Aller-
dingS ist es wahr, daß im 15. und 16. Jahrhundert eine sehr lebhafte Ver-
bindung Statt sand zwischen den Niederlanden und Spanien und daß von
dorther Manches herüberkam. Wic haben sogar manchen Künstler namhaft
gemacht, der alS Architekt, Maler und Bildhauer in Spanien fich einen
Namen erwarb. Daß dieseS auch in den sonstigen Künsten der Fall war,
ist uns nicht bekannt geworden, wohl aber wiffen wir, doß die Musik
in Spanien schon in dem 11. und 12. Jahrhundect blühte, daß Gesang und
Dichlkunst der Provenyalsn im 13. und 14. Jahrhundert an den Höfen von
Aragonien und Barcelona einen hohen Ausswwung genommen und daß der
Spanier hierin von dem Niederländer nichiS zu erlernen brauchte, weil er
weil voraus war. Auch sagten die niederländischen Silten, die doch auch mit der
SangeSweise so nahe zusammenhangen, dem Spanier nicht zu. Er war zu ernst
dafür, und wir wiffen, was Phitipp dec Schöne in der Beziehung in dem
GeburtSlande seiner Gemahlin auSzuhalten hatte.
Auf jeden Fall hat fich jene ernste Kirchenmufik in Spanien an einzel-
nen Kathedralen, namentlich in Valencia und Sevilla, wo fich in der Bi-
bliothek der dortigen Kathedrale noch ein wahrer Schotz von aller Kirchen-
musik befinden soill, am längsten erhalten, wonach man grwiß in den Nle-
derlanden gegenwärtig vergeblich suchen würve. Die ernste Psalmodie wäh-
rend der herligen Woche in Sevilla erinnerte mich ganz an den klangvollen
und ernsten GebetSruf deS Muezzin im Morgenlande, und da im Morgen-
lande AlleS stetig ist, VieleS noch heute wie eS vor 6000 Zahren war, so halle
sich auch der Seoillaner nicht zu schämen, wenn er daS nachmachte, waS viel-
leicht in den Tagen David's und Salomo'g schon vorhanden war. Jm Gan-
zen und Großen würde allerdings jene Weise bei unS nicht mehr so ganz
praklisch sein, wie mon dieg auch fchon in Sevilla gefühlt. Denn eS wücds
stch ein solcheS Ofstcium die ganze Nacht oder den ganzen Tag hindurch-
ziehen. Aver eS klingt anS Herz.
Jch habe schon bei B-ffchreibung deS DomeS von Sevilla bemerkt, daß
fich die Spanier in ihrer Architektur nicht ganz der arabischen und mauri-
schen Anschauung enläußsrn konnlen. Sie konnten dicS noch weniger in der
Musik. Es ist ader merkwürdig, daß die Araber im Mitteialter, wie in vielen
anderen Dingen, auch cinen bcsonseren Ruf in ihren muficalischen Kennt-
nissen hatten, und wir wissen namentlich von dem berühmten Gerbert, dem
nachmaligen Papste Sylvestec II., daß er die Musik bei den Arabern in
Spanien studirt. Denn die Mufik im Mittelalter war nicht etwa bloß cine
Kunst, sondern auch eine wissenschofiliche Disciplin, in welcher nach modernen
Begriffen der msxistsr »rtium sein StaatS-Examen zu machen hatte. Von
welcher Art aber die muficalischen Studien in den Tagen Gerbsrl'S und der
Omajaden in Spanien waren, daS können wir vor AUem auS einem Werke
deS Philosophen Al Farabi entnehmen, das über die Elemente der Musik
handell und daS, wcnn man elwa von dem Forlschritt der Jnstrumentirung
Abstand nehmen will, in Bezug aufWiffenschasllichkeit der Behandlung keinem
deS 19. JahrhundertS nachstehen möchte. Dieseg Werk b.stand aus drei Thei-
len. Der erste handelte über die Principien dieser Kunst, der zweite über
Compofition für Vocal- und Znstrumentalmusik, der drilte übec die verschie-
denen Arten der Tonstücke und Compofition, mit Beifügüng musicalischer
dioten und mit mehr alS 30 Abbildungen verschiedencr Jnstrumente. Dec
harmonische Psalmengesang in Dalencia, von dem ich leider nur ein kleineS
Elückchen hörte, erinnerte mich vietfach an jenen zu Aachen. Eine Verbin-
Lung zwischen Aachen und Valencia ist nichl unmöglich. Jch habe deiselben
schon bci einer anderen Gelegenheit erwähnt. ES ist aber auch eben so denk-
bar, daß man hier wie dort aus einer und derselben Ouelle geschöpft und
daß eine Versolgung derselben zu höcbst intereffonlen Resullalen führen
würde. Aber ich muß gestchen, daß ich bioß Düellant in dieser Sache bin,
und daß eine sorgfältige Prüsung di.str für ung gcrade jetzt ducch Bestim-
mungen deS lctzten kölner Provincial-ConcilS so wichtig geworoenen Ange-
legenheit vielleicht zu überraschendcn Resullaten sühren könnte. Jch muß aber
dabei bemerken, kaß eS in Spanien nicht gerade lcicht, stets den iieferen
Kern auS dcr Eache herauSzuwinden, und dah ber Spanier, ungeachtet seincr
eigenthümlichcn Zähigkeit und seineS K.sthalters an dcm Alihergebrachten, cs
doch gar nicht lassen kann, demselben einen specifisch spanischen Chsrakler ein-
zudrücken.
Die Kathedrale zu Cordova.
ES ist unmöglich, von der Kathedrale zu Cordova zu reden, ohne zu
gleicher Zert jencr großen Moschce zu gedenken, in welche fie hineingebaut
und mit der fle wieberum ein großes, bewunderungSwürdigeS Ganzeg bildet,
dag im Acußern von dem hohcn Schiffe einer im spärgothischen und platereSken
Slyle eibaulen christlichen Kirche überragt wird, in seinem Znnern aber auf
daS innigste miteinander verbunden lst. Wir werden Laher zunächst von der
größeren Moschee reden müssen, auS welcher die Kalhedraie ihrer Hauptsub-
stanz nach besteht. Wir müffen aber bemerken, daß diese, welche von den
älteren Schriftstellern mit so großen Reizen geschildert wird, doch im Verlause
der Zeiten wesentliche Veränderungen erlitten hat, die nicht gerade Verschö-
nerungen gcnannt werden können.
Die große Moschee in Cordova gehört wohl mit Recht mit zu den interes-
santesten Bauwecken der Erde, und war zur Zeit nächst Mckka und Jeru-
salem, alg die Sraet noch in ihrer Gewalt, daS dritte Heiliglhum ber Mos-
lemin, ES ist aber nicht zu sagen, was man fich damals in den ruhmvollen
Tagen der Omajaden, weiche Cordova zum Sitze ihreS Kalifates machten,
von der Herrlichkeit, Größe und Pracdt jener Stavt erzählte. Sie dehnte fich in
einer Breiie von elwa l^ deutscher Meils und 5 deutschen Meilen, also unge-
sähr an 10 Stunden Länge, den reizenden llfern des Guadalquivirenllang, hane
1200 Dörfer als Faubourgg und zählte mehr alS 200,000 Häuser. daruntcr
40,000 Paläste, 1600 Moscheen mit 4300 Thürmcn oder Minareten, 80 öf-
fentliche Schulen und 900 öffentliche Bäder. Mag an diesen Angaben ouch
viel morgenländische Uebertreibung kein, wir haben darin einen kleinen Be-
griff von dem, waS man sich von Ninive, Babylon und Bagdad erzählt.
Von all jener Herrlichkeit ist außer der großen Moschee und den Ruinen beS
AlcazarS nichtS übrig geblieben, waS der Rede werlh. Die MoSlemin selbst
haben in ihren Bürgerkriegen daS Meiste dazu beigetragen, jene Bauwerke,
die man fich aber keineSwegeS von römischer Solioität denken muß, zu zer-
stören. Selbst der prächtige, einer kleinen Stadt gleiche und mit allcm Zauber
eincs arabischen MäcchenS auS Tausend und Einer Nacht auSgestaltele Palast
Abderrhaman Annassir'S, deS glücklichsten der Omajaden, ES Sähro, ist
von der Erde verschwunden, und man kann nicht einmal genau sagcn, wo
er gestanden hat. DaS prächtige Matecial wurde wahrscheinlich zu anderen
Bauten verwendet oder verscklcppt. Die große Moschee wurde erbaut unter
Abderrhaman 1. im Zahre 786, der am zweilen Juli dieseS JahreS den Grund-
stein dazu legle, und durch seinen Sohn Hixem im Jahre 793 in ihren Haupt-
iheilen vollendet. Einige SchriststeUer behaupken, daß sie nach dem Muster
der Moschee von DamaSkuS, die einen griechischen Baumeister hatte, gebaut
und bei den Arabern Ceca, Zeca, nach dem altägyptifchen Wocie EekoS, das
will sogen: HauS der Reinigung, geheißen, wre Moschee HauS der Nieder-
werfung bedculet, worauf sich bei dem Moslemin nebst Voclesung eineS
StückeS aus dem Koran (oder der GlaubenSnorm) fast der ganze CulluS
beschränkt.
Der Grundplan dcr großen Moschee von Cordova bildet ein länglicheS
Viereck. ES gcht unS aber hier, wcnn wir von dcffen Größe sprechen sollen,
sollen, kaum beffer, wie es uns mil ben Angaben der Maße deg Domes von
Seoilla ergangen ist. Caveda sagt, daS Parallelogramm habe 620 Fuß Länge,
441 Breite, der Engländer Mur.ay in seinem, wenn man daS Conseifionelle
abrcchnct, sonst umsicktig gearbeitetenHandbuche für Reisende in Spanicn zählt
334 Fuß in der Richtung von Osten nach Westen und 356 Fuß von Norden
nach Süden. Eine anoere Angade sagt: Die Moschee ist im Ganzen 512 Fuß
lang und 423 Fuß breit, wenn man dcn reizenden Vorhof mit hinzurechnet,
in dem die MoSlemin ihre Waschungen vornehmen können. Sckäfer, in seiner
Gesckichte von Spanicn, rcchnet nach Ellcn, wie dies ouch beim Solomonischen
Tempel geschah. und sagt: DaS Ganze bildet ein länglicheS Viereck und maß
nach der Vecgrößerung unler Almansur 330 Ellen von der Kibla biS zum
Jauf in der Länge, und 185 EUen von Ostcn nach Westen in dec Breite.
Da haben wir also wiederum die herrlichsten Wioersprüche, die fich selbst unter
der VorauSsctzung der verschiedenen Maße nicht lösen!
Die Moschee hat, wie alle orientalischen Bauweike, nur eine sehc mäßige
Höhe. Murroy zählt in Len inneren Gängen nur 35 Fuß. und ich glaube,
daß ihre HLchste Höhe in den Kuppeln, wobucch ihr dag Licht zugeführt wird,
nicht an 100 Fuß kommt. Die Moschee selbst bestchl fast nur auS Hallen,
die an der eincn Eeite in der Rickiung nach Mekka hin cine kleine, aber
pcächtig verzierte Kibla, in ihrcm Kern eine noch kostbarere Makssura oder
GebetScapelle für den Emir al Mumenin, in ihrer Längenseitc 29 uno in
ihrer Breile 19, gegenwärtig vermauerte, Zugänge haben, in welche man an
der Westseite durch einen schönen, mit Springbcunnen und Orangen ge«
sckmücklen Vorhof trilt. Wer je eincn MoSlemin in seiner Andacht gesehen,
wie er, einer nach dem andecen, in gerader Linie auf den Knieen und mit
fortu ährender Kopfverbeugung vorwärlg rückt nach dcr Kibla hin, muß ge-
stthen, Laß die ganze Baueinrichtung der Ceca für jene Zwecke entsprechend
war. Jn dem schönen Vorhofe frische BasfinS und rieselnde Wasser, im Zn-
nern durch die Eäulenstellungen die Bahn vorgezeichnet. Es ist ein ganzer
Eäulenwald, der fich hier erhebt und wo man. auf welchem Puncte man
stehen mag, immec eine gerade Bahn vor sich hat, vor fich und hinter sich,
rechlS und links, selbst in der Diagonale. Man muß gestehen, dag gibt eine
reizende Durchficht und eine Perspective von seltsamec Poefie, wie fie nur
dem Morgenlänber eigenthümlich. Jn Europa steht die Ceca sonser Gleichen
da. Man denke sich aber die Säulen in der Ceca, deren Murray 850 zählt,
nicht etwa von der Größe, wie man fie in S. Maria degli Angeli in Rom
erblickt. ES find Säulen von gewöhnlicher Größe, etwa 12—14 Kuß Höhe,
die fich ohne BafiS wie Zeltstöcke auS der Erde erheben und auf ihrem La-
pitäl, dem ein ziemlich starkec Kämpfer aufgesetzt, einen maurischen Bogen
tragen, der einen kurzcn, mit Panelen und AkanlhuSblällern gekrönten Pfeiler
zur Widerlage hat, auf dem fich dann ein zweiler Bogcn erhebt, der die
Decke trägt. Dadurch cnlsteht ein eigenthümbcheS, phanlastischeS Spiel, daS
aber in jencr Bauwetse seine tiefe Beceulung hat, nämlich es wird dadurch
allein möglich, dem Gebäude eine gewiffe Höhe zu geben. DaS Licht kommt
gegenwärlig durch verschiedcne Kuppeln hinein, die aber giößlentheils das
Werk einer jpäteren Zeit find. EhematS war die Ceca mit 6000 siibernen
Lampen erlrucklet und mit köstlichem Rauchwerk durchdustet. Don jenen
Säuten aber kamcn 115 von Nismes und Lcm narbonncnstscken Gallien, 60
von Sevilla u»d Tarrogona, 140 schenkte der Kaiser Lco von Konstantinopel,
meisten geleistet wird: wir meinen in der Airchenmufik. Wir hallen diesen
Gegenstanv aber schen deßhalb einer umfaffenderen Prüfung werth, alS
hier geichehcn kann, weil mir gerade bci unS in Deutschiand in dicser
Beziehung in ein neueS Stadium getreicn. daS offenbar nur daS Sta-
dium der Entwicklung oder deS UebergangeS gmannt wecden muß, und
von dem wir nur wünschen können, daß Sochverständige auch anderweitige
Untersuchungen in anderen Ländern anstelllen, alS eben in Jtalien. wo
fich, mit AuSnahme der päpstlichen Capeve, nur wenig Erbauliwes findet.
Wir wünschten jene Untersuchungen in Spanien, namcntlich in den Kalhe-
dralen von Valencia und Sevilla, um so mehr, alS nach den Angaben ge-
wiffer Schriftstellec gerade auS Spanien der ernfte und strenge Kirchenstyl
gegen Anfang dcS 16. JahrhundertS nach Rom herübergekominen. So er-
zählt Havemann in seinen Darstellungen auS der inneren Geschichte SpanienS
im 15., 16. und 17. Jahrhundsrt: Von dem künstlerischen Reichthume spa-
nischer Archilektur zeugen zahlreiche Kaihedralen, die im 16. Jahrhundert
aufstiegen. Bei jeder derselben war eine große Musikschule gegründet; aus
ihnen enisproß die erhabene und in der Einfachheit gewallige Kirchenmusik.
Darin wurde keine Stadt von Dalencia übertroffen. Eogar der kunsterfahrene
Leo X. berief zum Vorsteher seiner Capelle im Datican einen Spanier. ES
war Zuan de la Encina, der zarte Jdyllendichter, „dessen Leiche im Jahre
1534 in Salamanca beigesetzt wurde. Dag Salve Regina und die Passion,
welche ComeS, Cavtllmeister am Hose Philipp'S II., schuf, durchzittert noch
jetzt die Herzen der Beter in den spanischen Domen".
Wir wiffen nun freilich, daß hier und da die Behauptung aufgestcllt
worden, jene streng-kirchliche Musik sei ursprünglich auS den Niederlanden
herübergekommen, waS wir aber stark bezweifeln, dem wic sogar, wenn hier
nicht bestimmte Beweise beigebracht werden. entschieden widsrspcechen. Aller-
dingS ist es wahr, daß im 15. und 16. Jahrhundert eine sehr lebhafte Ver-
bindung Statt sand zwischen den Niederlanden und Spanien und daß von
dorther Manches herüberkam. Wic haben sogar manchen Künstler namhaft
gemacht, der alS Architekt, Maler und Bildhauer in Spanien fich einen
Namen erwarb. Daß dieseS auch in den sonstigen Künsten der Fall war,
ist uns nicht bekannt geworden, wohl aber wiffen wir, doß die Musik
in Spanien schon in dem 11. und 12. Jahrhundect blühte, daß Gesang und
Dichlkunst der Provenyalsn im 13. und 14. Jahrhundert an den Höfen von
Aragonien und Barcelona einen hohen Ausswwung genommen und daß der
Spanier hierin von dem Niederländer nichiS zu erlernen brauchte, weil er
weil voraus war. Auch sagten die niederländischen Silten, die doch auch mit der
SangeSweise so nahe zusammenhangen, dem Spanier nicht zu. Er war zu ernst
dafür, und wir wiffen, was Phitipp dec Schöne in der Beziehung in dem
GeburtSlande seiner Gemahlin auSzuhalten hatte.
Auf jeden Fall hat fich jene ernste Kirchenmufik in Spanien an einzel-
nen Kathedralen, namentlich in Valencia und Sevilla, wo fich in der Bi-
bliothek der dortigen Kathedrale noch ein wahrer Schotz von aller Kirchen-
musik befinden soill, am längsten erhalten, wonach man grwiß in den Nle-
derlanden gegenwärtig vergeblich suchen würve. Die ernste Psalmodie wäh-
rend der herligen Woche in Sevilla erinnerte mich ganz an den klangvollen
und ernsten GebetSruf deS Muezzin im Morgenlande, und da im Morgen-
lande AlleS stetig ist, VieleS noch heute wie eS vor 6000 Zahren war, so halle
sich auch der Seoillaner nicht zu schämen, wenn er daS nachmachte, waS viel-
leicht in den Tagen David's und Salomo'g schon vorhanden war. Jm Gan-
zen und Großen würde allerdings jene Weise bei unS nicht mehr so ganz
praklisch sein, wie mon dieg auch fchon in Sevilla gefühlt. Denn eS wücds
stch ein solcheS Ofstcium die ganze Nacht oder den ganzen Tag hindurch-
ziehen. Aver eS klingt anS Herz.
Jch habe schon bei B-ffchreibung deS DomeS von Sevilla bemerkt, daß
fich die Spanier in ihrer Architektur nicht ganz der arabischen und mauri-
schen Anschauung enläußsrn konnlen. Sie konnten dicS noch weniger in der
Musik. Es ist ader merkwürdig, daß die Araber im Mitteialter, wie in vielen
anderen Dingen, auch cinen bcsonseren Ruf in ihren muficalischen Kennt-
nissen hatten, und wir wissen namentlich von dem berühmten Gerbert, dem
nachmaligen Papste Sylvestec II., daß er die Musik bei den Arabern in
Spanien studirt. Denn die Mufik im Mittelalter war nicht etwa bloß cine
Kunst, sondern auch eine wissenschofiliche Disciplin, in welcher nach modernen
Begriffen der msxistsr »rtium sein StaatS-Examen zu machen hatte. Von
welcher Art aber die muficalischen Studien in den Tagen Gerbsrl'S und der
Omajaden in Spanien waren, daS können wir vor AUem auS einem Werke
deS Philosophen Al Farabi entnehmen, das über die Elemente der Musik
handell und daS, wcnn man elwa von dem Forlschritt der Jnstrumentirung
Abstand nehmen will, in Bezug aufWiffenschasllichkeit der Behandlung keinem
deS 19. JahrhundertS nachstehen möchte. Dieseg Werk b.stand aus drei Thei-
len. Der erste handelte über die Principien dieser Kunst, der zweite über
Compofition für Vocal- und Znstrumentalmusik, der drilte übec die verschie-
denen Arten der Tonstücke und Compofition, mit Beifügüng musicalischer
dioten und mit mehr alS 30 Abbildungen verschiedencr Jnstrumente. Dec
harmonische Psalmengesang in Dalencia, von dem ich leider nur ein kleineS
Elückchen hörte, erinnerte mich vietfach an jenen zu Aachen. Eine Verbin-
Lung zwischen Aachen und Valencia ist nichl unmöglich. Jch habe deiselben
schon bci einer anderen Gelegenheit erwähnt. ES ist aber auch eben so denk-
bar, daß man hier wie dort aus einer und derselben Ouelle geschöpft und
daß eine Versolgung derselben zu höcbst intereffonlen Resullalen führen
würde. Aber ich muß gestchen, daß ich bioß Düellant in dieser Sache bin,
und daß eine sorgfältige Prüsung di.str für ung gcrade jetzt ducch Bestim-
mungen deS lctzten kölner Provincial-ConcilS so wichtig geworoenen Ange-
legenheit vielleicht zu überraschendcn Resullaten sühren könnte. Jch muß aber
dabei bemerken, kaß eS in Spanien nicht gerade lcicht, stets den iieferen
Kern auS dcr Eache herauSzuwinden, und dah ber Spanier, ungeachtet seincr
eigenthümlichcn Zähigkeit und seineS K.sthalters an dcm Alihergebrachten, cs
doch gar nicht lassen kann, demselben einen specifisch spanischen Chsrakler ein-
zudrücken.
Die Kathedrale zu Cordova.
ES ist unmöglich, von der Kathedrale zu Cordova zu reden, ohne zu
gleicher Zert jencr großen Moschce zu gedenken, in welche fie hineingebaut
und mit der fle wieberum ein großes, bewunderungSwürdigeS Ganzeg bildet,
dag im Acußern von dem hohcn Schiffe einer im spärgothischen und platereSken
Slyle eibaulen christlichen Kirche überragt wird, in seinem Znnern aber auf
daS innigste miteinander verbunden lst. Wir werden Laher zunächst von der
größeren Moschee reden müssen, auS welcher die Kalhedraie ihrer Hauptsub-
stanz nach besteht. Wir müffen aber bemerken, daß diese, welche von den
älteren Schriftstellern mit so großen Reizen geschildert wird, doch im Verlause
der Zeiten wesentliche Veränderungen erlitten hat, die nicht gerade Verschö-
nerungen gcnannt werden können.
Die große Moschee in Cordova gehört wohl mit Recht mit zu den interes-
santesten Bauwecken der Erde, und war zur Zeit nächst Mckka und Jeru-
salem, alg die Sraet noch in ihrer Gewalt, daS dritte Heiliglhum ber Mos-
lemin, ES ist aber nicht zu sagen, was man fich damals in den ruhmvollen
Tagen der Omajaden, weiche Cordova zum Sitze ihreS Kalifates machten,
von der Herrlichkeit, Größe und Pracdt jener Stavt erzählte. Sie dehnte fich in
einer Breiie von elwa l^ deutscher Meils und 5 deutschen Meilen, also unge-
sähr an 10 Stunden Länge, den reizenden llfern des Guadalquivirenllang, hane
1200 Dörfer als Faubourgg und zählte mehr alS 200,000 Häuser. daruntcr
40,000 Paläste, 1600 Moscheen mit 4300 Thürmcn oder Minareten, 80 öf-
fentliche Schulen und 900 öffentliche Bäder. Mag an diesen Angaben ouch
viel morgenländische Uebertreibung kein, wir haben darin einen kleinen Be-
griff von dem, waS man sich von Ninive, Babylon und Bagdad erzählt.
Von all jener Herrlichkeit ist außer der großen Moschee und den Ruinen beS
AlcazarS nichtS übrig geblieben, waS der Rede werlh. Die MoSlemin selbst
haben in ihren Bürgerkriegen daS Meiste dazu beigetragen, jene Bauwerke,
die man fich aber keineSwegeS von römischer Solioität denken muß, zu zer-
stören. Selbst der prächtige, einer kleinen Stadt gleiche und mit allcm Zauber
eincs arabischen MäcchenS auS Tausend und Einer Nacht auSgestaltele Palast
Abderrhaman Annassir'S, deS glücklichsten der Omajaden, ES Sähro, ist
von der Erde verschwunden, und man kann nicht einmal genau sagcn, wo
er gestanden hat. DaS prächtige Matecial wurde wahrscheinlich zu anderen
Bauten verwendet oder verscklcppt. Die große Moschee wurde erbaut unter
Abderrhaman 1. im Zahre 786, der am zweilen Juli dieseS JahreS den Grund-
stein dazu legle, und durch seinen Sohn Hixem im Jahre 793 in ihren Haupt-
iheilen vollendet. Einige SchriststeUer behaupken, daß sie nach dem Muster
der Moschee von DamaSkuS, die einen griechischen Baumeister hatte, gebaut
und bei den Arabern Ceca, Zeca, nach dem altägyptifchen Wocie EekoS, das
will sogen: HauS der Reinigung, geheißen, wre Moschee HauS der Nieder-
werfung bedculet, worauf sich bei dem Moslemin nebst Voclesung eineS
StückeS aus dem Koran (oder der GlaubenSnorm) fast der ganze CulluS
beschränkt.
Der Grundplan dcr großen Moschee von Cordova bildet ein länglicheS
Viereck. ES gcht unS aber hier, wcnn wir von dcffen Größe sprechen sollen,
sollen, kaum beffer, wie es uns mil ben Angaben der Maße deg Domes von
Seoilla ergangen ist. Caveda sagt, daS Parallelogramm habe 620 Fuß Länge,
441 Breite, der Engländer Mur.ay in seinem, wenn man daS Conseifionelle
abrcchnct, sonst umsicktig gearbeitetenHandbuche für Reisende in Spanicn zählt
334 Fuß in der Richtung von Osten nach Westen und 356 Fuß von Norden
nach Süden. Eine anoere Angade sagt: Die Moschee ist im Ganzen 512 Fuß
lang und 423 Fuß breit, wenn man dcn reizenden Vorhof mit hinzurechnet,
in dem die MoSlemin ihre Waschungen vornehmen können. Sckäfer, in seiner
Gesckichte von Spanicn, rcchnet nach Ellcn, wie dies ouch beim Solomonischen
Tempel geschah. und sagt: DaS Ganze bildet ein länglicheS Viereck und maß
nach der Vecgrößerung unler Almansur 330 Ellen von der Kibla biS zum
Jauf in der Länge, und 185 EUen von Ostcn nach Westen in dec Breite.
Da haben wir also wiederum die herrlichsten Wioersprüche, die fich selbst unter
der VorauSsctzung der verschiedenen Maße nicht lösen!
Die Moschee hat, wie alle orientalischen Bauweike, nur eine sehc mäßige
Höhe. Murroy zählt in Len inneren Gängen nur 35 Fuß. und ich glaube,
daß ihre HLchste Höhe in den Kuppeln, wobucch ihr dag Licht zugeführt wird,
nicht an 100 Fuß kommt. Die Moschee selbst bestchl fast nur auS Hallen,
die an der eincn Eeite in der Rickiung nach Mekka hin cine kleine, aber
pcächtig verzierte Kibla, in ihrcm Kern eine noch kostbarere Makssura oder
GebetScapelle für den Emir al Mumenin, in ihrer Längenseitc 29 uno in
ihrer Breile 19, gegenwärtig vermauerte, Zugänge haben, in welche man an
der Westseite durch einen schönen, mit Springbcunnen und Orangen ge«
sckmücklen Vorhof trilt. Wer je eincn MoSlemin in seiner Andacht gesehen,
wie er, einer nach dem andecen, in gerader Linie auf den Knieen und mit
fortu ährender Kopfverbeugung vorwärlg rückt nach dcr Kibla hin, muß ge-
stthen, Laß die ganze Baueinrichtung der Ceca für jene Zwecke entsprechend
war. Jn dem schönen Vorhofe frische BasfinS und rieselnde Wasser, im Zn-
nern durch die Eäulenstellungen die Bahn vorgezeichnet. Es ist ein ganzer
Eäulenwald, der fich hier erhebt und wo man. auf welchem Puncte man
stehen mag, immec eine gerade Bahn vor sich hat, vor fich und hinter sich,
rechlS und links, selbst in der Diagonale. Man muß gestehen, dag gibt eine
reizende Durchficht und eine Perspective von seltsamec Poefie, wie fie nur
dem Morgenlänber eigenthümlich. Jn Europa steht die Ceca sonser Gleichen
da. Man denke sich aber die Säulen in der Ceca, deren Murray 850 zählt,
nicht etwa von der Größe, wie man fie in S. Maria degli Angeli in Rom
erblickt. ES find Säulen von gewöhnlicher Größe, etwa 12—14 Kuß Höhe,
die fich ohne BafiS wie Zeltstöcke auS der Erde erheben und auf ihrem La-
pitäl, dem ein ziemlich starkec Kämpfer aufgesetzt, einen maurischen Bogen
tragen, der einen kurzcn, mit Panelen und AkanlhuSblällern gekrönten Pfeiler
zur Widerlage hat, auf dem fich dann ein zweiler Bogcn erhebt, der die
Decke trägt. Dadurch cnlsteht ein eigenthümbcheS, phanlastischeS Spiel, daS
aber in jencr Bauwetse seine tiefe Beceulung hat, nämlich es wird dadurch
allein möglich, dem Gebäude eine gewiffe Höhe zu geben. DaS Licht kommt
gegenwärlig durch verschiedcne Kuppeln hinein, die aber giößlentheils das
Werk einer jpäteren Zeit find. EhematS war die Ceca mit 6000 siibernen
Lampen erlrucklet und mit köstlichem Rauchwerk durchdustet. Don jenen
Säuten aber kamcn 115 von Nismes und Lcm narbonncnstscken Gallien, 60
von Sevilla u»d Tarrogona, 140 schenkte der Kaiser Lco von Konstantinopel,