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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1865 (Nr. 239-250)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1815#0007
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Wie jede Stadt ihren besonderen Dialekt hatte, so war auch ihre Kunst-
sprache in eigenthümlicher Weise nüancirt. Ein mittelalterliches HauS von
Antwerpen unterschied sich aus den ersten Blick von einem solchen aus Brügge,
Gent, Köln, Dpern, Lübeck, obgleich die Bedürfniffe der Bewohner, das Ma-
terial u. s. w. mit einander so ziemlich übereinstimmten Jm Fortgange der
Zeiten nahm die Verallgemeinerung und damit die Verflachung, zunächst durch
den Einfluß des Auslandes in den höheren Schichten der Gesellschast, immer
mehr überband, bis wir endlich bei Ler dürren, kosmopolitischen Schablone
angelangt sind, wobei von eigeMcher Kunst nicht mehr die Rede sein kann.
Gegen solche Tendenz im Allgemeinen mag der Widerstand vergeblich sein;
gegen den Exceß läßt sich aber stcherlich mit Erfolg ankämpfen. Mag auch
die Verschiedenheit der Dialekte verschwinden, die der Sprachen und Nationa-
litäten wurzelt zu tief, um ausgerottet werden zu können; es handelt sich
nur darum, das Wesen deiselben richtig zu erfaffen und ihm die Bildungen
entsprechen zu laffen: nur auf diesem Wege läßt sich wieder zu einer wahrhafl
lebendigen Kunst gelangen; die principlvse Eeschmacksmengcrei bezcichnet
dahingegen das Ende aller Kunst.

Die Maler machen durchweg Opposition gegen die Gothik, in der Mei-
nung, daß dieselbe ihnen Eintrag thue. Wann aber ward mehr gemalt,
als im Mittelalter, wo alle Kunstbauten in Gold und Farbe glänzen mußten,
wo jede Stadt einen besonderen Maler anstellte und kein Bürgerhaus der
Schildereien entbehren durfte? Nicht bloß die Meister Stephan und Wilhelm,
ein Zeilbloom und die van Eyk mil ihren zahllosen Gehülsen hatten Arbeit
in Hülle und Fülle, sondern eine Schaar von Malern in allen Abstufungen
bis herab zu den Schildermalern war thälig; jedes Talent konnte sich gcl-
tend machen. Es würde unendlich weniger Jammer und Noth in der Maler-
welt sein, wenn nicht Alles fast ausschließlich auf die Tafelmalerei und die
Kunstlottcrieen angewiesen wäre, wenn fie je nach der Eigenthümlichkeit ihrer
Begabung sich der einfachen Polychromirung, der Fenster-, der Wand- und
sonstigen Malerei zuwcnden könnten, wozu die Gothik alle Gelegenheit
bietet, wenn die der unteren Schichte einsache Gesellen bei tüchtigcn Meistern
blieben, statt die Leinwand mit eigenen „Compositionen" zu verderben. Wie
viel Stoff zu trefflichen Decorationsmalern wird nicht im Dienste der
höheren Kunstmalerei nutzlos verbraucht!

Nach einem Missionsberichte aus Madagaskar halten die dort Einge-
borenen sehr viel auf Musik, kümmern sich aber nicht um Tact, Harmonie
und Rhythmus: ein Jeder musicirt eben auf eigene Hand nach seinem indi-
viduellen Geschmacke. Die große Trommel spielt aber stets die Hauptrolle.
Jn ähnlicher Weise verhält es sich bei uns zu Lande auf dem Gebiete der
bildenden Kunst. Manignorirt es, daß auch sie ihrenRhythmus und ihre
harmonischen Gesetze, ihren Generalbaß hat, wirst alle Style durcheinander
und sührt den Augen ein Charivari vor, wie die Musikliebhaber Madagas-
kar's den Ohren. Griechisch, Nömisch, Alt- und Neufranzösisch — alle Arten
von Formgebung tummeln sich bunt durcheinander, wie aus einer Carnevals-
Redoute. Lache man daher nicht über Madagaskar.

Jn seinem neuesten Werke über Athen proponirt Bötticher die Errich-
tung einer deutschen Akademie in Athen sür hellenische Alterthümer, — wa-
rum nicht auch in Memphis oder Theben für ägyptische? Nach einigen Jahr-
hunderten spätestens können denn auch die Americaner und Africaner eine
deutsche Akademie in unserem Vaterlande gründen, um die germanischen
Kunstdenkmale zu exploriren und zu rcconstruiren, welcheunsere Classicomanen
dem Nersall und der Nergeffenheil überantwortet haben.

--

Kirchen und kirchliche Bauwerke in Spanien.

Von Prisac.

VII. B u r g o s.

Burgos, die älteste Hauptstadt von Castilien, an den grünen Ufern des
Alarcon, der sie durchfließt und fast rund umgibt, ist, wie Toledo, eine
untergegangene Größe. Der letzte Bürger- und Revolutionskrieg hat die
Stadt noch öder gemacht. Man stößt allenthalben aus Ruinen zerstörtcr,
in Casernen verwandelter oder zu sonst weltlichem Gebrauche bestimmter
Klöster und Kirchen.

Wie Barcelona durch den Montjau (inons llovis), so wird auch Bur-
gvs durch ein jäh abschüssiges Fort beherrscht, ohne jedoch gegenwärtig eine
Festung zu sein. Wenn es erlaubt wäre, hier von sogenannten Cosas de
Espana zu reden, so könnte ich mit ein paar Geschichtchen auswarten, die
mir in den Straßen jener Stadt begegnet, Lie so recht durch und durch
Spanisches wären, voll Komik, aber zu gleicher Zeit auch voller bitterer
Jronie. Jch will aber an dieser Stelle nur von Kirchen reden und was
damit zusammenhängt, und zwar nur von den berühmtesten von Burgos,
nämlich von der Kathedrale, von dem Kloster Las Huelgas und von der
Cartusa Miraflores, beide außerhalb der Stadt.

Wenn man die beiden Thürme der Kathedrale von Burgos von der
Eisenbahn aus sieht oder von der anderen Scite des Alarcon, etwa von der
Höh« von Miraflores, dann sollte man auf den ersten Anblick glauben, die
Thürme deS vollendeten Domes von Kiln vor sich zu haben, so sehr gleichen
sich beide in ihrem Style und ihrer künstlerischen Conception. Auch hat diese
Sache wirklich einen geschichtlichen Halt. Denn es ist ein kölner Baumeister,
der mit kölnischer Schule nach Burgos kam und dort unter anderen Bau-
werken auch die beiden Thürme der Kathedrale vollendete, und zwar ganz

im strengen Style des kölner Domes, ohne jene Abweichungen, die sich die
damalige Zeit, nämlich die letzte Hälfte des 15. Jahrhunderts, in welcher
der Baumeister Johann von Köln nach Burgos kam, erlaubte. Leider blieb
ein Haupttheil derselben nicht in seiner ursprünglichen Gestalt.

Die Kathedrale von Burgvs, wie wir sie gegenwärtig ihren Hauptbe-
standtheilen nach vor uns sehen, wurde am 20. Juli desJahres 1221 unter
Bischof Mauricio, cinem Engländer, begonnen, aber man kann sagen, daß
nicht bloß während des ganzen MittelallerS daran gebaut wurde, sondern
auch noch, was wir nicht ganz ein Glück nennen möchten, bis in die spä-
teste Zeit hinein, so daß jedes Zeitalter seine eigene, wenn auch nicht eben
glückliche Spur hinterließ. Sie wurde daher zu einer wahren Musterkarte
von allerlei Stylarten, weil man die neuen Werke nicht im Sinne der alten
anfügte, sondern, wie wir etwa gegenwärtig sagen würden, nach dem neuesten
Geschmacke. Dennoch ist die Kirche im Ganzen und Großen noch immer ein
wahres Prachtexemplar gothischer Baukunst. Engländer wollen bemerkt haben,
daß sie in ihrer Grundanlage eine gewiffe Aehnlichkeit habe mit der Kathe-
drale von Uork, namentlich an dem schönen Capitelhause, was indeffen nur
von ihrem Grundriffe zu verstehen. Da ihr Gründer von Geburt ein Eng-
länder war, so wäre diese Erscheinung leicht erklärlich. Es ist sogar Lenk-
bar, daß ursprünglich auch Engländer an dem Werke als Baumeister gear-
beitet haben, besonders bei dem damaligen lebhaften Verkehre zwischen Eng-
land und Spanien. Fremde Baumeister aber sind in Spanien gar nicht sel-
ten, wiewohl es gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts, wo hier der Kir-
chenbau einen so lebhaften Aufschwung nahm, meistens Deutsche waren. So kam
denn auch unter anderen bereits Genannten ein Meister Johann von Köln
und vollendete hier zunächst, denn von einem zweiten Baue müffen wir noch j
weiter reden, die beiden Thürme an der Kathedrale. EZ gibt Abtheilungen i
an der Thurmfatzade, dic ganz so sind, als wären sie aus dem kölner Dome k
geschnitten, und die man ohne weitcre Veränderungen unmittelbar, so wie '
sis sind, an einer Stelle des kölner Domes einsetzen könnte, ohne seine Har-
monie zu stören. Leider hat sber die Fayade an ihren Portalen gegen
Ausgang des vorigen Jahrhunderts, wir wiffen nicht, durch welche Verav-
lassung, eine Umwandlung erhalten, die das ganze schöne Portal der West-
seite in schrecklicher Weise enlstellt und die einen höchst widerlichen Gegen-
satz bildet gegen das schöne Portal an der Eüdseite. Auch die minaretar-
tigen Umkrönungen der Thurmspitzen sind schwerlich ein Werk des JohanneS
von Köln. Sie sind ein Widerspruch gegen das gothische System, haben aber
an den sonstigen Bauwerken der Kathebrale, namentlich an dem Capitelhause,
eine Analogie. Wir glauben, daß in diesem Capitelhause der Urtypus des
löwener Stadthauses zu erkennen ist. Dieses sechseckige, an jeder Seite von
einer gothischen Thurmspitze oder großartigen Fiale überragle Capitelhaus
bildet übrigens mit der Kathedrale ein prächtiges Ensemble, ja, die Kathe-
drale von Burgos mit ihrem reichen und großartigen Thurmsystcme, ihrer
herrlichen Südseite, dem von Karl dem V. erbauten und sich anlehnenden
Stadtthore, der Burg im fernen Hintergrunde, ist, was ihre äußere Physio-
gnomie betrifft, eine der prächtigsten Kirchen der Welt. Aber auch im Jnneren
hat die Kirche herrliche Sculpturen, namentlich an der Oupilin magor, eine
schöne Treppe im Renaissancestyle und sonstige Denkmale, worin in Spa-
nien nur die Kathedralen von Sevilla und Toledo an Reichthum mit ihr
vcrglichen werdsn können. Leider wurden ihre Glasgemälde bei der franzö-
sischen Jnvasion zcrstört, bei welcher auch so viele ihrer sonstigen Kunstschätze
verloren gingen, so daß die Kirche außer denen, die mit ihrem Baue zu-
sammenhangen: einem Bilde, das man dem Leonardo da Vinci zuschreibt,
einem silbernen Kreuze von dem bereits wiederholt genannten Heinrich von
Arphe und einigen monumentalen Denkmälern, von beweglichen Kunstschätzen
und Alterthümern sast nichts besitzt als die berühmte hölzerne Kiste des Cid,
die er mit Erde und Steinen gefüllt an die Juden versetzte und später als
ein echter Ehrenmann wieder einlöste, die materiel und künstlerisch wciter
nichtS ist als einige alte zusammengefügte Bretter, und nun an die Wände
des Kreuzganges als eine historische Merkwürdigkeit befestigt ist.

Die Capelle der Heimsuchung in Ler Kathedrale zu Burgos gründete
Don Alonso de Carthagena, und die reich ausgestattete Capelle des Con-
destabele Don Pedro Fernandez de Velasco. — Ungefähr eine Viertelmeile
von der Stadt, an den Ufern eines kühlen Baches, liegt das Kloster LaS
Huelgas, von ciner eigenen Herrschafl umgeben, die, mit Mauern und Thoren
abgeschloffen, gegenwärtig einen kleinen Burgflecke» dildet, vielleicht ursprüng-
lich zur Aufnahme des Dicnstpersonals sür das Kloster bestimmt; denn Las-
selbe nahm dereinst einen großen Rang in Spanien ein. Es hatte das gn8
Alaäii und war nuIIiuZ ctioveLsis, frei und exempt, wie es in Deutschland
von derartigen Klöstern hieß.

Das Kloster Las Huelgas gehörte dem Orden der Cistercienserinnen an
und wurde von König Alonso VHI. und seincr Eemahlin Eleonore zum
Andsnken an den schönen Sieg bei Las Vavas de Tolosa gestiftet. Sein
Bau wurde gegen das Jahr 1180 begonnen. Der Baustyl ist ganz dem
jener Zeit entsprechend und vielleicht reiner und consequenter, als män ihn
sonst in Spanien findet. Es ist ein Werk von denen, wie man sie in Eng-
land normannisch nennt, und höchst wahrscheinlich von einem Engländer oder
Normannen erdaut. Aber trotz des Ernstes und der Strenge scines Styles
ist die Kirche doch so schön und edel in ihren Fornien, daß sie mil zu dem
Besten gehört, was uns in der Art aus jenen Tagen erhalten worden. Leider
hat die harte Zeit Vieles daran zerstört, und die Kirche, die sich auf so er-
habenen Schwibboge» an ihren Gewölben erhebt, wäre schon längst eine
vollendete Ruine, wenn das Klima in jenen Gegenden so viel vermöchtc, als
dies bei uns der Fall ist. Sie hat ein schönes Portal an dem für Las Volk
geöffneten Seitengange, und in diesem kostbare Reste von alten Grabmälern
ihrer ehemaligen Wohlthäter. Aber man muß sagen, es sind malerische Ruinen
und die vielleicht auch noch lange so bleiben, weil die reichen Mittel nicht
mehr flicßen, aus Lenen dereinst das Kloster seinen Unterhalt bezog. Man
erzählt sich Wunderdinge von dem Reichthume und der Macht deS ehemali-
gen Kkosters. Nun ist Alles sort, es ist in den großen, unersättlichen Schlund
 
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