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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0013
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9

I. DAS THEMA

1.1. Was behandelt werden soll.

Das Ehebildnis Cuspinians von Lucas Cranach d.Ae. (Abb. 1-2)
zeugt für die Konvergenz zwischen dem deutschen Humanismus und
der dürerischen modernen Kunst um 15oo. Hoechst selten hat sich
beides auf so hohem geistigem und künstlerischem Niveau verbun-
den. Das Resultat der Begegnung ist hier einmal nicht eine .sym-
bolistische, blutarme Illustration zu einer humanistischen Idee.
Nicht ein Symbolzeichen, sondern lebendige Kunstform (1), nicht
eine äusserliche "Uebersetzung eines Geistigen ins Bildliche",
sondern einen "Urtext" haben wir vor uns (2). Wenn wir trotzdem
zeitweise das Werk Cranachs wie eine Uebersetzung von christlich-
neuplatonistischen und panentheistisehen Ideen der Humanisten auf-
fassen werden, dann sehen wir zwar an der künstlerischen Einheit
und Qualität der Bilder vorbei, tun ihnen aber keine Gewalt an,
weil sie beides sind: lebendig-einheitliches Kunstgebilde und
Träger einer herauslösbaren Symbolik.

Aehnliches liesse sich von den Gedichten des Konrad Celtis sagen,
der in jenen Jahren um 15oo - wenigstens äusserlich - der führende
Humanist Deutschlands gewesen ist und zu dessen engsten Wiener
Freunden Cuspinian gezählt hat. Man kann sich fragen, ob die Ideale
des Celtis und seiner Freunde für das heutige Urteil einen schö-
neren Ausdruck gefunden haben in des Celtis eigenen Dichtungen
oder in einem Werk der Malerei wie dem Bildnis Cuspinians von
Cranach. Gewiss: erstens erschöpft sich der geistige Gehalt von
Cranachs Wiener Werken nicht im rein Humanistischen; und zweitens
soll nicht bestritten werden, dass das historische Primat den
schreibenden Humanisten zukommt (Celtis war zwölf Jahre älter als
sein Freund Dürer, und er hat nicht erst ihm, sondern schon dem
in spätgotischer Tradition verharrenden Wolgemut, dem Lehrer
Dürers, ikonographische Programme aufgestellt). (3) Wir glauben

(1) Vgl. H. Focillon, Vie des forraes, 1943, 4.Aufl. 1955, lo u. 13.

(2) H. Wölfflin, Gedanken zur Kunstgeschichte, 194o, 13.

(3) S. Anm. 231 und Anm. 24o.
 
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