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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0192
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186

Vates - David, Moses, Jeremias wie Orpheus (544) und die Sibyllen
(545. So sind unsere Geisteskräfte vorzubereiten, dass wir diese
Wundermacht ('numen veri furoris') in uns aufzunehmen vermögen

(546) . Nichts fördert eine hiezu bereite Seelenstimmung so sehr
wie die beschauliche Ruhe ländlicher Einsamkeit. Fern vom Getriebe
der Menschen nicht nur, fern vielmehr vor allem den begehrlichen
Wünschen gelangt man zum beglückenden Umgang mit den Himmlischen" -
Vadian nennt dies ein süsses Gespräch mit den Musen und mit Apollo,
"dulcissimum Musarum et Apollinis colloquium".

Der von Cranach porträtierte Cuspinian scheint nicht von einem
plötzlichen "furor poeticus" - oder also vom heiligen Geist - er-
griffen zu sein. Eher gewahren wir einen Zustand der geistigen
Vorbereitung zur Schau des Göttlichen. Am besten, so schreibt
Vadian, werde der Geist dazu vorbereitet durch den Aufenthalt
in der Natur fern der betriebsamen Stadt. Die Natur existiert
für den Humanisten selbstverständlich nicht bloss zum Zwecke der
physischen und geistigen Erholung. Das macht uns Vadian sehr
deutlich. An einer anderen Stelle der Poetik setzt er seine Mei-
nung über die Göttlichkeit der Natur, aber auch über die absolute
Superiorität des Schöpfergottes über seine Schöpfung auseinander

(547) - und man vergegenwärtige sich dazu die Stellung Cuspinians
zur Landschaft und zu dem Uber allem stehenden göttlichen Stern:
Die heidnisch-antiken Dichter und Philosophen "erblickten das
Göttliche in der Schöpfung und verehrten das Geschöpf. Dies ist

(544) Vgl. Anm. 474 und Anm. 481.

(545) Vgl. Anm. 526.

(546) Vgl. Celtis: "nescio quo daimone aut spiritu" (Anm. 528).
Zum "furor"-Begriff s. auch S. 241, ferner M. Feldges (zit.
in Anm. 748), 3o-34. Heinrich Cornelius Agrippa's von Nettes-
heim Magische Werke, III, Stuttgart 1855, 25. Kap., 276 f.:
"Die Weissagung ist es, vermittelst deren die Priester oder
Andere die Ursachen der Dinge erkennen und auch die Zukunft
voraussehen, wenn nemlich von den Göttern oder von den Dämo-
nen die Sehergabe über sie kommt, was die Platoniker ein
Herabkommen der höheren Seelen in die unsrigen nennen; Her-
mes aber nennt es dämonischen Sinn und dämonisches Gemüth...
Ein solches Herabkommen einer Gottheit in unsere Seele fin-
det aber nicht statt, wenn dieselbe mit etwas Anderem zu an-
haltend beschäftigt, sondern nur, wenn sie frei i»t, d.h. im
Zustande der Begeisterung, oder der Verzückung, oder des
Träumens befindet."

(547) Zitiert nach dem R6sum6e von Näf 1944, I, 292.
 
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