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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0226
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22o

dings ohne eigentliche Berücksichtigung des Sternes: "Cuspinian
wird von den Strahlen des Himmels erleuchtet, wendet den Blick
nach oben und sieht, wie das Böse in der Gestalt der Eule, weil
sie eine Seele geraubt hat, von Vögeln verfolgt wird" (639). Mit
dem vermuteten "Seelenraub" wollen wir uns nicht weiter beschäfti-
gen, da ein Beleg fehlt und wohl kaum gefunden werden kann. Die
Eule als das Böse oder Unheilvolle überzeugt aber zunächst mehr
als die "verfolgte Weisheit". Ist die "Saturn"-Deutung entbehr-
lich oder gar mit Grund aufzugeben?

Der Charakter des Unheimlichen, der der Eule seit der Antike
immer zugesprochen wurde, ist im Bildnis Cuspinians besonders
hervorgehoben durch den Kontrast zur Klarheit des Himmels und
zur glücklichen Sorglosigkeit, die die Frauen in der Landschaft
zur Schau tragen. Der Nachtvogel, der seine Beute entführt,
scheint sich wie ein gefährliches Hindernis in das Streben nach
der geistigen Helle, das wir Cuspinian zugeschrieben haben, ein-
zuschieben. Aber man erinnert sich: Das Finstere und Dämonische
muss für Cuspinian keineswegs das schlechthin Böse und Negative
bedeuten. Der mythische Patron des Dichters und Arztes Cuspi-
nian, Apollo, wird ja wegen seiner positiven Fähigkeit des Vor-
aussehens und des Durchschauens verborgener Dinge an einen dunk-
len Ort versetzt. Dies möge in Erinnerung bleiben, wenn wir nun
doch einige Hinweise auf naheligende Dokumente geben, in denen
die Eule das Böse verkörpert (64o).

(639) Grote 1965, 166 Anm. 19. Vgl. Anra. 466. Vgl. s- 32 unten.

(640) Material zur Symbolik der Eule um 15oo ist gesammelt wor-
den von Jakob Rosenberg, On the Meaning of a Bosch Drawing,
in: De artibus Opuscula XL, Essays in Honor of Erwin Pa-
nofsky, 1961, 422-426 mit pl. 136-138, und von H. Schwarz
und V. Plagemann: Reallex.z.deutschen Kunstgesch. VI, 63.
Lieferung, 197o, Sp. 267-322. S. auch Th.A.G. Wilberg Vig-
nau-Schuurman, Die emblematischen Elemente im Werk Joris
Hoefnagels, Leiden 1969, Bd. I, 19o ff.; A, Henkel und A.
Schöne, Emblemata, Stuttgart 1967, Sp. 89o ff.. Allgemein
resümiert: Die Sympathie zur verfolgten Eule nimmt um 15oo
zu, etwa im Sinne des vielleicht von Dürer verfassten und
in Versen kommentierten mitfühlenden Satzes: "Der Eulen
seind alle Vögel neidig und gram" (Dürer, Schriftlicher Nach-
lass, I, hg. von H. Rupprich, Berlin 1956, 142, Nr. 28j
Grote 1965, 169; K. Schottenloher, Die Eule im Buchschmuck

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