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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0258
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252

Cuspinian Ficinos Gedankengängen aufmerksam gefolgt war. Und
ebenso gewiss ist das von Cranach gemalte Bildnisdiptychon an-
gereichert mit einer mehr oder weniger verborgenen Symbolik,
die der Auftraggeber vom Maler verlangte. Die Auffindung des
gut deutbaren Apollo hat uns davon überzeugt. Analoge Figuren
wie die neun Frauen, der Stern, das Feuer hinter der Braut usw.
können nicht ohne bestimmten Sinn in den Landschaftshintergrund
eingebettet worden sein. Heilige Bilder, sagte der von Cuspi-
nian gelesene Annius von Viterbo, seien solche, die den Beschau-
er veranlassen, nach ihrer Bedeutung zu fragen (751). In heuti-
ger, psychologischer Terminologie formuliert: "Man muss etwas
zeigen, was noch geheimnisvoll sein kann. Das bringt die Sinne
in Bewegung, weil sie begreifen möchten" (752).

Beim Versuch, den Stern über dem Haupt Cuspinians zu begreifen,
glaubten wir, eine naheliegende, präzisen Aufschluss gebende
Quelle gefunden zu haben: Prudentius, der den Stern der Epi-
phanie Christi als göttliches Licht preist (worüber Cuspinian
an der Universität Vorlesung hielt). Selbst wenn uns die Hymnen
des Prudentius dazu führten, die einfache Gleichung Stern -
Christus aufzustellen, sind damit Nebenbedeutungen oder Allu-
sionen, sogar kontradiktorische, nicht völlig ausgeschlossen,
hier also nicht der Gedanke, dass die Sterne, obwohl von Chri-
stus in ihrer Macht gebrochen, die Welt mit ihren Strahlen er-
reichen und geheime Wirkung auf die Welt und die Menschen aus-
üben. Auf dem Weg solchen "Hintergedankens", den das Bild des
Sterns auslösen mag, und auf Grund von anderen Indizien gelang-
ten wir dazu, hypothetisch die Eule als Planetenbild (Saturn)
zu verstehen. Freilich, es gäbe die einfachere und von "Saturn"
nicht notwendig verdrängte Deutung aus rein christlicher An-
schauung, die vom Epiphanie-Stern her ohne weiteres vollzogen
werden kann: die Eule verkörpere die Sünde, die vom Stern Christi

(751) Zit. S. 87 f.

(752) Joseph Beuys in einem Interview, mit dem provokativ ein-
seitigen Zusatz "Wir vermeiden damit krankhafte Introver-
sion" (G. Engelhard, in: Christ und Welt, XXI, Nr. 1,

3. Jan. 1969; Kat. "J. Beuys" Basel 1969/7o, 34).
 
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