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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0273
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267

Baum scheint den natürlichen Wechsel von Werden und Vergehen
unaufdringlich zu veranschaulichen (799) und passt in dieser
zu vermutenden Allegorik zum besinnlichen Blick des Mannes.
Der dickstämmige, aber zart verästelte kahle und "gebückte"
Baum (der sich übrigens deutlich von den frühen Holzschnitten
Dürers herleitet) ist ebenso fein auf den Mann abgestimmt wie
auf der anderen Seite das jugendlich-unbeschwerte, rechts im
Hintergrund aufwachsende Bäumchen auf die Frau. Aehnlich wie
im Ehebildnis Cuspinians herrschen wenige, im Kontrast zusam-
menklingende Farbwerte vor. Das von den Porträtfiguren getra-
gene Rot (Schulterumhang und Hut des Mannes, Kleid der Frau)
tritt aus der weichen Einbettung in die gebräunte Komplementär-
farbe Grün der Landschaft hervor. Ueber dem in Schulterhöhe
der Porträtierten verlaufenden Horizont breitet sich das Blau
des Himmels aus. Im Vergleich mit dem Diptychon Cuspinians er-
scheinen aber hier die analog eingesetzten Farben weniger in-
tensiv, weniger blühend, weniger rein und etwas mehr mitein-
ander verschmelzend (im Bildnis des Mannes etwa durch den bräun-
lichen Bindeton des Brokatgewandes). Der Himmel ist von weiss-
lichen Wolken leicht überzogen. Es fehlt ihm die symbolische
Reinheit des Himmels über Cuspinian. Ueberhaupt sucht man ver-
gebens nach einer bestimmten Symbolik einzelner Gegenstände.
Man bemerkt höchstens links oben im männlichen Bildnis einen
auf einem Ast sitzenden und drei heranfliegende Vögel, die
nicht genau charakterisiert sind, ferner einen Reiter und zwei
Fussgänger, die attributartig die Strasse hinter dem Mann be-.
Völkern. Figuren wie der Stern, Apollo, die Frauenfiguren oder

(799) Aehnlich wie auf Cranachs Kreuzigung von 15o3 und dann -
demonstrativ - auf Cranachs dogmatischer Darstellung
"Sündenfall und Erlösung" von 1529 (Friedländer/Rosenberg
1932, Nr. 183). Zum Baummotiv M. Lurker, Der Baum in Glau-
ben und Kunst unter besonderer Berücksichtigung der Werke
des Hieronymus Bosch, Studien zur deutschen Kunstgesch. 328,
196o, 33; vgl. auch Jb.d.preuss.KunstSammlungen XXIII, 19o2,
167 (Symbolik des belaubten und entlaubten Baumes in der
Mystik des 14. Jhs., wiederaufgenommen um 15oo); G. Münzel,
in: Das Münster XI, 1958, 256 ff.; G.B. Ladner, Vegetation
Symbolism and the Concept of Renaissance, in: De artibus
opuscula XL, Essays in honor of Erwin Panofsky, 1961,316;
L. Behling, Die Pflanze in der mittelalterlichen Tafelma-
lerei, 1957, 119.
 
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