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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 7.1930

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Nr. 9 (September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43618#0547
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DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
Siebenter Jahrgang
Neuntes Heft September 1930

Däubler und Deutschland
Von Ludwig Benninghoff
T n den Wochen der Wirrnis, des Haders, der Rechthaberei und des
k Geschreis versuchen wir, diesem Zerrbild „deutsch“ in einer
wundervollen Persönlichkeit ein Wesensbild „deutsch“ gegenüber-
zustellen.
Theodor Däubler, der Dichter des „Nordlichts“. Sternverhaftet
sein Dichten, Wie ein Gestirn die Wirkung des Menschen. Tritt er
unter uns, so ist es wie auf Bildern Rembrandts, als ob in die
Dunkelheiten und Verständnislosigkeiten, mit denen unsere Selbst-
heit uns gleich einem Mantel der Finsternis umhängt, durch die wir
voneinander getrennt sind wie von schwarzen Schluchten, ein
großes, geheimnisvolles und gutes Licht kommt, mit einem Men-
schengesicht, einem Antlitz wie Gottvater, der bei Abraham ein-
kehrt oder den verlorenen Sohn aufnimmt.
Das „Sternenkind“ mit dem männlich schönsten Prophetenhaupt,
wandert dieser ewige Deutsche durch die Lande der Erde, liebt
sie, singt sie. Aber immer über dem Endlichen sucht er das andere,
wie Goethe sagt:
„Denn ich weiß, du liebst das Droben,
Das Unendliche zu schauen,
Wie sie sich einander loben
Jene Feuer in dem Blauen,”
Wenn wir Däubler sehen, so scheint eine Sage Erscheinung ge-
worden und unter uns zu weilen, eine Sage voll Geheimnis, Weis-
heit und Güte.
Aber ist nicht das Sagenhafte unser Wirkliches? Wirklicher als
Maschine und Geld und Partei? Rührt uns in Däublers Bild nicht
der gute Geist der Deutschen noch einmal an mit der stillen Mah-
nung: Besinnt euch auf euch selbst, solange es noch Zeit ist! Denkt
an das Große, seid ehrfürchtig, fragt euer Gewissen. Und ihr werdet
euch schämen und erschrecken wie Kinder, die sich in eine Gosse
verirrt haben.
Es ist schwer, das schicksalhaft Deutsche in Worte zu fangen.
Man kann sagen, es fängt mit den Sternen an und sucht zur Sonne.
Es ist wie Däublers Nordlicht der liebend feindliche Aufbruch

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