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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 4 (April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0234
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Es ist früher Herbst der Kriegsgeneration. Und es ist nur löblich,
daß die junge Generation nicht nur die reife Frucht pflücken,
sondern den Garten mit pflegen und den Boden, auch für neue Saat,
bereiten will, Ungeduld ist ein Zeichen unbändiger Kraft, Möge
diese Kraft sich nicht in rücksichtslosem Drängen, das nur Äußeres
bewegt, vergeuden, sondern möge sie sich fruchtbar auswirken im
Bewußtsein der gemeinsamen Wurzel und des nur im Vorläufigen,
nicht aber im Wesen verschiedenen Ziels der Generationen,
Otto Pankok
Von Ludwig Benning hoff
T Tor ein paar Jahren sah ich in einer Riesenausstellung in Berlin
’ zum ersten Male die Helldunkelgemälde des Niederrheiners Otto
Pankok. Da geschah es mir, daß alles, was in den zahllosen Sälen sich
farbig aufpluderte, ekstatisch auslud, explodierte oder blasiert sach-
lichte, gleich den bunten, klebrigen und schmutzigen Abwässern aus
einer Farbfabrik weggeschwemmt wurde vor dem Sturm aus dem
dunklen Aufgang des Lebens, den die großen, farblosen Visionen
Pankoks beschworen. Aber nicht nur das Innere dieses Kunstwaren-
hauses, sondern die ganze, sich so wichtig nehmende Stadt Berlin
verschwand wie ein sinnloser, tragikomischer Witz eines kümmer-
lichen und welken Gehirns mit den verhungerten Ärmchen ihrer
asphaltgewürgten Linden, mit ihrer armen eingekerkerten Spree,
mit der verbrauchten Luft ihrer Vergnügungslokale, mit den müden
Gesichtern ihrer Tempomenschen, mit den Prunkfassaden, die von
den unzähligen Drähten der Leitungen aufrechterhalten zu werden
schienen. Und so kam es, daß ich in dieser Stadt, in diesem Zerrbild
dessen, was deutsch ist, so daß man sich lieber nach Kamtschatka
wünscht als in das Land, dessen Ausdruck sie ist, doch das Wesen
Deutsch wiederfand in den stillen und dumpf brausenden Akkorden
der Bilder Pankoks, Denn das Wort deutsch ist ein gutes Wort,
trotz der Schändungen, die ihm täglich millionenfach zugefügt wer-
den von denen, die es im Munde führen, und es sollte zu seiner
Rettung verboten werden, da es nachgerade mehr gebraucht wird
als die Bindeform „und“. Es bezeichnet das Einmalige einer sonder-
baren, unerklärlichen Kraft der Tat und Weltschau, deren Offen-
barung wie im Märchen nur dem seltenen Sonntagskind zuteil wird,
das nicht davon weiß, was so die anderen ?4enschen Wissen heißen.
Diese Weltschau aber lebt in Pankok, und sie hält eine Ziege
für wichtiger als die Organisation des internationalen Betriebskapi-
tals und ein Bettlerkind für mehr als die Autofabrikation der ge-
samten Welt, In dieser Weltschau aber werden die Dinge verwan-
delt in das Wunder des Lebens, sie werden alle ein Geheimnis, und
es geschieht, daß die Schatten von Bäumen zu den unergründlichen

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