II. Werinher vou Tegernsee etc. 37
des gekreuzigten Heilandes entsprechend. So dürften auch ein Paar Stellen
des Textes zu beachten sein, in denen das Gerücht personificirt gedacht
wird, z. B.:
Das Märe da Federn gewann
Von der Frauen wohlgethan,
Weit flog es durch die Gassen.
Auch diese deuten auf das mehrfach vorkommende Uebertragen antiker
Anschauungen in die Kunst des Mittelalters. —
Vergleichen wir nun diese Bilder mit andern gleichzeitigen Miniaturen,
so finden wir dieselbe Manier, die Gegenstände in verschiedenfarbigen
Umrissen auf gefärbtem Grunde darzustellen, auch in mehreren andern,
in Handschriften enthaltenen Bildern. Ausser einigen Büchern heiligen In-
halts, die mir früher zu Gesichte gekommen, ausser einer englischen Hand-
schrift, von deren Bildern Dibdiu einige leider zu flüchtige Umrisse mitge-
theilt hatl) und ausser der oben erwähnten, von Günthner für ein "Werk
des Werinher gehaltenen Biblia pauperum, nenne ich hier besonders jene
schon erwähnte Handschrift einer oberdeutschen Bearbeitung der Eneidt des
H. von Veldeck auf der königl. Bibliothek zu Berlin *), deren sehr zahl-
reiche Miniaturen ganz auf dieselbe Weise verfertigt sind, und in denen
sich dieselbe stylisirte, ornamentartige Darstellung der Bäume, hier auch
der öfters vorkommenden Thiere, zeigt. Auch möchte noch eine Hand-
schrift , welche auf derselben Bibliothek sich befindet und Legenden
und andre Schriften theologischen Inhalts, zuletzt die Paraphrase des Ho-
henliedes von Willeram enthält3), hieher zu rechnen sein; denn wenn in
den Miniaturen dieser letzteren jener farbige Grund noch fehlt, so scheinen
diese Bilder nur unvollendet (wie auch einige derselben noch, gänzlich
fehlen). Auf dem dritten Blatte dieser Handschrift, vor dem Anfang des
Textes, steht folgende, nach der Form der Buchstaben gleichzeitige Notiz:
vIIic über est Gotscalci de Lambach" *).
Dies berechtigt uns vielleicht, eine eigenthümliehe oberdeutsche Schule
anzunehmen, deren Hauptmoment jene typisch festgestellte, stylisirte Manier
der Darstellung, wohin im weiteren Sinne auch der farbige, teppichähnliche
Grund gehört, sein würde 5). Im Hortus deliciarum der Herrad und in den
Zeichnungen der erwähnten Heidelberger Handschrift vom Gedicht des
Pfaffen Chunrat, wo diese Stylisirung in den Nebendingen fehlt und freiere
aber ganz unsichere Formen eintreten, würde sich sodann vielleicht ein
eigenthümlicher rheinischer Styl zeigen.
Ob diese Meinung sich weiter wird begründen lassen, und welche Be-
deutung diese verschiedenen Schulen in der Kunstgeschichte des Mittelal-
ters haben mögen, dürfte sich freilich erst bei fortgesetzten Studien über
diesen Gegenstand ergeben.
l) Dibdin, BMI. Decameron 1. f. d. p. LXXVIU. f. — 2) Jtf». Germ./ol.
tfro. 282. Vergl. die folgende Abhandlung. — 3) Ms. theol. lat. quart. Nro. 140.
» ergl. oben S. 7, 10. — •) Lambach ist ein ehemals bairischer, jetzt österreichischer
Ort. — 5) Unabhängig von dieser Manier bleibt die Freiheit des Gedankens und
der Erfindung, welche oben beim Werinher gerühmt wurde.
des gekreuzigten Heilandes entsprechend. So dürften auch ein Paar Stellen
des Textes zu beachten sein, in denen das Gerücht personificirt gedacht
wird, z. B.:
Das Märe da Federn gewann
Von der Frauen wohlgethan,
Weit flog es durch die Gassen.
Auch diese deuten auf das mehrfach vorkommende Uebertragen antiker
Anschauungen in die Kunst des Mittelalters. —
Vergleichen wir nun diese Bilder mit andern gleichzeitigen Miniaturen,
so finden wir dieselbe Manier, die Gegenstände in verschiedenfarbigen
Umrissen auf gefärbtem Grunde darzustellen, auch in mehreren andern,
in Handschriften enthaltenen Bildern. Ausser einigen Büchern heiligen In-
halts, die mir früher zu Gesichte gekommen, ausser einer englischen Hand-
schrift, von deren Bildern Dibdiu einige leider zu flüchtige Umrisse mitge-
theilt hatl) und ausser der oben erwähnten, von Günthner für ein "Werk
des Werinher gehaltenen Biblia pauperum, nenne ich hier besonders jene
schon erwähnte Handschrift einer oberdeutschen Bearbeitung der Eneidt des
H. von Veldeck auf der königl. Bibliothek zu Berlin *), deren sehr zahl-
reiche Miniaturen ganz auf dieselbe Weise verfertigt sind, und in denen
sich dieselbe stylisirte, ornamentartige Darstellung der Bäume, hier auch
der öfters vorkommenden Thiere, zeigt. Auch möchte noch eine Hand-
schrift , welche auf derselben Bibliothek sich befindet und Legenden
und andre Schriften theologischen Inhalts, zuletzt die Paraphrase des Ho-
henliedes von Willeram enthält3), hieher zu rechnen sein; denn wenn in
den Miniaturen dieser letzteren jener farbige Grund noch fehlt, so scheinen
diese Bilder nur unvollendet (wie auch einige derselben noch, gänzlich
fehlen). Auf dem dritten Blatte dieser Handschrift, vor dem Anfang des
Textes, steht folgende, nach der Form der Buchstaben gleichzeitige Notiz:
vIIic über est Gotscalci de Lambach" *).
Dies berechtigt uns vielleicht, eine eigenthümliehe oberdeutsche Schule
anzunehmen, deren Hauptmoment jene typisch festgestellte, stylisirte Manier
der Darstellung, wohin im weiteren Sinne auch der farbige, teppichähnliche
Grund gehört, sein würde 5). Im Hortus deliciarum der Herrad und in den
Zeichnungen der erwähnten Heidelberger Handschrift vom Gedicht des
Pfaffen Chunrat, wo diese Stylisirung in den Nebendingen fehlt und freiere
aber ganz unsichere Formen eintreten, würde sich sodann vielleicht ein
eigenthümlicher rheinischer Styl zeigen.
Ob diese Meinung sich weiter wird begründen lassen, und welche Be-
deutung diese verschiedenen Schulen in der Kunstgeschichte des Mittelal-
ters haben mögen, dürfte sich freilich erst bei fortgesetzten Studien über
diesen Gegenstand ergeben.
l) Dibdin, BMI. Decameron 1. f. d. p. LXXVIU. f. — 2) Jtf». Germ./ol.
tfro. 282. Vergl. die folgende Abhandlung. — 3) Ms. theol. lat. quart. Nro. 140.
» ergl. oben S. 7, 10. — •) Lambach ist ein ehemals bairischer, jetzt österreichischer
Ort. — 5) Unabhängig von dieser Manier bleibt die Freiheit des Gedankens und
der Erfindung, welche oben beim Werinher gerühmt wurde.