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Kugler, Franz; Lübke, Wilhelm [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte — Stuttgart, Band 2.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.27233#0403
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§. 7. Die Meister der venetianischen Schule.

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Sammlungen verstreut, häufig jedoch unter falschem Namen, wie z. B.
das schöne Bild der h. Justina in der Galerie zu Wien (ehemals Por-
denone genannt) und eine Judith in der Eremitage von Petersburg
(dort als Rafael bezeichnet) von ihm herrühren. Vorzügliche Altarbilder
im Städel’scheri Institut zu Frankfurt a. M., darunter die bedeutende
thronende Madonna mit den Kirchenvätern, aus der Sammlung Fesch,
und im Berliner Museum. — Schüler des Moretto war Gio. Batista
Moroni; dieser Künstler gehört zu den durch Naturwahrheit und
weiche Behandlung der Farben ausgezeichnetsten venezianischen Portrait-
malern; in Compositionen dagegen ist er ohne Erfindung, ohne Sinn für
Anordnung und stets von seinem Meister Moretto abhängig.

In ähnlicher Weise bildete sich zu Venedig der Friuler G-io. An-
tonio Licinio Regillo, gen. Pordenone, (1484—1539) aus. Auch
in seinen Bildern verbindet sich das venezianische Colorit mit dem Schmelz
der Modellirung und dem Plelldunkel, in welchem die Lombarden ausge-
zeichnet sind. Adel der Bewegung, Grossheit der Form und vornehme
Würde sind ihm dabei vorzüglich eigen. Treffliche Altarbilder sieht man
von ihm in Venedig; die Herodias mit dem Haupte des Täufers, in
der Gal. Doria zu Rom, die mit Wahrscheinlichkeit ihm zugeschrieben
wird, ist von wunderbarer Schönheit und allseitiger Vollendung. In spä-
terer Zeit gerieth er durch massenhaftes Arbeiten und ungestümen Drang
zum Schaffen in Geschmacklosigkeiten und Verirrungen. Viele Werke
dieser Epoche in Treviso und der Gegend von Cremona u. s. w. —
Tüchtige Schüler und Nachfolger von ihm sind: Bernardino Licinio
(grosses Altarbild in S. Maria dei Frari zu Venedig; sein Familien-
bild, brav durchgeführt, aber etwas ängstlich und befangen in der Hal-
tung und nicht ohne Trockenheit in der Behandlung, im Pal. Borghese
zu Rom); Francesco Beccaruzzi aus Conegliano (Altarbild von
grosser Bedeutung in der Akademie zu Venedig) und Pomponio
Amalteo.

Endlich ist als der in Rede stehenden Periode angehörig noch ein
Meister von Bedeutung, Paris Bordone (1500—1570) hervorzuheben,
durch die zarteste Ausbildung der Farbe, zumal einen rosig blühenden
Fleischton, somit vornehmlich in weiblichen Bildnissen ausgezeichnet, in
Darstellungen aber, wo eine höhere Kraft erfordert wird, nur wenig be-
friedigend. Sein grosses Bild in der Akademie zu Venedig, der Fischer
mit dem Ringe vor dem Dogen, ist von unvergleichlich heiterer, festlicher
Farbenpracht. Andres von Altarbildern, mythologischen Darstellungen
und ausgezeichneten Bildnissen in den Kirchen und Museen zu Venedig,
sowie in den Galerieen von Paris, Genua, Dresden und B e r 1 i n. —
Weit unbedeutender und seihst unerfreulich dagegen ist Batista Franco,
gen. il Semolei, der ein leerer manieristischcr Nachahmer Michelan-
gelo’s und nur in dekorativen Arbeiten genügend ist.
 
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