Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 66.1915-1916

DOI Artikel:
Buchner, Georg: Was soll der Künstler, der Maler, von der Chemie wissen, [6]: eine Einleitung zur Materialkunde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7140#0218
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
eine bestimmte Reaktion einen Stoff in bestimmter
Gestalt entstehen läßt, während eine andere den-
selben Stofs wieder in einer dafür charakteristischen
Form liefert. Die Zustandssorm kann ein und dem-
selben Stoffe nur im Momente des Entstehens aus-
geprägt werden, und es genügt häufig, um sie her-
vorzubringen, eine bestimmte Darstellungssorm zu
wählen. Derartige Formen erscheinen daher als
Ergebnis des Bildungsvorganges mit der ganzen
Summe seiner allgemeinen und besonderen Be-
dingungen und werden als „Bild ungsformen"
wirklich isomeren Formen gegenübergestellt. Diese
Formen sind also nicht der Ausdruck des moleku-
laren Baues, sondern das Ergebnis des Bildungs-
vorganges, der zu dem betreffenden Stoff in der
besonderen Zustandssorm führt. Durch diese Tat-
sachen erklären sich die mannigfachen, oft verlachten,
komplizierten alten Vorschriften und Rezepte, die die
Perstellung eines Stoffes von einer ganz besonderen
Struktur bezwecken, auch erhellt die Wichtigkeit der
stets genau einzuhaltenden Fabrikations-
bedingungen zur Erzielung der richtigen
Malerfarbstoffe. Desgleichen beruht hierauf die
wichtiqkeit von Fabrikationsgeheimnissen und der
große wert der Patentliteratur, welche sich in
vielen Fällen eben auf solche Besonderheiten einer
Darstellungsweise erstreckt. Es geht auch daraus
hervor, daß für Malerfarbstoffe mit der „Rein-
heit" allein nur ein Teil der Anforderung erfüllt
ist; vor allem ist die für die Verwendung der-
selben nötige Struktur Erfordernis; und unter
Umständen kann ein unreiner Farbstoff mit der
richtigen Struktur ausgezeichnet, ein reiner Farb-
stoff mit fehlerhafter Struktur unbrauchbar sein. —

Es handelt sich also:

um die Unterschiede einzelner jFormen
chemisch identischer und nicht polymor-
pher Stoffe,

2. um die Bedingungen, die formbestim-
mend wirken und ausschlaggebend für
die Form sind.

Unter diese Gruppe von Zustandsformen gehören
z. B. die verschiedenen Formen des Silbers, z. B.
kolloidales Silber, Silberspiegel, Paarsilber, Silber-
pulver usw., des Goldes, des Arsens, nämlich das
graue und braune Arsen, die man bisher als allo-
trope Formen angesehen hat und welche nur als
besondere Zerteilungsarten des Arsens derselben
Modifikation (das Arsen hat nur zwei Modifika-
tionen, das metallische und das gelbe ^Arsen) dar-
getan wurden. Ebenso beruht nach Aohlschütter
die sog. Zsomerie der Zinnsäure, der Unterschied

zwischen der Ortho- und der Metazinnsäure, nicht
in der chemischen Konstitution, der Moleknlargröße,
sondern allein in der Teilchengröße im kolloid-
chemischen Sinne des Wortes; auf ebensolchen
Verschiedenheiten dürfte die von mir beschriebene
Form des durch Glühen von Zinknitrat erhaltenen
dichten, gelblichweißen Zinkoxyds im Gegensatz zu
dem gewöhnlichen Zinkoxyd (Zinkweiß) beruhen;
ferner handelt es sich bei den verschiedenen Zu-
standsformen des gelatinösen, käsigen oder flockigen,
des pulverförmigen und des körnigen Ehlor- und
Bromsilbers um solche Ursachen. Diese großen,
möglichen Mannigfaltigkeiten spielen in
der Natur, z. B. in den verschiedenen Zu-
standsformen der Mineralien, ganz beson-
ders auch in der Technik, z. B. bei der Her-
stellung von Malerfarben, eine große, bis-
her noch nicht genug gewürdigte Rolle,
wir müssen uns vorstellen, daß ein Stoff, wenn
er aus seiner Zerteilung vom molekularen Zustand
in Zustände größerer Kondensation übergeht, der
Einwirkung aller möglichen Faktoren unterliegt, die
seinen Zustand bestimmen und in den äußeren Be-
dingungen, der Gegenwart anderer Stoffe usw. ge-
geben sind, vom Zerteilungszustand des moleku-
laren, des kolloidalen Zustandes bis zum Zustande
des festen Stoffes und umgekehrt existieren viel-
gestaltige, kontinuierliche Übergänge, wir müssen
hier noch eines wichtigen Umstandes, nämlich der
„Adsorption", gedenken, wodurch den Stoffen je
nach ihrer perstellungsart geringe Mengen anderer
Stoffe fest anhaften, welche dann nicht auszumer-
zende Verunreinigungen darstellen, ohne daß ein
beabsichtigter Zusatz derselben stattgefunden hätte.
Derartig adsorbierte Stoffe werden öfters irriger-
weise als Verfälschungen oder auch als „Sub-
strate" angesprochen.

Zeder Stoff, der sich in einer festen Phase ab-
scheidet, hat die Neigung, auf seiner Oberfläche
oder in seinem Innern einen Teil des anderen
Stoffes der Phase, ans dem er abgeschieden wurde,
zurückzuhalten, ohne daß es gelingt, diese an sich
löslichen Stoffe durch Auswaschen zu entfernen.
Diese Neigung kann sehr groß sein, wie bei den
isomorphen Stoffen, oder sehr klein, wie z. B. in
dem Einschluß des Wasserstoffes in elektrolytisch
hergestellten Metallen. In hohem Grade ist die
Adsorption bemerkbar bei den Erscheinungsformen,
die man feste Lösungen nennt. Als solche feste Lö-
sungen sind z. B. anzusprechen die Farbstoffe The-
nards Blau (Kobalt-Tonerde) oder Rinnmans
Grün (Kobalt-Zinkoxyd), wobei das Kobaltoxydul
im Zinkoxyd gelöst ist.

209
 
Annotationen