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nur die auf der Leipziger Messe ausstellenden Armen auf
Grund des Ausstellerabzeichens, nicht aber die Einkäufer
Auf eine wirksame Bekanntmachung der ganzen Einrichtung
wird das Meßamt Bedacht nehmen.

Sefprechungen

Zritz Schuhmacher, Baudirektor in Hamburg,

Grundlagen -er Haukunst. München, Lallwey Hy *9.

Der Verfasser nennt die Schrift „Studien zum Beruf des Ar-
chitekten". Seine Absicht ist, dem Anfänger, der daran geht,
sich dem Architekturberuf zu widmen, ein Geleitwort auf den
weg zu geben. -Reine praktische Einweisung in dem Sinn,
was er nun zuerst lernen solle und auf welche Fächer er sein
besonderes Studium verlege oder mit der Absicht, welche Seite
der vielen des Architekturberufes besonders einträglich sei,
sondern ein Geleit in dem unendlich höheren Sinn, mit welch
geistiger Anschauung der Lehrling an den Architektenberuf gehen
solle. D. h. eine Ermahnung von ethischer warte, die aus den
Tiefen eigener Erfahrung das künstlerische Wesen der Archi-
tektur gegenüber dem banalen Sinn des Großstadtgeschäftes
dem Anfänger als ersten und ewigsten Eindruck vermitteln will.
Das Buch eines Idealisten also? wenn man die Grundforderung
der Kunst, daß sie Steigerung und Wiedergeburt des Lebens-
gefühls sein müsse, als ein Ideal betrachtet, dann ja. Nicht aber
in dem Sinn, daß Schuhmacher irgendwelche Forderungen
stellte, die dem wirklichen Leben als Phantasie gegenüberstän-
den. Der Kern seiner Gedanken wächst aus einem arbeits-
reichen, tätigen Schaffen, der Hinblick auf das wirkliche und aus
dem wirklichen Mögliche und Erstrebenswerte ist die Grund-
achse seiner Gedankengänge. So ist sein Buch nicht bloß für
den Architekten, sondern in noch größerem Maß für den Kultur-
forscher eine Einführung.

Der Vptimismus des Schassenden wächst hier über Theorie
hinaus zu hoffnungsvoller Ermutigung. Keine kritische Aus-
einandersetzung mit Werken ernsten wollens, wenn sie auch
ganz fern seiner Bahn liegen, und keine naive Urteilslosigkeit
gegenüber der Vergangenheit stört den klaren Ton seines Vor-
trags. Das Gerüst seiner Ästhetik, wie es sich etwa im Kapitel
vom Stil ausspricht, umfaßt die ganze weite moderner Ge-
schichtsauffassung und bringt darüber hinaus fruchtbare neue
Gedanken.

Wahrhaftigkeit und Bescheidung verlangt Schuhmacher vom
Architekten. Wahrhaftigkeit des Werkes ist ihm nur denkbar
aus einer Gesinnung heraus, die dem werk konform ist. vor
dem Scheingestalten eines gefälligen Unternehmertums weiß
er ebenso zu warnen wie vor dem Oberflächenreiz der De-
generation. „Architektur und Eharakter" bildet für ihn eine
der wesentlichsten und am schlechtesten gepflegten Seiten des
Architektenberufes; seine Forderung nach ethischer Gesinnungs-
höhe und -Freiheit gehört zu dem Besten, was ein Architekt
je über seinen Beruf schrieb.

„Der junge Architekt, der sich zunächst als Handwerker fühlt
und von dieser Grundlage zur Kunst emporwächst, wird sich
meistens viel sicherer und glücklicher entwickeln, als derjenige,
der sich zunächst als Künstler fühlt und nun unsicher den Boden
seines Handwerks tastend suchen muß." (S. 42.)

Ernste Auffassung von der Arbeit, Pflege des Eigenen ohne
Übertreibung, wahres Erleben im Menschen und Scheu und
Scham vor allem vorgetäuschten, vermittelten, angehängten
Empfinden, das sind die stehenden Forderungen in allen Ka-
piteln. Die „Bildung" des Architekten soll keine angelernte

sein, die „Nationalität" kein Schlagwort, das Lernen keine
Formsache, die für das Examen gemacht wird: „man darf
nicht in Formen suchen, was den tiefsten Ausdruck wiedergeben
soll dessen, was wir sind. Formen sind höchstens eine Formel
dafür, nicht aber das eigentliche Leben. Das eigentliche Leben
liegt in etwas Geistigem, es beruht in einer Lharaktereigen-
schaft" (S. 66). Philosophisch ließe sich wohl über die Richtig-
keit des Satzes streiten, die Empirie der Kunstgeschichte gibt
dem Verfasser zweifellos recht, was führte unsere Kunst
rascher einem toten Punkte zu als die snobbistische Auffassung
von der überwiegenden Bedeutung der Form. Das sehnsüch-
tige verlangen aller, denen um Zeit und Kunst wirklich ernst
ist, nach Umkehr, Vertiefung, wird hier eindeutig ausgesprochen.
Seine eigenste Auffassung vom Wesen der Baukunst entwickelt
Schuhmacher in den Abschnitten „vom Hochschulstudium
— vom Entwerfen — vom Stil und Stilisieren — vom
Reisen". Er zeigt, wie der beginnende Architekt seine Augen
aufs Ganze richten soll, von der ersten Betrachtung des Grund-
risses an muß dem Schaffenden die künftige Form plastisch
klar werden, er muß „zweidimensional" und „dreidimensional"
denken lernen. Uber der Theorie muß die Wirklichkeit möglichst
früh an den Lernenden herantreten können. Der Lehrgang,
den Theodor Fischer in seiner Schrift „von deutscher Bau-
kunst" aufstellt, schwebt Schuhmacher als begehrenswertes
Ideal vor: Vorstufe im Hochschulstudium, Hauptstufe in der
Baustube des führenden Meisters und Vollendung durch
neuerliches Speziallernen.

Im Entwerfen liegt der Prozeß architektonischen Denkens.
Das Wesen der Architektur als Kunst muß dem Entwerfenden
klar werden. Nicht allein die „Zweckerfordernisse" in dem ge-
wöhnlichen Sinn des Nutzens, den das Werk gewähren soll,
sondern weitaus mehr in dem Sinn, der das Wesen des Werkes
ausmacht, „wohl wissen wir aus Erfahrung, daß werke der
Baukunst allerlei starke Empfindungen in uns zum Klingen
bringen können, aber worin diese Macht begründet liegt,
bleibt in den meisten Fällen dunkel." (S. 92.) „Der Rhythmus
der Massen, der Rhythmus der Flächen, der Rhythmus der Linien
löst, je nach der Art, wie sie der Künstler abgewogen hat, durch
Gleichklang oder Gegensatz jene Empfindüngen in uns aus,
die für den höheren Zweck, denen das Bauwerk dienen soll,
charakteristisch sind. ... wir sehen also, das erste und haupt-
sächlichste Mittel, mit dem die Architektur zu wirken vermag,
ist jenes Mittel, mit dem alle Kunst überhaupt wirkt: omnis
ars mnsica." (S. 96.) Also keine einseitigen Programmfor-
derungen, die dieses oder jenes Ideal der Vergangenheit oder
Aktualität angreifen. Schuhmachers Deduktion klingt so
einfach und überzeugend, daß man sich naiv fragt, warum hat
man nicht längst nach solchen Forderungen gebaut, weil man
den Künstler zu wenig in der Architektur beherzigte, d. h.
die künstlerische Person und Individualität, die aus innerstem
Zwange schafft, den Eigenen, der sich nicht durch Umschau
nach rückwärts oder seitwärts ablenken läßt. Schuhmacher
sieht in der-deutschen Stilretrospektive einen Trieb zur Wahr-
heit, zum ehrlichen Bedürfnis, sich mit fremden Größen ernst
auseinanderzusetzen. Mag sein; der Gesamtgeschichte entspräche
es eher, in unserem Nachempfinden fremder Dinge einen Aus-
fluß der sehr auf das Äußerlichen gestellte Kultur der letzten
Jahrhunderthälfte zu sehen. Das Zeitalter des Imperialismus
hat jedenfalls nicht mit dem hohen Sinn dem Wesen der Tek-
tonik gegenübergestanden wie der Autor des Buches, sonst
wäre die flüchtige Begehrlichkeit nach immer wiederholten
alten Effekten, dieses gänzliche Fehlen eines inneren, den Archi-
tekten speziell charakterisierenden Triebes nicht denkbar, wir

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