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haben jahrzehntelang Fassaden geschaffen voll schöner — ab-
gelauschter — Einzelheiten, Bauwerke voll künstlerischer Teil-
effekte, aber das Ganze blieb zusammengeleimt, weil nicht
Gestalter, Dichter, dahinterstanden, sondern Regisseure. Unsere
Schaubühne großen Stils hat jeden naturalistischen Eindruck
bis zum Letzten zu erhaschen und kopieren versucht; sollen wir
«ns da wundern, daß darüber der Stil bis auf die letzte Spur
verschwand. Der Lohengrin der lVagnerbühne in der „echt
silbernen" Rüstung, ist er nicht ein Symbol für die Gründer-
Hastigkeit unserer ganzen vergangenen Kunst des Imperalis-
mus?

Schuhmacher unterscheidet drei Stilauffassungen: Zeitstil,
Ulaterialstil, Geschmackstil. Das richtige Durchdringen dieser
drei Gattungen bedingt das Kunstwerk, die einseitige Be-
tonung einer Gattung das Effektwerk. Das Verhältnis zu
einer Stilgattung soll sich im Künstler nur insoweit aussprechen,
als diese des Künstlers persönliche Absicht zu umschreiben ver-
mag. Der Autor prüft eingehend das Gesetz des Stilisierens
und namentlich das daraus entspringende Verhältnis Plastik-
Architektur. Er betont das unglückliche Auseinanderstreben
der einzelnen Kunstgattungen in der Neuzeit. „Was aus ein-
fachen, die ganze Zeitepoche umklammernden Wurzeln früher
von selber ineinander herüberwuchs, wenn Baukünstler und
schmückender Künstler sich zu einer Arbeit verbanden, das
muß heute der Architekt mit feinem Stilgefühl künstlich zu-
sammenführen" (5.

vom Reisen des Architekten will Schuhmacher den künst-
lerischen Eindruck als Frucht und Erfolg. Er warnt vor dem
„Sammeln" von Motiven. Reisen soll das Blut des Schaffen-
den beleben, nicht seine Arbeit. Den Mühen des Werdenden
und den Verlockungen des Meisters sind die Kapitel „Von der
Praxis — vom Erfolg" gewidmet.

Das Buch Schuhmachers ist eines von den wenigen theore-
tischer Natur, die nicht nur die Literatur bereichern. Den
vollen wert seiner Erkenntnisse wird wohl erst eine spätere
Zeit richtig einschätzen, die den Wendepunkt architektonischen
Geschehens, unter dessen Zeichen Schuhmachers Schrift
erscheint, bereits überschritten hat. „Es ist ja ein Lieblingswort
der Dilettanten, daß über Geschmack und deshalb über Kunst
nicht zu disputieren ist; und zwar will man damit sagen, daß
deshalb nicht über sie zu disputieren ist, weil jede individuelle
Meinung gleiche Bedeutung besitzt. Dieser vielbeliebte Ge-
dankengang ist eine ebenso tiefe wie ungerechtfertigte herab-
setzung für die Kunst. Sie ist nicht der rechtlose Spielball belie-
bigen individuellen Empfindens, sondern sie trägt innere
Gesetze in sich, die ihren Erscheinungen absolute Werte, aber
auch absolute Unwerte verleiht, die unter Vorstehendem jeder-
zeit festgestellt werden können" (S. 445). Nur unter diesem
Programm läßt sich für die Architektur als Kunst eine Zukunft
erhoffen, deren Verheißung vielleicht schon nahe liegt.

6ans Karlinger.

Ver Orientteppich in Geschichte, Kunstgewerbe und Handel.

Studien an Hand der Sammlung E. Meyer-Müller in Zürich,
von Earl Meyer-Pünter, persischem Konsul. Zürich
4947. Druck und Verlag Kunstanstalt P. Bender, Zollikon-
Zürich. 4S Photochromie-Kunstblätter und 88 Seiten. Geb.
M. 8.—.

Ein Fachmann hat dies kleine, praktische Handbuch verfaßt,
das nicht nur einen kurzen Überblick über die Geschichte und
die Arten der Grient-, vor allem der persischen Teppiche
gibt, sondern auch reiche Aufklärung in kurzen Angaben über
die technischen und handelswirtschaftlichen Eigenschaften ver-
mittelt. Wenn auch die Angaben nicht erschöpfend sind,

noch sein wollen, so geben sie doch einen Einblick in die
typischen Unterscheidungen dieses weiten und bisher über die
engsten Fachkreise hinaus wenig begrifflich erfaßten Gebietes.
Infolgedessen wird dieses Handbuch, das ausschließlich aus-
erlesene Exemplare einer selten guten Privatsammlung vor-
führt, wohl manchem Liebhaber und Sammler alter Teppiche
willkommen sein. Um so mehr wird es seinen Zweck erfüllen,
als die beigegebenen Farbtafeln in ausgezeichneter Ausfüh-
rung die wirklich verblüffend echten Wiedergaben der zahl-
reichen Nüancen sind. Somit kann man dies Büchlein an-
gelegentlichst als Grientierung und Nachschlagebuch gerade
im praktischen Gebrauche empfehlen. Dr. G. L.

Gerichte aus Sem Knopfmuseum Heinrich Waldes. Samm-
lung von Kleiderverschlüssen. Zahrg. II. Red. Zesek hof-
man. Prag-Wrschowitz

Scheinbar eine Kuriositätensammlung eines Sonderlings, hat
sich das Knopfmuseum durch die methodische und wissen-
schaftliche Führung als eine bedeutungsvolle Einrichtung
eines Spezialgebietes weiterentwickelt. Man beschränkt sich
nicht mehr auf den Knopf, sondern betrachtet die Kleider-
verschlüsse an sich in ihrer technischen, trachtenkundlichen wie
kunstgewerblichen Bedeutung. Zn der ganzen Anlage hat
man einen überraschenden hohen Standpunkt der musealen
Methode gewonnen, die alle technischen wie bibliographischen
Hilfsmittel zu den speziellen Zwecken heranzieht. Die Auf-
sätze, die von anerkannten Fachleuten, wie Forrer, hofman,
Zirik, Starcke, Lscherich, Anzinger, Feldhaus, Schulze, Zibot
u. a. geschrieben sind, behandeln das weitausgedehnte Gebiet
mit einer überraschenden Vielseitigkeit, die nicht einen klein-
lichen Dilettantismus aufkommen läßt, sondern dieses spezielle
Gebiet mit den verschiedensten Zweigen der wissenschaftlichen
Forschung in einen tieferen Zusammenhang bringt. Es ist
geradezu überraschend, was aus einem solch nebensächlichen
Gebiet bei einem eindringenden System herauszuholen ist,
sowohl für die reine Forschung wie auch in technischen und
praktischen Anregungen. Infolgedessen sind diese Berichte
für die Bibliotheken von kunstgewerblichen wie polytech-
nischen Vereinen, wie selbstverständlich für alle Museen von
Bedeutung. Or. Gg. Lill.

Vorträge

Dt-. K. peltzer, über Hubert Gerhard.

Seit Paul Rees Buch über Pieter Landid ((,885) galt dieser
Hofmaler des Kurfürsten Maximilian zu Unrecht auch als
der Urheber der vielen herrlichen Bronzen, die die Residenz
und die Kirchen Münchens zieren, vr. R. A. peltzer stellte
demgegenüber in einem am 4. Februar gehaltenen Vortrag
an der Hand von zahlreichen Lichtbildern den Holländer
Hubert Gerhard wieder an den ihm gebührenden Platz. Ger-
hard führte jenen florentinisch-niederländischen Stil in der
süddeutschen Plastik ein, dem wir so zahlreiche prächtige Bron-
zen in München und Augsburg verdanken. Nicht nur der
plastische Schmuck der Michaelskirche samt dem Erzengel
Michael an der Fassade stammt von seiner Hand, sondern
auch die großen Brunnenanlagen der Residenz und vieles
andere. Peltzer wies nach, daß auch die vielbewunderte Marien-
statue auf dem Marienplatz auf Gerhard zurückgehen muß.
Der Künstler starb {620. Zn seiner letzten Lebenszeit war er
in Diensten des Erzherzogs Maximilian in Innsbruck tätig.
Dort ersetzte ihn Kaspar Gras, der Schöpfer des Leopold-
brunnens, während als sein Nachfolger in München der Weil-

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