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Sitzungssaal der Schweiz. Bundesbahnen in St. Gallen. Nischenbemalung. A»g. Brande; ,9*3.

klungene Welt des „deutschen Pompejis der Re-
naissance" mit seinen klassischen wand- und Fas-
sadenrnalereien von pans Burgkmaier, Jörg preu
d. I., pans Rottenhammer, Giulio Licinio (S. 5 h),
Friedrich Sustris, Mathias Kager, I. G. Berg-
miller, I. polzer u. a. Seine teilweise original-
großen Farbenkopien, ein kostbarer Schatz auch für
kornrnende Zeiten, sind zuin Teil in Augsburg,
zuin Teil in der Architektursammlung der Münchener-
Technischen pochschule aufbewahrt.

Der Gewinn für das eigene Schaffen war aber
schließlich der bedeutendere. Zwei große Lehren

— abgesehen von der technischen Vervollkommnung

— haben sich seitdem dem Künstler unauslöschlich
eingeprägt. Einmal die klare architektonische Glie-
derung einer einmal gegebenen Baumasse, die
teils zusammenfassend, teils auflösend, oder auch
der gegebenen Architekturfläche sich anschließend
oder sie raumillusionistisch ergänzend Vorgehen
muß. Die andere bestand in der Erkenntnis, daß
man nicht irgendwelche allegorischen und orna-
mentalen Dekorationen hinnehmen dürfe, sondern
daß es wesentlich darauf ankomme, den boden-
ständigen Lharakter und die lokalen Beziehungen
aufrecht zu erhalten. Line Malerei, die dem ganzen
Volke gehören soll, noch in ganz anderem Sinne,
als in dem heute einseitig betonten Museumsstand-
punkt, kann nur populär auch für den „gemeinen
Mann" werden, wenn sie die zahlreichen Erinne-

rungen einer großen Vergangenheit, sei es der
Stadt oder des pauses, aufnimmt, Erinnerungen,
die trotz der nivellierenden Gberflächlichkeitskultnr
der Neuzeit in den: gesunden, autochthonen Teile
gerade unserer süddeutschen Stadtbevölkerung noch
viel tiefer wurzeln, als mancher glaubt. Es mag
sein, daß verbissene Anhänger der Part pour Part-
Kunst über diesen „rückständigen" Standpunkt
lächelnd die Achseln zucken werden. Trotzdem
mögen sie sich's gesagtsein lassen, daß diö rein ästhe-
tische Richtung der Kunst der oberen Zehntausend
immer mehr der Vergangenheit angehören wird
und eine zukunftsweisende jüngere Richtung aus
sich, wie von den Strömungen einer neuen Zeit
gezwungen, das Kunstwerk wieder vielmehr in die
Solidarität einer Volks- und Kulturgemeinschaft
stellen wird, aus der jeglicher schöpfen kann.
Nachdem Brandes im Jahre ty05 das Moschelhaus
am Gbstmarkt zu Augsburg und t906 das paus
zum „großen Käfig" in Schaffhausen renoviert
hatte, kam er allmählich zu selbständigeren Auf-
gaben. Für das Rathaus zu Friedrichshafen fertigte
er tgo? den reich bewegten Fries heimischer Bauern,
Ritter, Bürger, pandwerker, Schiffer und pandels-
treibender, die dem Wappen König Friedrichs von
Württemberg ihre puldigung darbringen (S. 52
bis 55), ein Zug, in dem sich Realität und Phan-
tasie zu einem festlich frohen Zusammenklang
vereinigen, war er hier noch auf den menschlichen

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