Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
an die Gegenwart und an die von den Baukünst-
lern gestellten Aufgaben kann dadurch nicht ent-
sprochen werden. Sollte es jemandem einfallen,
den wert der Schulen, beispielsweise der Kunst-
gewerbeschulen, rechnerisch beweisen zu wollen,
so würde dies, wenn rnan das Ergebnis der Schule
in Einblick auf ganz begabte Schüler, die in ihrem
Leben tüchtige Meister werden, betrachtet, ein sehr
ungünstiges Resultat ergeben. Kunsterziehungs-
fragen müssen aber doch selbstverständlich auch
volkswirtschaftlich behandelt werden, wenn man
nur annimmt, daß 5 besonders tüchtigeKunstgewerb-
ler einer großen Kunstgewerbeschule im Zahre
die Schule verlassen, so wären das in jo Jahren
50 Meister, wo sind gegenwärtig diese hervor-
ragenden Leute? Dann entsteht die Frage: was
kostet ein derartiger Schüler, bis er er-
zogen ist, dem Staate, wenn man von der
Masse der anderen Schüler absieht, die besser im
einfachen Handwerk geblieben wären? Mindestens
hunderttausend Mark betragen die Erziehungs-
kosten für einen dieser Begabten. Der Standpunkt,
daß sich die Schule schon bezahlt macht, wenn auch
nur ein ganz genialer Mensch herauskommt, wäre
irrig, weil sich dieser Große auch ohne Schule ent-
wickelt hätte. l

Dieser volkswirtschaftliche Standpunkt ist mit von
ausschlaggebender Bedeutung, der Staat will
durch diese Schulen, für die er große Mittel gibt,
steuerkräftige Bürger heranziehen, die im höchsten
Maße imstande sind, Rohstoffe zu veredeln und
werte zu erzeugen, die Eltern wollen, daß die
großen Rosten, die eine langjährige Erziehung
verursacht, endlich eine Ernte ergeben, und die
jungen Leute erhoffen sich eine schöne und be-
friedigende Berufstätigkeit. Schließlich aber gibt
es nur Enttäuschungen: Der Staat erzielt den
erhofften Gewinn nur aus einem ganz kleinen
Rreise von Bürgern, die Eltern sehen oft genug
zu spät ein, daß der Sohn entweder den Beruf
wechseln oder in einer ganz untergeordneten
Stellung Unterkommen muß, die auf einfachere
weise ohne diesen Zeit- und Geldaufwand zu
erreichen gewesen wäre, und der junge Mann sieht
seine besten Zugendjahre, die er zur Ausbildung
in einem anderen Berufe nützlicher hätte verwen-
den können, verbraucht, vielfach ist er auch ver-
bildet und hat alle möglichen unfruchtbaren Zdeen
im Ropfe, die sich nie verwirklichen.

Unserer Hände Arbeit ist nach dem Zusammen-
bruche unseres Vaterlandes nun die einzige Hoff-
nung geworden; die Heranwachsende Zugend ist
unser Rapital und deshalb müssen wir darüber

Nachdenken, welche Umwege zu vermeiden sind,
um bald eine glückliche Ernte auf dem Gebiete
der Arbeit zu erzielen.

Die Kraft Deutschlands auf kunstgewerblichem Ge-
biete bei dem Wettbewerbe auf dem Weltmärkte
besteht ferner nicht darin, Allerweltswaren zu
schaffen, sondern Gegenstände hervorzubringen,
die eine deutsche Eigenart haben. Die Uni-
formierung der Runstgewerbeschulen führt aber
dahin, daß die Leistungen der Schulen stilistisch
sich untereinander sowie den Arbeiten anderer
Länder vollständig gleichen. Das Lokalkolorit,
welches die alte Kunst auszeichnete und begehrens-
wert machte, ist auch heute noch eine zugkräftige
Eigenschaft in künstlerischer und kaufmännischer
Hinsicht, wenn es entsprechend gepflegt wird. Der
Zentralisation, wie sie in Frankreich nicht zum Nutzen
des Landes von Paris aus stattfindet, sollte die
Dezentralisation, die Deutschland besonders auf
dem Gebiete der Kunst auszeichnet, entgegen-
gesetzt bleiben; die einzelnen Kunstzentren sollten
sich bemühen, das Bodenständige auch im Stil-
charakter aufrecht zu erhalten.

was die Akademien betrifft, so ist auch dort das
rudelweise Erziehen üblich. Deren Schüler be-
sitzen aber meist schon ein festes wollen und ein
paar hervorragend Begabte ziehen die anderen
mit. Dieses Spiel dauert aber nur solange, als der
Meister Zugkraft hat, dann sinken diese Klassen
wieder in ein Schattenleben zurück, vom Hand-
werklichen in der Kunst ist auch in den Akademien
leider wenig die Rede, wie wichtig aber dieses
Können für die Ausübung der Kunst ist, erkennen
wir aus der Tatsache, daß Dürers Stiche (ich er-
innere hier nur an die Melancholie) wohl nicht
die wundervolle Durchführung zeigen würden,
wenn der junge Dürer nicht monatelang als Gold-
schmiedlehrling in Metall graviert hätte. Das
„märchenhafte handwerkliche Können", das jetzt
bei Grünewald bewundert wird und auch Dürer
und allen alten Meistern eigen ist, wurde nicht
in Akademien erworben, sondern wuchs aus der
handwerklichen Erziehungsweise: aus der Werk-
statt heraus, wäre es im einfachen Handwerk,
z. B. im Bäckergewerbe, tunlich, die Lehrlinge
schulmäßig und rudelweise zu erziehen? Zch meine,
auch hierüber müßte man erst einen Bäckermeister
hören. Erst recht müßten sich Bedenken einstellen,
wenn diese Massenerziehung auf ein Handwerk
übertragen wird, das einen Rohstoff wertvoll zu
machen hat. Sehr deutlich ist dies aus den Mängeln
des Fachschulbetriebes zu ersehen.

64
 
Annotationen