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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 72.1922

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Roth, Eugen: Das Ausstellungsjahr 1922: die Lebensäusserung eines besiegten Volkes
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https://doi.org/10.11588/diglit.8623#0035
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Wenn wir uns so zunächst mit dem Stilistischen der
Deutschen Gewerbeschau beschäftigen, so liegt dies
daran, daß dieses Formale von der Ausstellungsleitung
in den Vordergrund der Bestrebungen gerückt worden
ist, denen die Deutsche Gewerbeschau zu dienen hat.
Darüber darf sich der behagliche Philister, wie der ins-
besondere, der an ererbten Formen in ehrlichster Qber-
zeugung festhält,
nicht täuschen, daß
durch die Deutsche
Gewerbeschau, d.
h. das auf ihr zum
Sieg gebrachte ex«

pressionistische
Formelement eine
gründliche Erneu-
erungunsrerkünf-
tigenFormenspra--
che angebahnt und
vorbereitet wird.
Und das Prinzip,
das nach unserer
Überzeugungaller*
dings nur in einem
ganz verschwin-
denden Bruchteil
der ausgestellten
Werke ü b e r --
zeugend zur
Auswirkung ge-
langt, ist unseres
Erachtens richtig
und in nichts an-
fechtbar: Wie un-
sere Wissenschaft,
ebenso durdi die
spekulative Philo*
sophie, wie ande-
rerseits durch die
Fortschritte der
Naturwissenschaft
genährt, in aller
Einzelerscheinung
das Ding an sich,

den Begriff sieht — und mag er für die Sinne noch so
verborgen sein, wie das Knochengerippe durch das
Fleisch — so will auch die moderne Kunst unter Verzicht
auf alle spielerische Einzelheit, auf das unwesentliche
Detail, das Wesentliche mit ein paar kräftigen Formen
wiedergeben. Während alle, auf das Romanische foU
genden Stilperioden mehr die augenbliddiche Stimmung,
wie sie sich oft viel mehr imDetail, als im Ganzen äußert,

ELSE JASKOLLA-MQNCHEN

treffen wolllte, die die Erscheinungswelt auf den Be-
obachter macht, so sucht der Expressionismus, wie
einst die romanische Betrachtungsweise, den Eindruck
so wiederzugeben, wie er den Künstler zum Wesent-
liehen angeregt und er dies in knappster Form zum
Ausdruck bringt. Die Frage ist nur die, ob es dem
Künstler gelingt, sich so tief in das darzustellende Ob-

jekt hineinzufüh -
len, zum eigenen
Erlebnis vorzu-
dringen, die ent-
sprechende durch
den Expressionist
mus vorgezeich-
nete Form zu in-
dividualisieren, so
daß der Betrachter
nicht etwa durch
die offenkundige
Nachempfindung
abgestoßen, son-
dem durch eine
ebenso offensicht-
liehe Eigenempfin-
dung gehoben und
überzeugt wird.
Es war nicht leicht,
aus der Fülle der
Objekte ein paar
typische Erschei-
nungen für diese
beiden Gruppen
herauszuwählen
und rechtzeitig zur
Wiedergabe vor-
zubereiten. Na-
mentlich ist das,
was dem objekti-
ven Beobachterais
Eigen empfindung
ohne weiteres ein-
leuchtet, verblüff
Meßgewand (Deutsdie Gewerbeschau) fend gering. Um

aber gerade die-

sein Wesentlichen der Deutsdien Gewerbeschau, so»
weit das stilistische Moment in Betracht kommt, ge-
recht zu werden, haben wir zunächst einige markante
Gegenstände aus jenen frühen Periodenzur Abbildung
gebracht. Aus ihnen wird besser ersichtlich, was wir
unter Eigenempfindung einer primitiven und auf das
Wesentliche beschränkten Formensprache verstehen,
als es die beredtesten Worte vermöchten. Ihnen gegen^

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