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Württemberg erinnert. Durch das ganze Mittelalter
ziehen sich Meisterwerke auf diesem Gebiet und zwar
mit der Regelmäßigkeit und dem Kunstsinn, wie die al!-
gemeine Stilentwicklung erwarten läßt. Als die über-
aus artifizielle Kunst der Gotik ihre ungemein feim
gegliederten Aufbauten
von Altären, Sakraments-
häuschen komponierte, da
wurden auch die Krön»
leuchter,vor allem dieEwi-
gen Lichte in dieses Sy-
stem einbezogen. In allen
Arbeiten verband sich
Zweck u. Deckor zu einer
völligen Harmonie. Die
Träger der Kerzen waren
stets so angebracht u. ein*
komponiert, daß sie weder
arrogant aus dem Ganzen
heraustraten, noch ihren
Zwed<, zu leuchten, unge-
nau erfüllten. Aus der un-
endlichen Masse von Mo-
tiven schöpften dann die
Künstler,dieseitderFrülv
zeit der Renaissance auch
dem weltlichen Haus alle
jenen künstlerischen Reidv
tum eroberten, der im frü-
hen Mittelalter eigentlich
nur dem Gotteshaus oder
höchstens noch den Ver»
sammlungsräumen der ir*
dischen Macht auf Erden
vorbehalten war. Es ist
gar nicht möglich, auch nur
ein annäherndes Bild von
der Mannigfaltigkeit der
Formen, angefangen vom
einfachen Stehleuchter bis
zum prachtstrotzenden
Hängekörper, zu geben.
Ein Beispiel möge neben»
stehend wenigstens e i n
solches Motiv zeigen.

Mit dem Aufkommen der venezianischen Glasin»
dustrie trat das Glas als weiterer und überaus belieb-
ter Stoff zu den bisherigen: Edelmetall, Kupfer, Holz,
hinzu. Das Glas besaß noch ungleich mehr als der Glanz
des Metalls, die Fähigkeit, das Licht widerspiegeln zu
lassen. In tausend glitzernden Strahlen, die wie kleine
Schelme im Lüster ihr Unwesen trieben, flutete das

LEUCHTER <16. Jahrhundert)

Licht auf Wände und Böden. Es ist wie wenn ein
unbändig eigenes Leben in einen solchen Glaslüster
eingezogen wäre. Kein Wunder, daß sich die Pracht»
Schlösser der glanzliebenden Dynasten und vor allem
der Herrscher im Stile des Sonnenkönigs, der seinen

Beinamen auch in diesem
Punkte alle Ehre machte,
geradedieseüppigeQuelle
den Glanz zu erhöhen, bis
ins Fantastische zu über»
steigern, nicht entgehen
ließen. Das 17. u. 18. Jahr«
hundert weist dafür eine
nicht geringe Anzahl von
Beispielen auf. Auch in
neuerer Zeit, in der das
elektrische Licht andere
Gestaltungsmöglichkeiten
geschaffen hat, greift man
wieder auf den Prachtlü»
ster aus Glas zurück. Na»
mentlich Böhmen, das alte
Land der Glasindustrie,
versucht sich mit vielem
Glüdc und hervorragen»
der Technik auf diesem
Gebiete. Wir haben zu»
nächst einen Prunklüster
abgebildet, der neben der
Unterstützung des Lichts
vor allem auch durch eine
starke Form und eine ge»
wisse Selbständigkeit im
Aufbau wirken will. Die»
ser Stil ist auch mit Ge»
schick und mit „strahlen»
der Wirkung" auf Steh»
lampen angewendet. Ein
ganz besonders schönes
Werk dieser Werkstätten
von Elias Palme in Steim
Schönau ist der Tropfen»
lüster, wie ich ihn nennen
möchte.Von edelsterForm
und harmonischer Arehi»
tektonik gleicht er einer sprühenden Fontäne, die ihren
leuchtenden Gischt in unendlich viel Tropfen und Tröpf-
chen vor dem erstaunten Auge des Beschauers aufstrah»
len läßt. Ein glänzendes Feuerwerk, ein Zaubergarten
und Märdienwaid von Licht! Doch der bescheidene Bür-
ger versäumte nicht den Anschluß an die Entwicklung
aller Möglichkeiten, auch seinem Heim in den kleineren

Bayer. Nationalmuseum

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