Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
beschäftigt. Der größte Feind des alten Steinzeuges ist das Email»
gesdiirr, eins der kältesten und häßlichsten Materialien, das aber
unverwüstlich ist. Der Bauer ist aber praktisch und zieht es dem
zerbrechlichen Steinzeug vor. Da zudem die Bauerntöpfer ihre
bis zum Kriege lächerlich geringen Preise heraufsetzen mußten,
stockt der Absatz. So lustig es aussieht, wenn die Töpferscheibe
sich dreht und der Lehmklumpen unter dem leisen Druck der
Finger Form gewinnt, so lustig ist es, zuzusehen, wie das „Mal»
hörnchen" Blumen, Ornamente und Sprüche auf die Schüssel tropft,
ist es doch kein leichtes Handwerk,- es erfordert große Geschick»
lichkeit und Geduld. Und oftmals macht ein Zufall beim Brennen
wochenlange Arbeit zunichte. Im Hessenland, wo die Bauern»
töpferei von jeher in Flor stand, sitzen noch heute die Nadikom»
men uralter Töpfergeschlechter und arbeiten in der alten Weise,
aber nicht mit dem alten Erfolg. Vielfach sind es nur noch ganz
alte Leute, die neben ihrer kleinen Landwirtschaft ab und zu den
Brennofen heizen,- junge Füße treten in den seltensten Fällen die
Töpferscheibe, so daß in etwa 30 Jahren die hessische Bauern»
töpferei sehr wahrscheinlich der Vergangenheit angehören wird.
Um das Verständnis weitester Kreise für die hessische Bauern»
töpferei rege zu machen, ist vomFrankfurterKunstgewerbemuseum
eine Ausstellung „Hessische Keramik"zusammengebracht worden,
in der die Bauerntöpfereien den Hauptraum einnehmen und die
im Sommer auf der Deutschen Gewerbeschau in München gezeigt
wurde.

Deutschland und die Pariser Kunstgewerbeausstellung
1924. Kurz vor Schluß der Deutschen Gewerbeschau erschienen
französische Gäste auf unserem Ausstellungshügel: der Chef»
architekt der in Paris für das Jahr 1924 geplanten Kunstgewerbe»
ausstellung und Herr Leon Deshairs, Konservator der Bibliothek
des Pariser Kunstgewerbemuseums. Die Franzosen waren nach
München gekommen, um die Organisation der Gewerbeschau zu
studieren. Sie hielten mit ihrer lebhaften Anerkennung über das
in München Geleistete nicht zurück und erklärten, daß sie nach
verschiedenen Richtungen wertvolle Anregungen für das Pariser
Unternehmen gewonnen hätten. Namentlich wird man in Paris
anscheinend die allerdings besonders sorgfältig ausgearbeiteten
Münchener Ausstellungsbestimmungen übernehmen.— Inzwischen
ist nun bekannt geworden, daß die Leitung der internationalen Ver»
anstaltung zu Paris auch auf die Teilnahme des deutschen Kunst»
gewerbes rechnet. Wir haben in Deutschland — schreibt die Voss.
Ztg. — den sonderbaren Meinungsaustausch in der französischen
Öffentlichkeit, ob Deutschland eingeladen werden soll oder nicht,
mit kühler Verwunderung verfolgt. 1924 werden sechs Jahre seit
Beendigung des Krieges verstrichen sein — für den Gedanken,
daß die Völker dann immer noch sich mit haßverzerrten Gesich»
tern gegenüberstehen sollten, hat man im geistigen Deutschland
kein Verständnis. Im übrigen: ohne daß wir im geringsten in den
früher oft geübten Fehler zurückfallen wollen, uns auf allen Ge»
bieten „führend" zu glauben — eine wirklich internationale Welt»
ausstellung der angewandten Künste ohne Deutschland wäre
natürlich immer nur ein Fragment. Aber auch wir selbst haben
ein lebhaftes Interesse daran, in zwei Jahren in Paris vertreten zu
sein, und es wird wohl kaum eine Stimme des Zweifels laut werden,
daß wir die Einladung, wenn sie offiziell erfolgt, auch offiziell an»
nehmen und dann freilich alle Energien daran setzen müssen, um
unsere Beteiligung so gründlich, so solide und mit so reifem Be»
dacht wie nur irgend möglich vorzubereiten. — Die Seemannsche
„Kunstchronik" hat nun eine Rundfrage veranstaltet, aus deren
Ergebnis hervorgeht, daß die meisten Künstler für die Beschickung
eintreten. Nur zwei haben sich schroff ablehnend verhalten. Der
Direktor der Dresdener Kunstgewerbe»Akademie Prof. Groß

schreibt: „So lange die Herren Franzosen noch glauben, auf irgend»
welchen sonstigen internationalen Kongressen oder Ausstellungen
die Deutschen ausschließen zu können, ist für uns eine Beteiligung
an obiger Ausstellung grundsätzlich zu verwerfen", und der Prä»
sident der Münchener Gewerbeschau, Prof. Scharvogel, erklärt
kurz: „So lange noch ein Franzose am Rhein steht, kann von
einer Beteiligung Deutscher an einer französischen Ausstellung
überhaupt nicht die Rede sein." Die meisten und bekanntesten
Persönlichkeiten aber treten warm für eine Beteiligung ein. So
meint Peter Behrens: „Es ist die Frage, ob der moderne deut»
sehe Geschmack in Frankreich Anerkennung findet,- da aber die
Ausstellung nicht nur für die Pariser, sondern ein internationaler
Wettbewerb ist, ist dieser Punkt ohne Belang. Jedenfalls ist aber
— und hierauf kommt es mir am meisten an — ein geistigerWett»

KARL MIDANER Ziehlampe <Schirm weinrot)

Ausführung kunstgewerbliche Werkstätten C. Winhart Cic., München

Kunst und Handwerk. Jahrgg. 1922. 4. Vierteljahrsheft

57

2
 
Annotationen