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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Über die Ziele des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0004
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lehnen das Gegenteil davon ab, nämlidi jede auf dem
Wege über das Atelier ins Handwerk gelangende ,von
auswärts importierte Kunstrichtung, die nicht von innen
heraus entsteht. Das schließt keinesfalls aus, daß die
Münchner Kunstentwicklung mit der Zeit geht, aber
nicht auf Kosten ihrer Art und nicht so, daß sie sich
dabei ins Schlepptau anderer nehmen läßt.

Der Bayerische Kunstgewerbe »Verein will also
weder alte noch neue sondern gute Kunst fördern,
Kunst schlechthin und will dem Kunstgewerbe seine
freie bodenständige Entwicklung sichern, wie ein guter
Mäcen den Künstler fördert, ohne ihm darüber Bedin»
gungen aufzuerlegen, in welcher Richtung er schaffen
soll, nur — Künstler muß er sein! Die bald 75jährige
Geschichte des Vereins, die künstlerische Entwicklungs-
perioden aller Art überdauert hat, bestärkt uns in der
Überzeugung, daß wir auf dem rechten Wege sind,
daß wir nicht rückständig sind, vielmehr uns gerade
von jeder Engherzigkeit frei halten und auf das große
Ziel hinarbeiten.

Diese Worte bedürfen keiner Erläuterung oder
Auslegung. Es erübrigt nur eine andere bedeutungs»
volle Kundgebungdamitin Zusammenhangzubringen,
die wenige Tage später durch Geheimrat Theodor
Fischer anläßlich einer Tagung der Freunde der Tech»
nischen Hochschule München erfolgte. Selten ist mit
solcher Klarheit hervorgehoben worden, wie sehr
unsere Zeit unter der Zurückstellung des Könnens
hinter das Wissen leidet und wie bitter Not uns eine
Hebung des Könnens ist. „Wissen kann untergehn, es
wird aus den Büchern wiedererstehen, Können kann
nur von Mensch zu Mensch weitervermittelt und
wiedergeboren werden. Ohne stete Übung bricht es
ab, versinkt in den Abgrund. Ohne Können gedeiht

kein Volk" und auch Theodor Fischer stellt es fest
daß das Können „national, ja regional bedingt", bo»
denständig ist.

Aber nicht als Eideshelfer setzen wir diese weithin
leuditenden Sätze hierher, um was es sich beim Nach»
weis dieser Zusammenklänge handelt ist etwas anderes.
Man hat zu viel Intellekt und zu viel Organisation in
die Kunst, besonders das Kunstgewerbe hineingetra»
gen. Es leidet unter diesen Fremdkörpern, die zer»
setzend wirken. Viele bestechende Verstandesideen
haben sich vom Boden des Könnens so weit entfernt,
daß sie nur nutzlosen Kraftaufwand und Enttäuschung
bringen konnten. Nidit um Bekenntnisse, Weltan»
schauungen Herausstellen von Begriffen handelt es
sich beim Kunstgewerbe, sondern einfach um das Kön»
neu und alle Verbrämung mit anderen Leitgedanken
ist Verschleierung.

Wenn die deutsche Werkkunst gedeihen soll, muß
sie ihr Können bodenständig entwickeln. Der Ver»
such die regional bedingte Gruppenbildung im Kunst»
gewerbe Deutschlands durah Vereinigungs» und Ab»
gleichungsideen auszuschalten ist ein unfruchtbares
Beginnen. Immer wieder wird die Notwendigkeit, daß
sich die Organisationsform den gegebenen Verhältnis»
sen anpaßt, sich durchsetzen und die Unmöglichkeit des
umgekehrten Weges zu Tage treten. Kunst verträgt
keinen Zentralismus, er fördert nur die Anpassungs-
fähigen, nicht die Starken. Die Organisationen des
Kunstgewerbes müssen also mehr regionale als weit»
umspannende sein und wenn für kaufmännische und
technische Zwecke weitere Zusammenschlüsse, etwa
innerhalb des Reichs, sich erforderlich erweisen, dann
dürfen sich diese in künstlerische Dinge nicht einmischen,
sollen sich vielmehr auf das Geschäftliche besdiränken.

ELSBETH ALTHEIMER

Farbig gestickter Wandbehang. Wolle auf Filz
 
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