I
Amuns und insbesondere an dem alabasternen Prunk-
bedier des Königs, dessen Henkel in so vollendeter
Form gehalten sind, daß dieDurdibildung des von der
Natur Gesehenen in der Seelenwerkstatt des Künst-
lers fast greifbar vor Augen tritt. An dieser Rüddehne
wird auch am besten
ersichtlich, wie sich der
Ägypter dieVerbin*
dungdesDreidimen*
sionalen, des Kör«
pers mit der Fläche
vorgestellt hat. Ein
weiteres Geheimnis
des gewaltigen Ein«
druckes des ägypti«
sehen Kunstgewer«
bes liegt in dem präeta
tigen Wohllaut der
Symmetrie. Das hat
die Kunst des Empis
res, die ja nichts an«
deres als eine Reak«
tion gegen die Kunst
des Asymmetrischen
als Prinzips des
Barock und Rokoko
ist, besonders stark
und vielleicht etwas
überbetontzumAus;
drud< gebracht. Die
Rüddehne des zwei«
ten Thronsessels,
vielleicht des Sessels
der Königin, beweist
dies aufs beste. Die
Achse derRüddehne
scheidet das Rechts
und Links in zwei
gleich eHemisphären:
im Endpunkt ist die
geflügelte Sonne.
Auf der Achse kniet
auf Schriftzeichen
„Gold" derGott der
Ewigkeit Heh. Er
allein ist trotz seiner streng stilisierten Darstellung
nicht nach beiden Seiten hin gleichmäßig symmetrisch.
In dem Gegensatz der asymmetrischen Achse zu den
harmonischen Parallelen derSeiten liegt derganz eigen«
tümliche Reiz dieses wundervollen Meisterwerkes. Der
Stuhl selbst ist aus feinstem Zedernholz geschnitzt, die
Füße endigen in Löwenklauen aus Elfenbein, die auf
STÖCKE UND PEITSCHEN
mit verzierten Griffen in Goldschmiedearbeit
Der erste Stock links ist aus Go'd, der zweite Elfenbeinschnitzerei, der dritte mit au£
gelöteten Goldkügetchen, die beiden anderen Holz und reich vergoldet.
Untersätzen ruhen, die mit Bronze und Gold besddagen
sind. Der Gott Heh hat in seinen Händen die Sinnbilder
„Hunderttausendjahre",dieaufden prächtigen Schrift*
tafeln ruhen. Die Bilderschrift der Ägypter ist ja allein
schon eine fast unerschöpfliche Fundgrube reichster
ornamentaler Ent«
faltung. Eine Fülle
vonAnregungen für
dekorative Malerei
bietet die Ansicht der
Truhe mit Jagd«
szenen. An vielen
Holz*undElfenbein*
kästchen dieunüber«
sehbare Menge der
Goldschmiedearbei*
ten, alles ebenso
wuchtig im Stil wie
besonders im Orna-
ment. Das Buch wird
noch lange die For-
mensund Ideenquelle
für die Entwicklung
des Kunstgewerbes
sein, nicht im Sinne
einer öden Kopie,
sondern der An«
regung.,,DieEinbil«
dungskraft versagt
bei dem Gedanken,
was das Grab alles
noch enthüllen mag,
denn die in diesem
Buche aufgeführten
Fundstücke stellen
nur ein Viertel und
wahrscheinlich das am
wenigsten wichtige,
der Schätze dar, die
es enthält". Es ist
also, wie gesagt, noch
gar nicht abzusehen,
welch gewaltigen
Einfluß Tut = eneh«
Amun haben wird.
Was bis jetzt gefunden worden, ist allein schon eine
ganz neue Welt und würde auf lange hinreichen, das
Kunstgewerbe stark zu beeinflußen,- und das soll erst
ein Viertel und noch nicht einmal das wichtigste Viertel
sein! Was wird uns darnadi an Gewaltigstem, Wert«
vollstem, in Form wie auch Materialbehandlung und
Schönstem noch bevorstehen ! —seh—
Aus „H. Carter und A. C. Mace, Tut-
ench-Amun", Leipzig, F. A Brockhaus
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Amuns und insbesondere an dem alabasternen Prunk-
bedier des Königs, dessen Henkel in so vollendeter
Form gehalten sind, daß dieDurdibildung des von der
Natur Gesehenen in der Seelenwerkstatt des Künst-
lers fast greifbar vor Augen tritt. An dieser Rüddehne
wird auch am besten
ersichtlich, wie sich der
Ägypter dieVerbin*
dungdesDreidimen*
sionalen, des Kör«
pers mit der Fläche
vorgestellt hat. Ein
weiteres Geheimnis
des gewaltigen Ein«
druckes des ägypti«
sehen Kunstgewer«
bes liegt in dem präeta
tigen Wohllaut der
Symmetrie. Das hat
die Kunst des Empis
res, die ja nichts an«
deres als eine Reak«
tion gegen die Kunst
des Asymmetrischen
als Prinzips des
Barock und Rokoko
ist, besonders stark
und vielleicht etwas
überbetontzumAus;
drud< gebracht. Die
Rüddehne des zwei«
ten Thronsessels,
vielleicht des Sessels
der Königin, beweist
dies aufs beste. Die
Achse derRüddehne
scheidet das Rechts
und Links in zwei
gleich eHemisphären:
im Endpunkt ist die
geflügelte Sonne.
Auf der Achse kniet
auf Schriftzeichen
„Gold" derGott der
Ewigkeit Heh. Er
allein ist trotz seiner streng stilisierten Darstellung
nicht nach beiden Seiten hin gleichmäßig symmetrisch.
In dem Gegensatz der asymmetrischen Achse zu den
harmonischen Parallelen derSeiten liegt derganz eigen«
tümliche Reiz dieses wundervollen Meisterwerkes. Der
Stuhl selbst ist aus feinstem Zedernholz geschnitzt, die
Füße endigen in Löwenklauen aus Elfenbein, die auf
STÖCKE UND PEITSCHEN
mit verzierten Griffen in Goldschmiedearbeit
Der erste Stock links ist aus Go'd, der zweite Elfenbeinschnitzerei, der dritte mit au£
gelöteten Goldkügetchen, die beiden anderen Holz und reich vergoldet.
Untersätzen ruhen, die mit Bronze und Gold besddagen
sind. Der Gott Heh hat in seinen Händen die Sinnbilder
„Hunderttausendjahre",dieaufden prächtigen Schrift*
tafeln ruhen. Die Bilderschrift der Ägypter ist ja allein
schon eine fast unerschöpfliche Fundgrube reichster
ornamentaler Ent«
faltung. Eine Fülle
vonAnregungen für
dekorative Malerei
bietet die Ansicht der
Truhe mit Jagd«
szenen. An vielen
Holz*undElfenbein*
kästchen dieunüber«
sehbare Menge der
Goldschmiedearbei*
ten, alles ebenso
wuchtig im Stil wie
besonders im Orna-
ment. Das Buch wird
noch lange die For-
mensund Ideenquelle
für die Entwicklung
des Kunstgewerbes
sein, nicht im Sinne
einer öden Kopie,
sondern der An«
regung.,,DieEinbil«
dungskraft versagt
bei dem Gedanken,
was das Grab alles
noch enthüllen mag,
denn die in diesem
Buche aufgeführten
Fundstücke stellen
nur ein Viertel und
wahrscheinlich das am
wenigsten wichtige,
der Schätze dar, die
es enthält". Es ist
also, wie gesagt, noch
gar nicht abzusehen,
welch gewaltigen
Einfluß Tut = eneh«
Amun haben wird.
Was bis jetzt gefunden worden, ist allein schon eine
ganz neue Welt und würde auf lange hinreichen, das
Kunstgewerbe stark zu beeinflußen,- und das soll erst
ein Viertel und noch nicht einmal das wichtigste Viertel
sein! Was wird uns darnadi an Gewaltigstem, Wert«
vollstem, in Form wie auch Materialbehandlung und
Schönstem noch bevorstehen ! —seh—
Aus „H. Carter und A. C. Mace, Tut-
ench-Amun", Leipzig, F. A Brockhaus
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