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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Wettbewerbe und Ausstellungen in textilem Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0053
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Gratulationen von allen Seiten hat ganz zweifellos et-
was Richtung gebendes, das ist ganz selbstverständlich
und deshalb grenzt es an Brunnenvergiftung, wenn da-
mit leichtsinnig verfahren wird. Andernfalls wirkt aber
auch jedes Preisausschreiben und jede Ausstellung preis*
gekrönter Arbeiten erzieherisch auf die GeschmachsbiU
dung des Publikums. Wo soll denn der Laie, der den
guten Willen dazu hat, sein Verständnis für die Kunst
weiterbilden, wenn nicht gerade bei solchen Darbie-
tungen, die ihm mit vermeintlich künstlerischer Autorin
tät das vorlegen, was künstlerisch bemerkenswert sein
sollte?

Was für Wettbewerbe gilt, das gilt nicht minder für
die Veranstaltung von Ausstellungen textiler „Quali-
tätsarbeit", wie sie in den letzten Jahren von einzelnen
Firmen versucht wurde. Wohl wäre dieser Weg ge-
eignet, bildend auf die breite Masse des Publikums
zu wirken, wenn bei derartigen Veranstaltungen kirnst«
lerische Berater zugezogen und ihnen entsprechende
Einwirkung zugesichert würde. Dies geschieht aber
offenbar nicht, denn sonst wären so erschreckende
Verirrungen, wie sie in jüngster Zeit z. B. Kauf-
häuser bei ihren textilen Ausstellungen zeigen, nicht
möglich.

Gerade weil dabei nur das urteilslose Publikum die
Bewunderer und Käufer solch heilloser Gesdimacks-
verirrungen stellt, wirken diese Ausstellungen in ihrer
jetzigen Form so vergiftend auf die Geschmachs-

FRANZ SCHOLZE Vase, grav. und geschliffen

ANT. PECH Zierpokal mit Deckel

bildung unserer Jugend, besonders der weiblichen, aus
der der Nachwuchs für die textile Qualitätsarbeit her-
vorgehen sollte.Was nützt da alleKunsterziehung,wenn
obendrein die Tagespresse — und das ist schlimm —
auf derartige Kitschablagerungen in„Tut=endvAmun"-
Umrahmung lobend hinweist?

Wettbewerbe und Ausstellungen der hier gemeinten
Art haben ganz zweifellos die Wirkung:

Angehende Kunsthandwerker durch Weisung fal-
scher Wege und Erweckung ganz unbegründeter
Selbstüberschätzung irrezuführen, den Geschmadc des
kaufenden Publikums zu verderben, Preise und Kauf-
erlös denen zuzuführen, die Schlechtes leisten und
damit natürlich die Tüchtigeren zu verbittern.

Dies veranlaßt uns, den Veranstaltern solcher Wett-
bewerbe und Ausstellungen die Heranziehung und
Anhörung künstlerischer Berater nahezulegen. Diese
sollen aber nur dann ihren Namen hergeben, wenn
eine gewissenhafte Entscheidung nach kunsthand-
werklichen Gesichtspunkten gesichert ist.

Diejenigen unserer jüngeren Mitarbeiterinnen aber,
die sich an solchen Veranstaltungen beteiligen, warnen

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