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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Heilmeyer, Alexander: Gesicht und Geschichte des Erzes
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0064
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beließ. Die Sockelstücke des berühmten Sebaldusgrabes
sind ä fond perdu gegossen. Diese wundersamen Fi-
guren und Grotesken sind erst neuerdings in ihrer
eigentümlichen Bedeutung entdeckt und gewürdigt
worden. Vischer ließ hier die ursprüngliche Gußhaut be-
stehen, ohne sie zu „ver-
schneiden", d. h. zu zise-
lieren und zu glätten. Es
ist nicht zu leugnen, daß
auch diesen Teilen des
Sebaldusgrabes einegroß-
artigeUnmittelbarkeitund
Frische eigen ist.

Neben derVischer'schen
Werkstatt blühten zur sei»

ben Zeit auch Tiroler
Gießerhütten, denen wir
einige Figuren am Grab-
mal Kaiser Maximilians in

Innsbruck verdanken, die erst noch genauer untersucht
und bestimmt und ihrer Verborgenheit entzogen wer-
den müßten. Auch in Augsburg und München gab es
Gußhütten. Während aber die Augsburger nicht lange
herhielt, gewann die Münchener desto nachhaltigere
Bedeutung. Ihr stand der Holländer Hubert Gerhard
vor, der für Wilhelm V. arbeitete. Figuren, von dem in
der Michaelskirche geplanten großen Grabmal, wahr-
scheinlich auch die „Patrona Bavaria" genannte,
Gruppe auf demTempel des Hof-
gartens und die vier Ritterfiguren
vom Grabmal Kaiser Ludwig des
Bayern sind von ihm ausgeführt.
Näher dann als Hubert Gerhard
steht uns sein großer Schüler Hans
Krumper. Hans Krumper von
Weilheim, einer alten Steinmetz^
familie entstammend, führt unter
Maximilian I. die Münchener
Gießerhütte weiter, wo er mit
vielen Aufträgen betraut wurde.
Unter anderem goß er das Fer-
dinand*Grabdenkmal in derHei-
lig-Geistkirche.

Er führte in rascher Folge die
großartig angelegten Überlebens»
großen Figuren an der Schauseite
der Münchener Residenz aus.
Man kann am Fries des architektonischen Rahmens der
Schmud<nische das Datum der Vollendung 1616 lesen.
Krumper stellt auch das Grabmal des Philipp von Re-
gensburg, des früh verstorbenen Sohnes Wilhelm V.,
her. Ferner arbeitet er am Denkmal Kaiser Ludwig des

DIE KGL. ERZGIESSEREI IN MÜNCHEN

JOH. BAPT. STIGLMAIER

Medailleur und Begründer der Kgl. Erzgießerei

Bayern. Nebenbei entstehen Erzgrabaltäre, wie solche
in der Frauenkirche sich erhalten haben.

Diese regeTätigkeit Krumpers findet ein jähes Ende
durch den Ausbruch des 30jährigen Krieges. Zwar
rauchten noch die Essen und sausten in der Münchener

Gießhütte noch die Blase-
bälge — aber für die
Künstler gab es keine Ar-
beit mehr. Es mußten Ka-
nonen für Maximilians
Heer gegossen werden.
Krumper fand gerade noch
Zeit, um 1628 ein Bild-
nis des Kurfürsten herzu-
stellen. Es zeigt die Büste
Maximilian I. im kriege-

rischen Harnisch, das
Haupt mit Lorbeer be-
kränzt. Mit dem Jahre
1634 erlöschen auch die Nachrichten über Krumper
und seine Tätigkeit als Erzgießer.

Mit ihm erlischt zunächst diese Kunst in Altbayern.
Wohl blüht sie in der Ära Ludwig XIV. u. XV. in
Frankreich fort und erlangt dort eine hohe Stufe der
Ausbildung — aber zu uns dringt davon nichts mehr.
Was an Kleinbronzen auftaucht, weist meist in seinem
Ursprung dorthin. Schließlich geriet diese ganze Kunst
in Vergessenheit. Als Schadow daran ging, die Statue
Blüchers aufzurichten, fand er in
Deutschland keinen Gießer dazu.
Man mußte zum Guß des deut-
sehen Helden der Befreiungs-
kriege die Franzosen Lequin und
Coue aus Paris herbeiholen und
ihnen für dieses einzige Denkmal
32000 Thaler und lebenslängliche
Pension zahlen. Noch im Jahre
1830 konnte der Pariser Gießer
Gozatierden Mainzernsagen, als
er ihnen Thorwaldsen's Guten-
berg-Statue für 25000 Frcs. ge-
gossen, er wolle für seine Arbeit
nichts nehmen, als die Befriedig
gung, die Deutschen aus ihrer
Verlegenheit befreit zu haben.
Diese beschämende Abhängig-
keit vom Auslande zu beseiti-
gen, wurde allmählig eine deutsche Ehrensache. Es
fand sich auch bald der rechte Mann, der die feuer-
geborene Kunst wie einen Phönix aus der Asche der
Vergessenheit wieder erstehen ließ. Man muß das
Tagebuch Johann Baptist Stiglmaiers lesen, wie er sich

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