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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Miller, Simon: Hundert Jahre Kgl. Erzgiesserei F. von Miller in München: (1824-1924)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0075
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München hatten ihre besten Arbeiter aus der Kgl. Erz-
gießerei. Der bedeutendste Münchener Bronzefabri-
kant Hörner, der bedeutendste hiesige Silberarbeiter
Harrach, der Direktor der K. u. K. Erzgießerei in Wien
und der Direktor der Kunstgießerei in Lauchhammer
waren alle Schüler der Münchener Anstalt.

III.

DIE KGL. ERZGIESSEREI ALS PRIVAT-
ANSTALT <1873 - 1924).

Nachdem König Ludwig I. tot war, zeigte die Re-
gierung immer weniger Lust und Interesse für dessen

großartige
Kunstunter*

nehmungen

und wurde
dabeivon der
Kammer der
Abgeordne-
ten unter-
stützt.Sokam

es, daß sie
schließlich das

Dreigestirn

der Königl.
Kunstanstal-
ten, die Kgl.
Erzgießerei,
dieKgl.Glas-

malereian-
stalt und die
Kgl. Porzel-
lanmanufak-
tur zum Ver-
kaufe anbot.

Verlockend
schien es nun

gerade für einen Privatunternehmer nicht, diese äußerst
unpraktisch gebaute und infolge desMangels an Kunst-
sinn und insbesondere an Geldmitteln beim Landtag
und den zuständigen Staatsbehörden technisch ziemlich
unvollkommen gebliebene Anstalt zu erwerben. Aber
für Inspektor Ferdinand von Miller, der trotz dieser
Schwächen dem Unternehmen zu einem Weltruf ver-
holfen hatte, und der mit tausend Fäden, durch Jugend-
erinnerungen, Freud und Leid und stolze Erfolge an
den Betrieb geknüpft war, war es doch nicht so leicht,
sich von seinem Lebenswerk zu trennen. Anfangs
waren zwar die Bedingungen der Staatsverwaltung
unverständlich hoch, aber schließlich kam im Juli 1873
der Kaufvertrag zustande, durch den die Anstalt in
den Privatbesitz Ferdinand von Millers und seiner

KOPF DER GERMANIA

Söhne Fritz, Ferdinand und Ludwig überging. Das
Erzgießereimuseum dagegen ist bis heute Staats-
eigentum geblieben.

Nach dem Tode Ferdinand von Millers im Jahre
1887 übernahmen dessen Söhne Fritz, Ferdinand
und Ludwig gemeinsam die Fortführung des Unter-
nehmens. In diesen Zeiten entstanden neben der Mo-
numentalstatue der Germania eine stattliche Zahl
großer Werke. Ferdinand, der Jüngere, schuf in seinem
Berufe als Bildhauer selbst bedeutende Monumente,
während Fritz v. Miller in seiner eigenen Werkstatt
erlesene Werke der Goldschmiedekunst erstehen ließ.

__Der Über-
gang der An-
stalt vom
Staat in den
Privatbesitz
der Familie
Miller wurde
hauptsächlich
dadurch er-
leichtert, daß
der Haupt-
zweck, den
die Gründer
verfolgten,
erreicht war.
Die Erzgieß-
kunst war
nicht nur für
Bayern und
Deutschland,
sondern über*
haupt gerettet
und zu einer

Blüte ge-
brachte alle

früheren Höhepunkte ihrer Entwicklung noch übertraf.
Das Risiko wurde bei den Erfahrungen, die die Mün-
chener Meister gesammelt hatten, immer geringer und
machte die Beihilfe des Staates entbehrlich. Auch war
durch die Lehrtätigkeit der Anstalt die Kunst des
Statuengußes so sehr Gemeingut der Interessenten
geworden, daß in dem nunmehr einsetzenden Wett-
bewerb unter den verschiedenen Anstalten die staat-
liche Oberleitung und Aufsicht eher hemmend als för-
dernd wirken konnte.

Andererseits waren aber die Zeitverhältnisse, in die
die Privatanstalt nunmehr gestellt war, keineswegs
günstige zu nennen. Die oben geschilderte Sättigung
der Kulturzentren mit Statuen hatte ein Nachlassen
der Aufträge zur unausbleiblichen Folge. Abertrotz-

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