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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Miller, Simon: Hundert Jahre Kgl. Erzgiesserei F. von Miller in München: (1824-1924)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0076
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dem gelang es den Söhnen des großen Meisters, ins-
besondere der Schaffenskraft Ferdinand v. Millers, des
Jüngeren, der Anstalt ihren internationalen Ruf im
Konkurrenzkampf zu bewahren und zu mehren.

Zu dem großen deutschen Nationaldenkmal auf dem
Niederwald goß die Anstalt die kolossale, 10,60 m
hohe Hauptfigur der Germania.

Auch mit Amerika knüpfte Ferdinand von Miller,
der Jüngere, rege Geschäftsbeziehungen an. Er über-
nahm selbst den Transport und die Aufstellung des
monumentalen Regenbrunnens von Cincinnatj,

Durch diese Reise und

dieWerke seiner Gießkunst
hatte Ferdinand vonMiller
sich in Amerika einen her-
vorragenden Namen ge-
macfit, sodaß die Aufträge
von dort immer häufiger
wurden. FürSt.Louismo»
dellierte und goß er dieSta-
tuen von Shakespeare und
Alexander von Humboldt,
weiterhin das Kriegerdenk-
mal von Chailestin, das
DenkmaldesGeneralsMos
quera in Columbia und das
Denkmal für Columbus.

Von deutschen Denk-
mälern modellierte Ferdi-
nand von Miller, der Jün-
gere, das Denkmal Lud-
wigs I. in der Walhalla
(Marmor), das Reiterstand-
bild Ludwigs I. in Regens^
bürg, den Maximilians^
brunnen in Bamberg, das
Reiterstandbild Wilhelms I.
und das Standbild Prinz
Friedrich Karl in Metz, den Monumentalbrunnen in
Würzburg, die Reiterstandbilder Ludwigs des Bayern
inMünchen undOtto von Wittelsbachs vor demArmee-
museum daselbst, des Prinzregenten Luitpold in Bam-
berg und vor dem Rathaus in München, die Standbilder
des Albertus Magnus in Lauingen, des Prinzregenten
Luitpold in Berchtesgaden, des Geigenbauers Klotz in
Mittenwald, dieFamilienepitaphien im südlichen Fried»
hof und in der Bennokirche in München und viele andere.

Durch den selbstlosen Fleiß des jüngeren Bruders
Ludwig und durch den kunstbegeisterten Opfersinn
des ältesten Bruders Fritz führten nun die drei Brü-
der die Erzgießerei erfolgreich durch arbeitsreiche wie
durch schwere Zeiten.

Der zweite Sohn Fritz v. Miller's, Hanns v. Miller,
war bestimmt, die Tradition der Erzgießerei weiter
zu führen. Er lernte das Gießerhandwerk vom Grunde
auf, trat im Jahre 1911 in die Erzgießerei ein und konnte
mit Begeisterung und Können sich an manchem großen
Werk erfolgreich betätigen. Im großen Völkerkriege
mußte er jedoch sein junges, tatenfrohes Leben opfern.

Seit dieser Lücke und seit dem Tode Fritz v. Miller's
leitet dessen Sohn, ArchitektRupert v. Miller die Anstalt.

Die schwerste Krise seit ihrem Bestehen hatte dieselbe
Anstalt zweifellos während des großen Weltkriege"

1914/18 und in derFolge-

MODELL WASHINGTONS IM MUSEUM DER
KGL. ERZGIESSEREI

Höhe 11,6 Meter

zeit zu bestehen. Es gibt
nämlich in Kunst und In-
dustrie kaum einen Zweig,
der so sehr von politischer
Ruhe im Zusammenhang
mit Macht und Wohlstand
eines Landes abhängig ist,
wie die Statuengießerei.
Monumente werden nur in
Zeiten friedlichen WohL
Stands errichtet oder als
Folgeerscheinung siegrei-
cher Kriege. Wenn auch
durch den vorzeitigen und
unerwarteten Abbruch des
Weltkriegs wenigstens vers
hindert wurde, daß bedeu-
tendere Kunstdenkmäler
gestürzt und zu Kriegsma-
schinen umgegossen wur-
den, so sah sich die Mün-
ebener Erzgießerei doch vor
der bangen Wahl, entwe-
der den Betrieb ganz einzu-
stellen oder doch zeitweilig
neben dem Kunstguß den
Industrieguß aufzunehmen. Im Interesse der Belege
Schaft wählte die Anstaltsleitung den letzteren Weg,
der immerhin als der kleinere von zwei Übeln erschien
und die Möglichkeit ließ, bei dem erhofften günstigen
Ausgang des Krieges oder überhaupt in späterer Zeit
den Betrieb wieder ganz auf den Kunstguß einzustellen.

Obwohl der Eisenguß eine vom Metallguß wesent-
lieh verschiedene Sdimelz= und Gußtechnik erfordert,
entschloß sich die Anstaltsleitung trotzdem zu der Um-
Stellung und war dadurch schon bald nach dem un-
glücklichen Friedensschluß wieder in der Lage, eine
Reihe größerer Aufträge im Kunstguß auszuführen.

Und es ist eine nicht uninteressante Erscheinung,
daß schon bald nach der Revolution eine Reihe von

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