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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Alker, Hermann: Technisches über Bronze-Kunstguss
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0089
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wann und wie die Zapfen gezogen werden sollen,
damit das Metall von unten herauf in den Kanälen
der Form wunschgemäß hochsteigt und die Formen
gerade so ausgefüllt werden, daß die Bronze an der
gefährdeten dickeren Stelle nicht zu lange flüssig bleibt,
weil sonst ein Aussaigern leicht eintreten kann.

Der Guß der Bavaria im Jahre 1845 vergleichbar
mit den großen Statuen der alten Griechen, ist eine be-
sonders bewundernswerte Leistung, und es ist höchst
interessant, aus den biographischen Berichten des ver-
storbenen Herrn Fritz von Miller die Vorgänge und
Schwierigkeiten beim Formen, Schmelzen und Gießen
der Bavaria zu verfolgen.

Zunächst die Hauptsorge um die Herstellung des
Kerns. Mußte er doch von so großer Festigkeit sein,
daß er dem Drucke des vielen Metalls standhielt, das
durch die Kanäle in die Form eingelassen wurde und
namentlich in den unteren Partien den Kern beschädigen
konnte. Andererseits mußte er wiederum so locker sein,
daß er trotz der genügend vorgesehenen Luftkanäle
den entwid^elten Gasen und Dämpfen freien Durch-
laß gewährte. Außerdem mußte der porös gebrannte
Kern beim Erkalten des ihn umschließenden Metall-
panzers der Schwindung des Metalls nachgeben, weil
andernfalls das Stück Risse bekam.

Einemglücklichen Zufall verdankte da derErzgießer
Ferdinand v. Miller sen., die Lösung der schwierigen
Aufgabe auf einem Abendspaziergang, der ihn in die
Nähe einer offenen Schmiedewerkstätte führte. Hier
sah er, wie die Schmiede einen glühenden eisernen
Radreifen über das Wagenrad schoben und wie das
Holz beim Erkalten der Reifen zusammengepreßt
wurde. Sofort zog er die Nutzanwendung für die
Bavariaform ,• ihm war geholfen. Um den ganzen
Hohlraum der Form legte er einen großen schmiede-
eisernen Ring, der durch die in die Form eingegossene
Bronze ins Glühen gekommen, beim Erkalten die
Gußform zusammenzog, den Kern quetschte und den
Bronzeguß so vor dem Zerreißen bewahrte.

So manche andere Schwierigkeiten waren noch zu
beheben, besonders die Verflüssigung des Erzes im
Flammofen. War der Wind nicht günstig und daher
kein guter Essenzug, so lag das Modell wie Blei über
Gebühr lange auf dem Herd und brachte den Erz-
gießer schier zur Verzweiflung. Was stand da alles
auf dem Spiele. Wenn das Metall im Ofen eingefroren
wäre, hätte abgebrochen werden müssen, und ehe ein
Neuaufbauen und nochmaliges Schmelzen hätte statt-
finden können, hätte die Form viel Feuchtigkeit an-
gezogen gehabt und wäre für den Guß untauglich ge-
worden. Wörtlich schildert der Erzgießer Ferdinand
von Miller sen. den Abstich, wie folgt:

„Siebenmal mußte ich mit dem großen Laßeisen aus
aller Kraft an den Zapfen stoßen, so stark war der
Druck des Metalls. Da stürzte die Furie zischend und
kochend aus dem Ofen,- die Glut und die Hitze waren
gräßlich. Allmählich füllte sich der Kanal - einen Blick
nach oben - und nun ließ ich alle 16 Öffnungen der
Form auf einmal aufmachen. Da bebte der Boden unter
unseren Füßen, die Luftröhren spieen gelben Rauch
aus, der von ungeheurer Macht aus der Tiefe gepeitscht
wurde. Dies dauerte 1 und l/s Minute. Endlich kam
zuerst aus einer, dann zugleich aus allen 32 Luftröhren
flüssiges Erz und sprudelte lustig in die Höhe. — Jetzt
der Jubel! Der Guß ist gelungen. Hoch lebe König
Ludwig! Hoch lebe unser Meister! Hoch!"

Nach der Ausführung der Bavaria sind, wie man aus
einem Teil erhalten gebliebener Gipsmodelle, in dem
der Erzgießerei angegliederten Museum noch heute
sehen kann, noch viele Standbilder und Monumental-
güsse in der ganzen Welt zur Aufstellung gelangt, und
von den aus der Königlichen Erzgießerei hervorgegan-
genen Bronzen, befinden sich Denkmäler, Brunnen,
Statuen in 69 deutschen Städten und im Ausland,
132 Denkmäler, davon 7 überlebensgroße Reiterdenk*
mäler, die zunächst nach dem Schwarzemasse- oder
nach dem neuen Wachsformausschmelzverfahren her-
gestellt worden waren.

Sind schließlich die aus der Grube gezogenen Bronze-
güsse von dem anhaftenden Formmaterial befreit
und die Kerne ausgestoßen, das Eisengerippe heraus-
geholt worden, so werden die Angüsse entfernt, mit
Sandstrahlgebläse behandelt und zusammenmontiert.
Der Ziseleur geht mit Meißel, Schaber, Punsen und
Feilen an die Glättung und Ausbesserung der Naht-
und Angußstellen und verleiht der ganzen Figur, ins-
besondere den edleren Teilen nach seinem Formgefühl
und sich möglichst an das Originalmodell haltend, die
erforderliche Weichheit und Rundung der Formen.
Hernach wird die ganze Figur mit verdünnter Säure
behandelt, sie wird mit Bimsstein von Schmutz und
Fetteilen gereinigt und dann abgebürstet.

Früher begnügte man sich mit einer gründlichen
Reinigung der Monumentalstatuen und stellte sie so
ins Freie, bis sie mit der Zeit eine natürliche Patina
annahmen. Durch die Einwirkung der in der Luft
enthaltenen Kohlensäure erhielten die Bronzen eine
Oxydhaut von schöner grüner Färbung, die aus
kohlensaurem Kupferoxyd besteht. Heute erzielt man
mit chemischen Mitteln in Kürze eine solche Patina,
wie sie vom Besteller gewünscht wird.

In den letzten Jahren ist trotz des nicht gewonnenen
Krieges und trotz der verworrenen politischen Lage

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