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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Fischer, Josef Ludwig: Jubiläumsausstellung des Wiener Kunstgewerbevereins: Geschichte der Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0104
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sation besondere Aufmerksamkeit zuwenden werden,
damit der Verein nicht nur als eine wirtschaftliche, son-
dern auch als eine ideale künstlerische Gemeinschaft seine
Aufgaben in immer höherem Maße zu erfüllen vermag."

Es magbemerkt werden, daß die Ausstellung so zahl?
reich besucht ist, daß sie bereits einenÜberschuß erzielte.

Auch wir können uns nur freuen, daß es dem Wiener
Kunstgewerbeverein, mit dem uns so vieles in seinen
Strebungen, Kämpfen, Eigenart und Erfolgen verbin-
der, gelungen ist, sein vierzigjähriges Jubiläum, an dem
der Bayerische Kunsfgewerbeverein herzlichen Anteil
nimmt, mit einer so hervorragenden Tat zu feiern und
ihn dazu beglückwünschen.

LAMPE mit Metallfuß und buntseidenem Schirm
von KARL HAGENAUER, Metallwarenerzeuger u. Ziseleur

II.DAS GESICHTDER AUSSTELLUNG.

Wie die Abbildung zeigt, ist der Raum der Aus^
Stellung ein längliches Rechteck mit einer Reihe von
geschmackvoll gestalteten Seitennischen, in denen die
Gegenstände, meistens sehr wertvoll und darum in
Vitrinen geschlossen, dem Beschauer gegenübertreten.
Hinter diesen Nischen verbergen sich wie eine Art
Chorumgang eine Reihe von völlig ausgestatteten,
gebrauchsfertigen Zimmern. Im Räume selbst, der von
volantartig gerafftem, das Oberlicht dämpfendem Stoff
überdacht ist, verteilen sich ebenfalls Vitrinen. Ein
flüchtiger Gang durch die Ausstellung läßt schon er-
kennen, daß die Eigenart des Wiener Kunstgewerbes
vor allem in der gesamtkünstlerischen Fassung des
Raumgedankens, der Raumgestaltung, in der Keramik,
im Prunksilber liegt. Die Freude am Reichlichen, am
Prunkenden, am formal Satten liegt ja den Wienern
seit alters im Blut und es wäre zu verwundern, wenn
eine so ins Leben eingreifende Sache wie das Kunst-
gewerbe daran achtlos vorbeigegangen wäre. Wenden
wir uns zunächst den genannten Zimmerensembles zu.
Der Hauptmeister darin ist Professor Otto Prutscher,
von dem nicht weniger als sechs Zimmerentwürfe
verwirklicht sind. Wir sehen darin einen Künstler,
der trotz der Einheitlichkeit seiner leitenden Grund-
idee über eine Fülle von Variationen, fast uner-
schöpf lichen Abwandlungsmöglichkeiten verfügt, einen
Künstler, der im besten Sinne des Wortes modern
den Zusammenhang mit der großen Linie der Ent-
Wicklung ebensowenig verliert wie mit der Psyche
des Volkes, mit der nun einmal feststehenden Zwecke
strebigkeit der angewandten Kunst. In der Anordnung
der Zimmer herrscht durchweg das wechselvolle Spiel
von Dissonanz und Auflösung, von dem ästhetischen
Wettstreit des Einzelobjekts mit dem Rhythmus des
Raums. Das,,Mädchenzimmer" ist gewissermaßen das
Vorwort zu den anderen. Es ist in gelbem Schleiflack
gehalten mit leicht aufgemaltem Ornament ohne auf*
regende Einzelheiten. Um so gewaltiger wird der Be-
sucher überrascht, wenn er plötzlick vor einen Schrank
tritt, dessen riesige Ausmaße dartun, daß er jeden Raum
sprengen würde und darum als monumentales Hallen^
möbel gedacht ist. Es ist ein Kabinettstück architek-
tonischer Gestaltung, eine glänzende Verbindung von
modernst empfundener Wirkungskraft und deren spe-
zifischer Verwandtschaft mit den vornehmsten Äußer-
ungen des Barodis. Wie in allen seinen sonstigen Ar-
beiten liebt Prutscher auch hier eingelegte Arbeiten,
feinste Bildhauerarbeiten, die von Prof. FranzBarwig
ausgeführt worden sind. Ein Prunkstück, das nach
unserem Gelde etwa 10000 M. kosten würde. Das
Herrenzimmer, das Prutscher diesem Räume folgen

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