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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Fischer, Josef Ludwig: Jubiläumsausstellung des Wiener Kunstgewerbevereins: Geschichte der Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0110
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LINKE VASE: bunt auf Weiß, oberer Rand und Basis türkisgrün
MITTLERE VASE: türkisgrün (einfarbig)
RECHTE VASE: türkisgrün, I"uß dunkelgrün, Henkel gelb

Entw. v. ANTON KLIEBER. Ausf.: „KERAMOS", Wiener
Kunstkeramik und Porzellanmanufaktur

Heiin, „WienerMetallwarenfabrik", lieben diesen Zug
ins Große,Moderne ganz besonders und leihen den Ent*
würfen von Männern wie Prutscher gerne ihre Werk-
Stätten, während Jarosinski und Vaugoin „Metallwa-
renfabrik" audi die weniger sdiarf aufs Moderne zu-
gespitzte wienerische Note vertreten. Eine Spezialität
sind die durchbrochenen, in feinster Arbeit ausgeführten
Silberkörbchen, Schalen, ferner feine, elegante Dosen,
wie sie von Anton Kolar oder von M. L. Gaspardi aus*
gestellt wurden. Ein Problem bilden die großen Silber-
pokale Prutschers mit dem charakteristischenOrnament,
das man vielleicht mit der Zeit als das Stilkriterium
unserer Zeit bezeichnen wird.

Ähnliche Gesichtspunkte herrschen auch auf dem
Gebiete des Schmud<es. Auch hier ist alles reichlich.
Wir sehen sehr aparte Anhängdamenuhren: Das Ge-
häng aus verschiedenfarbenen Halbsteinen, wie sie von
dem Juwelier und Goldschmied Julius Högler beispiels-
weise erzeugt werden,- sehr aparte Verbindungen von
Farbe und Silber, z.B. grüne Halbsteine, Korallen für
Halsketten, Hutnadeln, moderne Ohrgehänge, in denen
auch der Juwelier Anton Heldwein sich auszeichnet mit

einer Steigerung zum Prachtschmuch aus den Werk-
Stätten von Carl Mayr 'S) Co.

Die nächste große Wiener Spezialität ist das breite
keramische Gebiet. Die Wiener Freude an Farben^
pracht lebt sich hier am stärksten aus. Aber es ist nicht
wie so oft der rein optische Reiz, wie er in der Untere
Streichung starker Farben, vollster Töne beliebt wird,
sondern eine künstlerisch geläuterte Neigung für jene
Art von Kolorismus und Symphonie, wie wir ihn in
den eigentümlichen Reizen und Zusammenstellungen
der exotischen Vogelwelt ungefähr zu erkennen ge-
wohntsind. Auf dem Gebiete der eigentlichen Keramik
ist Dina Kuhn, KunstkeramischeWerkstätten, ein be-
achtenswerterFaktor,Herra Bucher eine ungewöhnliche
Begabung,- die natürliche Freude an der Grundform
als Ausdruck bringt bei ihr die verschiedensten Kom-
binationen hervor. Es stedu überall Kraft in der Glie-
derung. Eine gewisse Originalität im Entwurf, im
Ornament, imDekor, imDurchbruch. Besonders sinddie
verschiedenen, für Blumenarrangements geschaffenen
Gebilde, teils in dreiarmiger Form, teils in Form eines
Kabaretts. Die Gmunder Keramischen Werkstätten
haben ebenfalls ihre eigentümlichen und in dieser Zeit»
schrift wiederholt gewürdigten Erzeugnisse beigefügt.
Die Wiener Werkstätten, ein Sammelpunkt des aller-
gewagtesten, wie auch des gemäßigt natürlichen Fort-
Schrittes, haben auf dem Gebiete der Keramik zwei
Gruppen von Objekten ausgestellt, deren eine <nament*
lieh Pferdemotive) wohl kaum mehr ästhetisch zu ver-
antworten ist,- die andere Gruppe ebenfalls durch und
durch modern,erregen großes Interesse.Es sind meistens
Gruppen und Figuren, in denen ein starker, zum Sar-
kasmus und nicht selten zur Karikatur gesteigerter
Humor zum Ausdrud\ kommt, der in der bunten Glasur
wirksame Unterstützung findet. Leider ist es nicht ge-
hingen, von den WienerWerkstätten Abbildungen die-
ser Arbeiten zu bekommen, was ein Gegensatz zu dem
sonst allgemein großen Entgegenkommen, den Artikel
reich zu illustrieren, wofür auch an dieser Stelle allen
Beteiligten der Dank ausgesprochen werden soll.

Die Wiener Kunstkeramik und Porzellanmanufak^
tur „Keramos" hat auf dem Gebiete der Vasen das
Interessanteste ausgestellt, was ich beobachten konnte.
Es sind Formen, durchaus modern empfunden, ohne
irgendwelche schreiende Prätension, die Fragen des
modernen Stils allein und endgültig gelöst haben zu
wollen, sich vielmehr diskret und anspruchslos zurück^
haltend. Mannigfaltig in der Gestaltung, erscheinen
diese Vasen anheimelnd und sympathisch durch ihren
schlichten Farbenton, der zum Beispiel ein Türkisgrün
mit dem dunkelgrünen Fuß und einem Gelb (Henkel)
verbindet oder auf weißem Grund den Dekor im Mit-

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