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Die Kunde — N.F. 23.1972

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Reinhardt, Waldemar: Die 1867 und 1909 auf der Banter Kirchwurt im heutigen Stadtgebiet von Wilhelmshaven durchgeführten Grabungen und ihre Bedeutung für die Geschichte der Wurtenforschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.73995#0209

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Nachricht als Hinweis für ein mögliches frühmittelalterliches Grab gewertet
werden. Für die Annahme eines älteren Friedhofes würde ferner die von
Schacko überlieferte Beobachtung von weiteren alten Skelettfunden im Bereich
des etwa 200 bis 300 m entfernten ältesten Wilhelmshavener Friedhofes
sprechen53. Kunisch hat die ihm aus der Bevölkerung mitgeteilte Lage der
Bestattung im Lageplan zu seinem Bericht (s. Abb. 3) an einer Stelle mit „d"
gekennzeichnet, die am Fuß des Kirchhügels liegt (ca. 36 m nordwestlich des
später aufgedeckten Altarfundamentes und unterhalb der untersten Höhenlinie
von +15 rhl. Fuß über Ebbe = ca. +2,50 m NN). Fraglich ist, ob die von WSW
nach ONO eingetragene Lage der Bestattung dem tatsächlichen Befund ent-
spricht. Selbst wenn Kunisch derzeit die Wichtigkeit der Grabrichtung erkannt
haben sollte, muß bezweifelt werden, ob er nach mehr als 30 Jahren darauf
noch die richtige Antwort erhalten hat.
Gesicherte Aufschlüsse liegen aus den aus Heideplaggen aufgeschütteten
Kirchhügeln der Geest vor. Insbesondere die in den letzten Jahren durch-
geführten Kirchengrabungen 54 haben wertvolle Erkenntnisse über die früh-
christliche Zeit erbracht. Die 1972 vom Niedersächsischen Landesinstitut für
Marschen- und Wurtenforschung in Zusammenarbeit mit der Ostfriesischen
Landschaft planmäßig angelegten Untersuchungen von Middels, Kr. Aurich,
brachten erstmals für das Küstengebiet den Nachweis der Erbauung einer
frühchristlichen Kirche über einem älteren Bestattungsplatz der heidnischen
Zeit. Nach Abschluß der im Kirchenschiff von Middels durchgeführten Gra-
bungen zeichneten sich in einer kleinen Grabungsfläche außerhalb der Dorf-
kirche im gewachsenen Boden unterhalb des Plaggenhügels zwei mit Beigaben
ausgestattete WO-Gräber ab, die z. T. Reste von Brandbestattungen mit
Pfostensetzungen überdeckten. Nach Angabe des Ausgräbers gehört der sich
noch weiter unter dem Kirchhügel erstreckende Friedhof in die Reihe der früh-
mittelalterlichen Gräberfelder55. Für die Kirchhügel der Marsch, die zudem
nicht leicht von echten Siedlungswurten zu unterscheiden sind, stehen solche
Untersuchungen noch aus. So sind dann die spärlichen Aufschlüsse aus der
Banter Kirchwurt hierfür die bisher einzigen Hinweise für mögliche vorchrist-
liche Bestattungen. Und selbst diese konnten, was zugestanden sei, nur mühsam
und aus älteren, unter anderen Gesichtspunkten dargestellten und darum nicht
immer unanfechtbaren Berichten zusammengestellt werden.
Die freigelegten Steinsärge, deren älteste Formen dem frühen 12. Jahrhundert
angehören, stellen als einzige Funde die Verbindung von den vermuteten
frühgeschichtlichen Kulturzeugnissen zur späteren Kirche dar, deren Grundriß
bei den Grabungen der Jahre 1867 und 1888 freigelegt werden konnte. Auf die
Steinsärge selbst soll hier nicht weiter eingegangen werden. Der bei der
Grabung am 22. August 1867 anwesende preußische Konservator v. Quast
(s. Abb. 2) verfaßte eine wissenschaftliche Abhandlung über die Steinsärge,
deren großräumige Verbreitung eingehend dargestellt wurde. Auf Grund der

53 Irreführend ist allerdings die Meinung Schackos, man habe die Toten hier nach
dem Neubau des zurückverlegten Deiches bestattet oder es handle sich um eilig
durchgeführte Beisetzungen von Verunglückten bei den Deicharbeiten. Diese hätte
man wohl in geweihter Erde bestattet.

54 Haarnagel, W., 1959, S. 19-35; und weitere Grabungen von K. H. Marschalleck, z. B.
Marschalleck, K. H., 1963, S. 257-272.

55 Haiduck, H., 1972, S. 24 f., B. 133.
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jytitut für Ur- und Frühgeschichte
an der Universität
Heidelberg
 
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