Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

seine in dieser Absicht unternommene Reise durch Pom-
mern habe förmlich den Charakter einer Entdeckungs-
reise gehabt. „Manches Einzelne hatte ich wohl früher
an einem oder dem andern Orte des Vaterlandes ge-
sehen und eine dunkle Erinnerung davon bewahrt; über
Manches war mir eine mehr oder weniger bestimmte
Nachricht zugekommen, so daß sich wohl schließen ließ,
der Versuch werde nicht gerade fruchtlos ablaufen: einen,
nur irgendwo bestimmten Wegweiser hatte ich gleichwohl
nicht vor mir. Aber der Erfolg übertraf die Erwartun-
gen bei Weitem. Fort und fort stieß ich auf neue und
eigenthümliche Werke der Kunst, und hatte ich zuweilen
auch Tagereisen ohne Ausbeute zurückzulegen (in Gegen-
den, die, entfernt von den Schauplätzen des Lebens,
auch keine Erinnerungen an ein solches bewahren konn-
ten), so fanden sich doch stets in kurzer Frist wiederum
neue Ueberraschungen. Der Reichthum meiner Notizen
schien mir endlich zu bedeutend, als daß es zweckmäßig
gewesen wäre, sie alS bloßes Verzcichniß, nach den Lo-
calen geordnet, auszuarbeiten; es schien mir im Gegen-
theil doppelt vortheilhaft, die Kunstmonumente, so viel
es sich irgend bestimmen ließ, nach dem Gange der histo-
rischen Entwickelung ans einander folgen zu lassen. Denn
einestheils ließ sich aus solcher Zusammenstellung un-
gleich klarer, als es ohne dies möglich gewesen wäre,
eben dieser Gang der historischen Entwickelung, somit
das verschiedene Alter der Monumente, darstellen; an-
derntheils aber gestaltete sich meine Arbeit in solcher
Art zu einem ungleich besser benützbaren Material für
die weiteren historischen Forschungen. So durfte ich cs
denn wagen, da die vorhandenen Monumente eben die
einzigen namhaften Urkunden für das frühere Kunstleben
in Pommern sind, meine Arbeit mit dem Titel einer
„pommerschen Kunstgeschichte" zu versehen und sic als
ein Glied der allgemeinen Geschichte der Kunst hinzu-
stellen." Allerdings darf man sich verwundern und er-
freuen, daß, während Fiorillo in seiner Geschichte der
zeichnenden Künste in Deutschland Pommern mit zwei
Seiten abfertigt und Füßly's Künstlerlcricon nur einen
einzigen Pommer, den Baumeister Heinrich Brunsberg
von Stettin, aufführt, hier, zwar in Ermangelung
geschriebener Geschichtsqnellen und bei lediglicher Be-
schränkung des Forschens auf die erhaltenen Kunstwerke
selbst, nur wenige Namen, aber unzählige Werke der
alten deutschen Kunst, namentlich der Architektur und
der Holzbildncrei, von mannigfaltiger Schönheit und
nicht ohne die Merkmale eines eigenthümlichen Charak-
ters uns begegnen. Die Bekanntschaft mit den hier
aufgezählten und beschriebenen Monumenten ist um
so mehr von gerechtem Staunen begleitet, als wenige
andere deutsche Länder so wie Pommern von den
Verheerungen der Vergangenheit, namentlich in den

Stürmen des dreißigjährigen Krieges, heimgesucht wor-
den sind.

Schon in den bisherigen Mittheilungen ist die Be-
handlungsweise des Verfassers angedeutet. Dazu gehört
aber nicht bloß, daß er einen möglichst chronologischen
Gang einhält, das Frühere und Spätere in jedem Künst-
gebiet auseinanderhält und mit besonderer Sorgfalt bei
den verschiedenartigen Ucbergängcn und Verschmelzungen
älterer und jüngerer Style verweilt; sondern daß er die
Entwickelung des Kunstlebens in stetem Bezug auf die
übrigen Anstände und Gestaltungen des Landes und der
Nationalität auffaßt. Schon das Vorwort giebt Hin-
weisungen auf die Spuren pommerscher Literatur im
Mittelalter, namentlich auf den pommerschen Minne-
sänger vom 13ten Jahrhundert, den Fürsten Wizlav den
Jungen, von Rügen, von welchem die Jenaer Minne-
sänger-Handschrift eine namhafte Anzahl von Liedern
enthält, worin sich die ganze Holdseligkeit und der tiefe
Ernst der lyrischen Poesie Deutschlands in jenem Zeit-
alter ausspricht. Sodann wird zu wiederholtenmalen
auf die örtlichen Bedingungen der Kunst Hingeführt,
wodurch z. B. die Architektur außer dem auf der Ober-
fläche des Landes verstreuten Granit zumeist nur aus
gebrannten Steinen ihre Werke aufzuführen und zu
Zierrathcn sich des schwedischen Sandsteins zu bedienen
genöthigt, überhaupt aber auf einfachere Formen und
Verhältnisse beschränkt war; oder es wird an die histo-
rischen Ereignisse und Zustande erinnert, an das erst im
späteren Mittelalter, aber da mit Macht und Reichthum
hcranblühende Städtewesen, wovon der Umfang, die
Ausstattung und im Einzelnen sogar die Gestalt der
öffentlichen Bauwerke Kunde gibt. Bei dem Mangel
des Materials kommt Steinsculptur nur noch selten,
Holzbildncrei aber sehr häufig und in einer rühmlichen
Ausbildung vor. Die Malerei hat sich's mehr zur Auf-
gabe gemacht, das runde oder erhabene Schnitzwerk zn
bekleiden und zu beleben, als in ausgezeichneten Tafel-
bildern sich zu empfehlen. Es zeigt sich hier der Gegensatz
mit dem Süden, wo die Malerei das entschieden Vor-
herrschende auf den Altären ist, sowohl in Beziehung
auf künstlerischen Werth als auf die Anzahl; während
im oberen Deutschland ein mehr gleiches Verhältniß
zwischen beiden Kunstarten stattfindet, da in der Regel
der Mittelschrein des Altarwerks aus Holzsculptur, ins-
gemein bemalt, und die Flügel aus Gemälden bestehen,
deren künstlerischer Werth mit dem der Schnitzwerke
wetteifert.

Ucbcrhaupt ergibt sich in der Vergleichung architek-
tonischer Formen, plastischer und malerischerDarstellungcn
und ihrer heiligen Gegenstände ein eigenthümlicher Un-
terschied von dem südlichen Deutschland, der sich aber
in nahen Berührungen da und dort wieder ausgleicht.
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen