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Nicht bloß das Material, nicht bloß locale Einflüsse,
nicht bloß historische Veranlassungen haben dazu beigc-
tragen, sondern wohl auch die verschiedene Stimmung
und Neigung des volksthümlichen Genius und der reli-
giösen und socialen Anschauungsweise. Dahin gehören
im Norden u. a. die vielen Blenden, die eigenthüm-
lichen Thvngestalten, die glasirtcn Ornamente u.dgl. m.
Daneben überrascht aber auch wieder das Zusammen-
treffen ganz origineller Motive im Süden und Norden.
So findet sich z. B. die bekannte Darstellung dcrTrans-
substantionslehre in einem Chorfenster des Berner Mun-
sters nicht bloß in Mecklenburg, in der alten Kirche zu
Dobberan (Kruse, Kunstgeographie S. 241), sondern auch
in Pommern, ans dem großen Altarwerk der Kirche zu
Tribsees (S. 194 des vorliegenden Werkes), wo offenbar
nichts anderes gemeint ist, wenn cs von den Evangelisten-
symbolen heißt: „jene Engelgestalten tragen Sacke in
den Händen, aus denen sie die Evangelien (durch Spruch-
bänder bezeichnet) in einen Mühlentrichtcr schütten; aus
diesem läuft der Inhalt (wiederum als Spruchband) in
ein zweites Gefäß, das ich für einen Backtrog halte
(denn es handelt sich um Zubereitung des Brodes für
die Hostie), und aus letzterem gehr der Inhalt in Gestalt
des Christkindes hervor, das über einem Kelche schwebt,
in derselben Anordnung, wie gewöhnlich Kelch und Hostie
zur Bezeichnung der Abcndmahlsfeier dargestellt werden."

cn.

Ans Paris.

(Fortsetzung.)

Außer Jean Cousin (blühete von 1540—1589),
welchen die Franzosen höchst irrig ihren ältesten Historien-
maler und zugleich ihren Michelangelo nennen, ist das 16tc
Jahrhundert eben nicht reich an namhaften Malern, noch
an trefflichen Gemälden. Die französischen Bilder jenes
Zeitraums sind selten; der Louvre hat etwa nur ein
Dutzend kleiner, miniaturartiger Porträte von Francois
Clouct, genannt Janet, welcher von 1540— 1560
blühete und mehr in der niederländisch-deutschen Art
arbeitete, anstatt, wie die meisten seiner Zeitgenossen
und Landsleute, der italienischen Knnstweise nachzu-
streben. Bei einigem Interesse und Eifer von Seiten
der Direction würden sich diese Lücken der einheimischen
Schule mit geringem Kostenaufwande bald ausfüllen
lassen: cs könnte unmöglich schwer fallen, die übrigen
Meister des loten Jahrhunderts ans den königlichen
Schlössern oder Provinzialmuseen zu ergänzen und zu
den Werken Cousin's und Janct's Bilder von gleichzei-
tigen Künstlern hinzuzufügen: von Geoffroy Du-

montier, einem Nebenbuhler des Janet; von Fran-
;vis Gucsnet, dem Nachfolger Janct's am Hofe
Heinrichs in.; von Buncl, Dubrcnil und Dubois,
welche viel in Fontainebleau arbeiteten, und von Mar-
tin F re min et, dem Hofmaler Heinrich rv., welcher
die Deckengemälde in der Schloßcapclle von Fontainebleau
ausführte und den Jean Cousin, seinen Lehrmeister, mit
Franz Pourbus Sohn, seinem Schüler, vermittelt.

Bis in die ersten Jahrzehnte des 17ten Jahrhun-
derts beharrte die französische Malerei, die sogenannte
Schule von Fontainebleau, in einer der florentinischcn
Schule verwandten Kunstweise, welche schon vor der An-
kunft des Rosso und Primaticcio in Frankreich selbst-
ständig und naturgemäß entwickelt und ausgebildet, nicht
aber, wie man gewöhnlich anzunehmen pflegt, erst von
jenen Künstlern über die Alpen gebracht und dorthin
verpflanzt worden war. Durch den Einfluß des Rosso
und Primaticcio verlor jedoch diese Kunstweise bald ihre
Selbstständigkeit und artete zuletzt in leere Nachahmung
und kalte Manier aus. Die französischen Künstler des
17ten Jahrhunderts verließen diese Bahn und wandten
sich von 1625 ab den italienischen Eklektikern und Natu-
ralisten, dem Caravaggio, den Caracci und ihren Schü-
lern zu. JnSimonVouet vereinigen sich diese beiden
Richtungen, da er in einigen Werken als ein Nachahmer
des Caravaggio erscheint, in den meisten aber ein starker
Einfluß der Hellen Manier des Guido Rcni hervvrtritt.

Simon Vouet ist gleichsam der Stammvater der
Malerei in Frankreich und derjenige von den französischen
Künstlern, welcher zuerst mit selbstständiger Energie auf
die Richtung der italienischen Malerei eingegangen ist,
ein anerkennungswürdiges Streben eingeleitet und eine
eigenthümliche französische Knnstweise begründet hat. Aus
seiner Schule sind hervorgegangen: Moise Valentin, der
französische Caravaggio, Lesueur, welcher für den fran-
zösischen Raffael gilt, Mignard, der Saffofcrrato und
Carle Dolce der Franzosen in Einer Person, Corneille,
Dufresnoy, Dorigny, und endlich Charles Lebrun, der
rüstigste und einflußreichste von allen, der wiederum eine
neue Richtung der französischen Malerei cinleitete und
während des 17ten Jahrhunderts im Gebiete der Kunst
mit eben so despotischer Willkür herrschte, als sein Herr
in der Politik. In abweichender Eigenthümlichkeit er-
scheinen die BrüderLouis und AntoineLenain aus
Laon (gcst. 1648), zwei treffliche Künstler, nur durch
wenige Gemälde bekannt, worin sich eine bei den Fran-
zosen seltene Reinheit und Ungeschminktheit des Natur-
gefühls und eine eben so seltene Gediegenheit des klaren,
gesättigten Colorits und des soliden Jmpasto bemcrklich
macht. Neben diesen sind noch zu nennen die Land-
schaftsmaler Claude Lorrain, der im Grunde ge-
nommen mehr der italienischen als der französischen
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