Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
258

constcrnirt mit dem Kopf hintenüber und mit den Beinen
in die Höhe fährt, seiner Würde und seines Amts ver-
gessend, — sind zwar nicht ganz ohne Laune erfunden,
jedoch ist das Element des Humors darin bei weitem
nicht so geistreich durchgedildet, als in den früheren lau-
nigen Darstellungen des Künstlers, die Ausführung auch
nicht sonderlich. Das letztgenannte Stück ist ein wahres
Libell gegen die Ohrenbeichte im Besonderen und gegen
den katholischen Clerus im Allgemeinen, und es wundert
mich, daß die doch sonst als streng verrufene Kunstjury
Bilder dieser Art, die das allgemeine Schicklichkeitsgefühl
und die dem geistlichen Stande gebührende Achtung ver-
letzen, nicht verweigert. Aus derselben Ursache hätte auch
das Bild von Jacquand ausgeschlossen werden sollen,
welches zwei katholische Geistliche, nach aufgehobener
Mittagstafel in höchster Vergnüglichkeit und grobsinn-
lichstem, schmunzelndstem Behagen ihren Kaffee trinkend,
vorstellt. Das Verdienst der Ausführung entschuldigt
keineswegs das gehässige Motiv, das diesem Bilde zum
Grunde liegt. Es scheint fast, als ob die Künstler gegen-
wärtig, wo der große literarische Feldzug gegen die ka-
tholische Kirche geschlossen ist, einen kleinen artistische»
dagegen eröffnen wollen. — Vom komischen Genre sind
sonst noch vorhanden: die drei Fraubasen, die beim Kaffee
die Stadtklatsche und die Oarelte des tribunaux durch:
nehmen, von Grosclaude, in den Köpfen zu gemein
und carikirt; die beiden Kleinen, welche beim Aufstehen
auf daö Bett der Mutter Sturm rennen, von Pigal,
so wie die Kinder, welche eine kranke Puppe verpflegen,
von Gnillemin, sind ohne Salz in der Erfindung,
und schwach in der Ausführung. Nicht ohne Witz und
Laune gemalt ist der Bartschecrer, welcher über dem Ver-
lesen einer interessanten Zeitungsnachricht das Barbieren
eines Kunden vergißt, den er bei der Nase gefaßt hat
und in der unbequemsten Stellung das Ende der politi-
schen Neuigkeiten abwarten läßt, von dem zuletztgenannten
Künstler, der in diesem Bilde, wenn auch keinen feinen
Humor, doch Sinn für Erfassung komischer Züge aus
dem alltäglichen Leben zeigt.

Vor allen trivialen Chargen, von der gemeinsten,
niedrigsten Naturwahrheit, weilt die Menge mit dem
größten Behagen und herzlichsten Gelächter; die Majo-
rität der jetzigen Gebildeten und Ungebildeten, jedes
höheren Kunstgefühls unfähig, will prosaische, mit Händen
zu greifende Wahrheit, die ohne Mühe verständlich, aber
auch ohne weitere Erhebung des ästhetischen Gefühls.
Daraus erklärt sich der große Beifall, welcher den beiden
schmausenden Savoyardenbuben von Hornung zu Theil
wird. Dieser Künstler befolgt dieselben Kunstprinzipien,
wie weiland Balthasar Denner und Seiboldt, und geht,
wie diese Meister, auf eine sclavische, bis auf die kleinsten
Einzelnhciten der Poren, Wärzchen, Schmutzflecken und

Härchen sich erstreckende Nachahmung der Natur aus,
nur daß hier an den gräulichrußigen Schornsteinfeger-
jungen die Angabe gewisser Einzelheiten, z. B. der Fuß-
sohlen, der geflickten Hosen u. f. w. noch übertrieben
ist. Wer sollte es glauben, daß diese mißverstandene
Kunstart, diese kalte minutiös-topographische Aufnahme
der menschlichen Gestalt, die einen so widrigen, den
Wachsfiguren verwandten Eindruck macht, hier ihre Lob-
redner, ja ihre enthusiastischen Bewunderer findet! Welche
Kluft zwischen diesen schmausenden Schornsteinfegcrjungen
von Hornung und dem laufenden Bettelbuben von Mu-
rillo; hier der Ausdruck eben so lebendig, als die Jndi-
»idualisirung des Körpers wahr, die Beleuchtung eben
so schlagend, als der Vortrag höchst gediegen und geistreich-
breit; dort die Köpfe eben so verzerrt im Ausdruck, als
die einzelnen Körperformen unbestimmt in der Durch-
bildung, der Lichteffect eben so rußig und räucherig, als
die Ausführung glatt und frostig. — Die kleinen Sa-
voyarden von Pinchon, so wie die von Fouquet
wollen ebenfalls nicht viel besagen. — Die Schachpartie
von Meissonier ist nicht ohne humoristische Laune in
der Auffassung: der Ausdruck, wie die beiden Schach-
spieler ungethcilt ihrer Beschäftigung obliegen, und wie
ein zusehender, dabei sitzender Dritter mit einer Prise
auf dem halben Wege zur Nase still hält, ist wahr und
ergötzlich. Weniger als die Auffassung des Vorgangs
befriedigt die Ausführung dieses kleinen, miniaturartigen
Bildchens, welches von einigen Kritikern als die Perle
der Ausstellung bezeichnet worden. Die Technik ist un-
säglich fleißig, aber kleinlich und peinlich, die Färbung,
zumal im Fleische, schwach, der Gesammtton kalt. —
Die Gesangstunde von Delouard, der Schulmeister
von de Loos, die Köchin von Bsranger, eine Dach-
stube von Digout, die Kartenspicler von Gonrdet,
ein junges Mädchen an einem Bogenfenster von Ticr-
cevillc — sind im niederländischen und flamännischen
Geschmack und zum Theil mit geschickter Benutzung von
Reminiscenzen aus Netscher, Ostade, Mets», Mieris,
Nembrandt, Dow u. A. gemalt; aber die Erinnerung,
welche sich dabei an die Werke jener Meister aufdrängt,
ist für diese Bilder höchst ungünstig.

(Fortsetzung folgt.)

Die kunstgeschichtliche Ausstellung von Kupfer-
stichen durch den Leipziger Kunstverein.

J,n Mai und Juni 1841.

(Fortsetzung.)

Eine neue Epoche der Kunst datirt von den großen
Meistern Georg Friedrich Schmidt und Johann Georg
Wille. Jeder von beiden ist hier in acht seiner Haupt-
werke uns vvrgeführt. Bei dem ersteren zeigen sie ei»
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen