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die Familie erkennen, der er seit seiner Rückkehr nach
Dänemark auf's innigste verwandt geworden, und in
deren Mitte wir uns eben wirklich befinden, die Fa-
milie v. Stampe. Endlich, obschon mit Widerstreben,
zeigt uns der Künstler noch sein eigenes Bild, das er
in Lebensgröße ganze Figur in Kopenhagen ausgeführt.
Cs ist ihm schwer geworden, wie die edle Freundin uns
erzählt, es anszuhaltcn, sich selbst zum Gegenstand seiner
künstlerischen Thätigkeit zu machen, wie eS Jean Paul
auch unerträglich vorkam, sein Leben zu schreiben. Den
Bemühungen und Zureden der Frau v. Stampe verdanken
wir vielleicht allein das schöne Bild, das uns den Künstler
mit dem Hammer in der Rechten, mit der Linken auf
die „Hoffnung" gestützt, darstcllt.
Und ihn selber wollen wir doch neben und außer
seinen Werken; das zeigen die Feste und Huldigungen;
denn dem Gegenwärtigen werden sie gebracht. Die Dicht-
kunst eröffnet den Reigen der Geschichte und so — si
licet alto etc. — nehmen vor Andern die Gesellen der
Musen deren Liebling in Empfang: ein Verein von Lite-
raten, die in heiterer Feierstunde durch einen Trunk aus
castalischcr Quelle sich zu stärken pflegen, die Gesell-
schaft der Zwanglosen ladet Thvrwaldsen zuerst zu
sich ein; in ihrem Kreise empfängt er den ersten freu-
dige» Zuruf unserer Stadt. Zwar stehen nicht Hunderte
von Menschen an der offenen Pforte, kein Kanonendonner
verkündet, kein Trompetenstoß empfängt ihn, die Räume,
in die er cintritt, sind schmucklos, wie die Campanella
in Rom, oder die Chiavica, kein Lorbecrkranz liegt bereit
und selbst ans der Tafel duften nicht einmal Blumen,
da der strömende Regen sic im Garten ertränkt. Eine
kleine Gesellschaft von Männern, denen zn guter Stunde
etwas aus Kopf und Herzen kommt, ein römischer Küchen-
zettel, volle und schäumende Becher, dazu ein Kranz
von fliegenden Blättern und Gedanken, das sind die
Elemente, aus denen der heutige Abend seine Freuden
webt. Und wie er den Empfänger und die Geber auf's
innigste froh gemacht, so scy seiner Erinnerung hier eine
kleine Stelle vergönnt.
Unter den Ersten, die den Künstlerfürsten begrüßten,
sahen wir Schclling, den ersten Generalsecretar der
hiesigen Kunstakademie, von welchem zum großen Theil
die Regeneration dieser Anstalt unter dem König Mar
ausgegangen; dann seinen Nachfolger, den Bildhauer '
Wagner aus Rom, Thicrsch, Walter, Boissere'e,
Hei deck, Seinsheim, Martins, Neumann '.e.
Wenn in größerer Gesellschaft der Einzelne nicht leicht
zum Wort kommt, so trägt dagegen, wo die Bäume
weniger dicht stehen, ein jeder seine Frucht. Der erste
springende Pfropfe» löste alle Zungen, und mit der spru-
delnden Hippokrene unserer geselligen Musen waren die
Geister geweckt und verbunden. Rede und Gesang, Lied
und Gedicht, ernste und scherzhafte Weisen, vorbedacht
und nicht bedacht, wechselten in heiterer Anmuth und
legten sich, statt des mangelnden Lorbeers, mit Blät-
tern und Blüthen um das Silbergelvck des gefeierten
Gastes.
In ergreifenden Worten sprach Schclling das Lebehoch
und Lebelang Thorwaldsens aus, mit dem er früher noch
niemals zusammengctroffen; Martins rief die Geister
der Natur und die tropische Sonnenglut zur Verherr-
lichung des Tages; v. Stieglitz (ans Kurland?) pries das
Glück der Gesellschaft, solchen Gast zu haben, in alt-
griechischen Weisen; Neumann verkündete seinen Ruhm
in fünf lebenden Sprachen, in chinesischer, armenischer,
französischer, englischer und deutscher; Maßmann weihte
ihm ein Gedicht über die Alter der Menschen in gvthi-
schcr Sprache; Weichselbaumcr rief die Werke und Schick-
sale des Meisters in's Gedächtniß, und Hocheder brachte
in einem humoristischen Aufsatz: Thvrwaldsen und der
Teufel, in welchem er dem letztern die Erfindung der
Dampfmaschinen znschrieb, eine heitere Reflexion über
Kunst und Industrie in die Scene. C. Förster hatte
den Toast mit einem Gedicht eingeleitet, und führte
später die „römische Geliebte Thorwaldsens," die myrten-
und lorbecrbekräuzte, weingefüllte Fogliekta, redend ein;
Thiersch begrüßte mit einem Doppelgruß die beiden an
griechischer Sonne gereiften Geister; Walther improvi-
sirte gegen die „Greise." Thicrsch rcplicirte in Versen,
und nahm sodann den Act der „Nostrification" an
Thvrwaldsen in feierlichem Äanzleistyl vor; Beck brachte
ein iuhaltrcichcs Gedickt und Darenbergcr sprach mit
bewegter Stimme ein gleiches; Marggraf fesselte durch
eine wohlmotivirte, fließende Romanze und Pocci gab,
nach dem Muster der bekannten Arie: „Ich singe nicht"
einen poetischen Scherz znm-Besten, dessen Inhalt war,
daß er — die unzähligen Gedichte bedenkend, mit denen
der Gast hier, auf der Reise und seit Jahren überschüttet
worden, die Last nicht mehren wolle, und daß er selbst
sein Lebehoch nicht ansbringen möge, so lange ihm nicht
eine Pyramide als Kelch und das Schäumen der Nordsee
dessen Inhalt diene. Um inzwischen nicht nur unbeschrie-
bene Blätter vorznweisen, nehme ich einige heraus aus
dem Kranze und theile sie hier entfernten Freunden mit.
R» A. Ritter v. Thvrwaldsen.
Preiset im Liede die himmlischen Mächte,
Preiset die Gaden, die sie geweiht!
lieber des Erdballs duntelstc Nächte
Strahlen sie, über den Kirchhof der Zeit.
Reiche vergehen und Völker in Dunst —
Ewig erglänzen die Werke der Kunst.
die Familie erkennen, der er seit seiner Rückkehr nach
Dänemark auf's innigste verwandt geworden, und in
deren Mitte wir uns eben wirklich befinden, die Fa-
milie v. Stampe. Endlich, obschon mit Widerstreben,
zeigt uns der Künstler noch sein eigenes Bild, das er
in Lebensgröße ganze Figur in Kopenhagen ausgeführt.
Cs ist ihm schwer geworden, wie die edle Freundin uns
erzählt, es anszuhaltcn, sich selbst zum Gegenstand seiner
künstlerischen Thätigkeit zu machen, wie eS Jean Paul
auch unerträglich vorkam, sein Leben zu schreiben. Den
Bemühungen und Zureden der Frau v. Stampe verdanken
wir vielleicht allein das schöne Bild, das uns den Künstler
mit dem Hammer in der Rechten, mit der Linken auf
die „Hoffnung" gestützt, darstcllt.
Und ihn selber wollen wir doch neben und außer
seinen Werken; das zeigen die Feste und Huldigungen;
denn dem Gegenwärtigen werden sie gebracht. Die Dicht-
kunst eröffnet den Reigen der Geschichte und so — si
licet alto etc. — nehmen vor Andern die Gesellen der
Musen deren Liebling in Empfang: ein Verein von Lite-
raten, die in heiterer Feierstunde durch einen Trunk aus
castalischcr Quelle sich zu stärken pflegen, die Gesell-
schaft der Zwanglosen ladet Thvrwaldsen zuerst zu
sich ein; in ihrem Kreise empfängt er den ersten freu-
dige» Zuruf unserer Stadt. Zwar stehen nicht Hunderte
von Menschen an der offenen Pforte, kein Kanonendonner
verkündet, kein Trompetenstoß empfängt ihn, die Räume,
in die er cintritt, sind schmucklos, wie die Campanella
in Rom, oder die Chiavica, kein Lorbecrkranz liegt bereit
und selbst ans der Tafel duften nicht einmal Blumen,
da der strömende Regen sic im Garten ertränkt. Eine
kleine Gesellschaft von Männern, denen zn guter Stunde
etwas aus Kopf und Herzen kommt, ein römischer Küchen-
zettel, volle und schäumende Becher, dazu ein Kranz
von fliegenden Blättern und Gedanken, das sind die
Elemente, aus denen der heutige Abend seine Freuden
webt. Und wie er den Empfänger und die Geber auf's
innigste froh gemacht, so scy seiner Erinnerung hier eine
kleine Stelle vergönnt.
Unter den Ersten, die den Künstlerfürsten begrüßten,
sahen wir Schclling, den ersten Generalsecretar der
hiesigen Kunstakademie, von welchem zum großen Theil
die Regeneration dieser Anstalt unter dem König Mar
ausgegangen; dann seinen Nachfolger, den Bildhauer '
Wagner aus Rom, Thicrsch, Walter, Boissere'e,
Hei deck, Seinsheim, Martins, Neumann '.e.
Wenn in größerer Gesellschaft der Einzelne nicht leicht
zum Wort kommt, so trägt dagegen, wo die Bäume
weniger dicht stehen, ein jeder seine Frucht. Der erste
springende Pfropfe» löste alle Zungen, und mit der spru-
delnden Hippokrene unserer geselligen Musen waren die
Geister geweckt und verbunden. Rede und Gesang, Lied
und Gedicht, ernste und scherzhafte Weisen, vorbedacht
und nicht bedacht, wechselten in heiterer Anmuth und
legten sich, statt des mangelnden Lorbeers, mit Blät-
tern und Blüthen um das Silbergelvck des gefeierten
Gastes.
In ergreifenden Worten sprach Schclling das Lebehoch
und Lebelang Thorwaldsens aus, mit dem er früher noch
niemals zusammengctroffen; Martins rief die Geister
der Natur und die tropische Sonnenglut zur Verherr-
lichung des Tages; v. Stieglitz (ans Kurland?) pries das
Glück der Gesellschaft, solchen Gast zu haben, in alt-
griechischen Weisen; Neumann verkündete seinen Ruhm
in fünf lebenden Sprachen, in chinesischer, armenischer,
französischer, englischer und deutscher; Maßmann weihte
ihm ein Gedicht über die Alter der Menschen in gvthi-
schcr Sprache; Weichselbaumcr rief die Werke und Schick-
sale des Meisters in's Gedächtniß, und Hocheder brachte
in einem humoristischen Aufsatz: Thvrwaldsen und der
Teufel, in welchem er dem letztern die Erfindung der
Dampfmaschinen znschrieb, eine heitere Reflexion über
Kunst und Industrie in die Scene. C. Förster hatte
den Toast mit einem Gedicht eingeleitet, und führte
später die „römische Geliebte Thorwaldsens," die myrten-
und lorbecrbekräuzte, weingefüllte Fogliekta, redend ein;
Thiersch begrüßte mit einem Doppelgruß die beiden an
griechischer Sonne gereiften Geister; Walther improvi-
sirte gegen die „Greise." Thicrsch rcplicirte in Versen,
und nahm sodann den Act der „Nostrification" an
Thvrwaldsen in feierlichem Äanzleistyl vor; Beck brachte
ein iuhaltrcichcs Gedickt und Darenbergcr sprach mit
bewegter Stimme ein gleiches; Marggraf fesselte durch
eine wohlmotivirte, fließende Romanze und Pocci gab,
nach dem Muster der bekannten Arie: „Ich singe nicht"
einen poetischen Scherz znm-Besten, dessen Inhalt war,
daß er — die unzähligen Gedichte bedenkend, mit denen
der Gast hier, auf der Reise und seit Jahren überschüttet
worden, die Last nicht mehren wolle, und daß er selbst
sein Lebehoch nicht ansbringen möge, so lange ihm nicht
eine Pyramide als Kelch und das Schäumen der Nordsee
dessen Inhalt diene. Um inzwischen nicht nur unbeschrie-
bene Blätter vorznweisen, nehme ich einige heraus aus
dem Kranze und theile sie hier entfernten Freunden mit.
R» A. Ritter v. Thvrwaldsen.
Preiset im Liede die himmlischen Mächte,
Preiset die Gaden, die sie geweiht!
lieber des Erdballs duntelstc Nächte
Strahlen sie, über den Kirchhof der Zeit.
Reiche vergehen und Völker in Dunst —
Ewig erglänzen die Werke der Kunst.