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heißt im Lateinischen Salon, von dem griechischen JJw,
dem listigen Nebel, und so wird auch der homerische
Dolon zum Nebel (Hell. S. 91), Daß alle angeführten
Etymologien sich um den Fuchs drehen, Dolon aber
Jl. 10, 334 ein Wolfsfell umwirft, wird so genau nicht
genommen. Die Ilias wurde sonach ursprünglich an
einem cyklischen Feste der Zeit des großen Kampfes um
die Wintersonnenwende vorgetragen. Homer war ein
cyklischer Dichter, und sein Name bedeutete nichts an-
deres, als Cyklos, der sich schließende Kreis, '0,«-Wo5.
Als die beit der epischen Sagendichtung geendet hatte,
traten lyrische Gesänge an ihre Stelle. Die Form der
Dichtung änderte sich, allein der Inhalt blieb derselbe.
Auch die Tragödie ging aus den Gesängen an cyklischen
Festen hervor und folgte dem Inhalt des cyklischen Epos.
Nach Aufstellung dieser neuen Theorie von der griechischen
Poesie schließt Herr F. mit den Worten (Hell. S. 362):
„Wenn das wahr ist, was ich gesagt habe, so haben wir
zwar an Geschichte, wenn auch nur an sogenannter mythi-
scher Geschichte der Anfänge einen großen Verlust erlitten;
aber wir haben an Natur und an Kenntniß der wahren
Anfänge gleichwohl unendlich viel mehr gewonnen."

Nach diesen Aeußerungen müssen wir bekennen, daß
cs uns nicht mehr klar ist, was Herr Forcbhammer
für eine Ansicht von der Entwickelungsgeschichte des
griechischen Volkes hat. Soll alles das, was in den
verloren gegangenen und erhaltenen Heldengedichten von
dem Ruhme der Männer, von kühnen Zügen gegen rei-
ßende Thicre, Räuber und sonstige Unholde, und von
größeren Expeditionen gesungen wurde, nur poetische Il-
lusion seyn, nur eine Variation über das feststehende
Thema des Regens, Nebels, Dunstes, der Verdampfung
und Austrocknung? Während uns von den Dithyram-
bendichtern erzählt wird, sie seyen des ewig wiederkeh-
rcnden Gegenstandes ihrer Gesänge bald müde geworden,
und haben statt des Dionysos auch andere Sujets, Cen-
tauren, einen rasenden Ajas u. dergl. aufgeführt, so
sollen wir nun glauben, nicht nur die epische, sondern
auch die lyrische und dramatische Dichtung habe sich um
das ewige Einerlei dieser Naturerscheinungen gedreht.
Die treuen und anschaulichen Schilderungen menschlicher
Zustände, welche wir bisher an diesen Dichtungen be-
wundert und für unübertrefflich gehalten, und die Dar-
stellung einer edlen Menschlichkeit, wegen der wir sie
lieb gewonnen haben, soll hinfür nur als Schaale zu be-
trachten seyn, der Kern aber in physiologischen und at-
mosphärischen Anschauungen liegen. Wie wäre cs doch
denkbar, daß die griechische Kunst in Poesie und Bild-
werk Jahrhunderte lang einen so mächtigen Zauber über
das Abendland ausgeübt hat, wenn die sie beseelende
Idee eine unserer Denkweise so ganz fremde war? Nein
— wir gestehen offen, wenn dieß der einzig richtige Weg

ist, den griechischen Mythus und die griechische Poesie
und Kunst in ihrem Wesen zu erkennen, so leisten wir
auf diese Erkenntniß feierlich Verzicht. Nicht wenig
waren wir überrascht, als wir in diesen Tagen in der
Abhandlung über Sinn und Geschichte der Aeacidenfabcl,
welche Herr Hofrath Adolf Schöll seiner llebersetzung
des sophokleischen Ajas vorangeschickt hat, eine mit Herrn
Forchhammer nah verwandte Behandlung der Mytho-
logie gefunden haben, und wir bedauern, daß dieser
unser verehrter Freund, der an Ottfried Müllers Seite
Griechenland durchwandert und uns in seinen archäo-
logischen Mittheilungen aus Griechenland
eine eben so anmuthige als interessante Charakteristik
des griechischen Landes entworfen hat, sein schönes poe-
tisches Talent, seinen Scharfsinn und seine Gelehrsamkeit
dazu anwcndcu mochte, um uns die epischen Dichtungen
der Griechen in die Prosa eines Witterungskalenders zu
übersetze», in welchem Aeakos der Beschwörer des be-
fruchtenden Gewitterregens ist, sein mit einer Mcer-
nymphe erzeugter Sohn Phokos den winterlichen Meer-
sturm, und dessen Stiefbrüder, Telamo» und Polens,
welche ihn beim Wettspiele mit dem Discus tödten, die
durch die mächtiger werdende Sonne herbeigeführten
wolkenlos klaren, trockenen, drückend beißen Tage be-
zeichnen. Polens muß sodann nach Ermordung des
Phokos in die Ferne fliehen. Darin liegt wieder eine
Beziehung auf den sichtbaren Standwechsel der Sonne,
ans die Abirrung ihres Tagesweges, der im Sommer
steigend nach Norden, im Winter erniedrigt gegen Süden
weicht. Peleus flieht zu Eurytion, dem Weitspanner,
Sohn Aktors, des Zeitigers. Darin liegt der Aus-
druck für die weitgespannten Sonnenbögen der langen
Sommcrtage, die immer nördlicher gezogen werden.
Eurytion reinigt in dieser Zeit der Klarheit den Peleus
von seiner Befleckung mit dem Blute des Phokos und
gibt ihm seine Tochter Antigone zur Frau. Antigone
heißt Gegengeburt oder Gegeuanfang; sie ist die Son-
nenwende. Wenn Peleus im Gebiet der weitesten Span-
nung angckommen ist, so muß er wieder umkehren, und
mehr und mehr gegen die Mitte des Himmels rücken.
Und von dieser seiner Frau Wende wird ihm die Tochter
Gabenreichthum, die Polydora, geboren, weil sofort
die Dresch- und Worfelzeit, die Obsternte und Weinlese
in Griechenland cintritt. Der Raum verbietet uns, die
Ansprüche der übrigen Heiligen auf eine Stelle in die-
sem novantiken Kalender mit gleicher Ausführlichkeit an-
zuführen, und wir bemerken daher nur noch, daß Achilleus
die Frühlingssonne, Patroklos die schwächere Herbstsonne,
Ajas aber daö Donnerwetter bedeutet, und daß Herr
Schöll dieses durch die Schlachtschilderungen der Ilias
hindurcbtöiien hört. Es ist doch eine schöne Sache um
ein fein gebildetes Ohr; uns andern icrrarum fiiiis aber
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