Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
2V 31.

Kunstblatt.

Dienstags -en 16. Llpril 1814.

Die Düsseldorfer Kunstschule im Jahr 1813.

Die Versuche, die schon vor mehreren Jahren ge-
macht wurden, das Wesen und die Richtung der Düssel-
dorfer Kunstschule als ein Abgeschlossenes zu bezeichnen,
stellten sich in der Folge und besonders durch die neue-
sten Leistungen derselben immer mehr als unzulangend
und unrichtig heraus. Während e-s natürlich war, vor
mehr als zehn Jahren die jungen Künstler unter der
gegebenen Stellung, und besonders unter dem Einflüsse
der romantischen Literatur, der romantischen Richtung
im modernsten Sinne sich zuwenden zu sehen, konnte es
fast nicht ansbleiben, daß eben dieselben und noch mehr
die folgende Künstlergenerativn unter erweitertem Wir-
kungskreis, worunter ich die Gelegenheit und Anregung
zu großartigen öffentlichen Kunstwerken begreife, und
bei geläuterter Anschauung nicht auf dieser Stufe ver-
blieben. Während cs Niemand in Abrede stellen wird,
daß selbst die zur biblischen Historienmalerei sich beken-
nenden Künstler, mit Ausnahme von Deger, damals
mehr oder minder von dem romantischen Einflüsse be-
herrscht wurden und nicht selten den liefern Ernst einem
zeitgemäßen Anstriche opferten, gicbt sich gegenwärtig,
in fast allen Zweigen der Malerei, ein Streben nach
höherer Wahrheit, nach dem Eigentlichen und Wesent-
lichen des Gegenstandes, nach Klarheit des Woliens,
nach tieferen Beziehungen und einfacheren Mitteln kund,
wodurch die Schule bereits einen neuen Aufschwung ge-
nommen hat. Erinnern wir uns eines der bedeutend-
sten Werke jener Zeit, der trauernden Juden von Ben-
del» a n n! Ist cs nicht mehr eine Ossiansche Schwermut!)
als der tragische, tieferschütternde Ernst des Unterganges
eines welthistorischen Volkes, was hier beabsichtigt und
was hier erreicht wurde? Schon die Stelle, die dem
Bilde zum Grunde liegt, der einzelne, aus einer so
thatenreichen und Ungeheuern Begebenheit heraiisgenoni-
mene passive Moment: „sie saßen a» den Wassern von
Babylon und weinten, wenn sie au Zion gedachten,"

bezeichnet hinlänglich die Richtung jener Epoche. Doch
genug hiervon. Ich will meine Betrachtungen über die
neuesten Leistungen dieser Schule bei den Werken eines
Mannes beginnen, der in Gesinnung und Richtung das
noch ist, was er vor zehn Jahren war, der mir jedoch
darum nicht weniger ein großes Talent und ein außer-
ordentlicher Künstler scheint.

Lessing, der vor Allen dazu berufen war, die
ganze Herrlichkeit der Romantik ausznbreitcn, der in
seinem trauernden Königspaare die schönsten Akkorde
anschlug, der seinen Landschaften ein ähnliches Gepräge
aufdrückte, er berührte in seinem Huß vor dem Concil
(eben aus der Neigung, einen gewissen Anstrich und
Klang für das Wesentlichste zu halten) doch nur den
Saum der Historienmalerei. Ich bin wahrlich von jeder
confessionelleu Abneigung weit entfernt! Offenbar haben
bei den vielen Kritiken über dieses Bild Parteiansichten
bedeutend eingewirkt. Das aber steht bei mir fest, es
war Lessing weniger darum zu thun, das historische
Faktum in seiner Bedeutendheit, in seiner Höhe und
Tiefe, als ein Charakterbild einer religiös erschütterten
Zeit wicderzugeben, sondern vielmehr einen würdigen
Manu zu schildern, der durch die Fügungen des Schick-
sals in eine gefährliche, in eine romantische Lage ge-
rät!). Hier sind es freilich nicht Wegelagerer und Raub-
ritter, cs sind Meinungen, nach seiner Auffassung
theilweise Fanatismus und Bosheit, die den Helden
bedrängen; aber dieß ändert den Standpunkt des Bildes
nicht. Zu einer historischen Höhe hat sich Lessing hier
nicht cmporgeschwungen, weder in Hinsicht des Geistes,
der das Ganze durchweht, noch in dem Bau der Com-
position, worunter ich vornehmlich die Wahl und An-
ordnung der geschichtlich bedingten Elemente verstehe,
noch in Hinsicht des Styls. — In seinem Szzelin * fällt
uns dieß weniger auf, weil der Gegenstand, lange nicht

1 Das Bild befindet sich gleichfalls im Stadel'schcn In-
stitut in Frankfurt a. M.
Index
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen