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214

Kehren wir mit solcher Ansicht zu den älteren Theilen
des Naumdurger Domes zurück, so finden wir allerdings
zwar keinen Ueberfluß an architektonischen Details, viel-
mehr in dem Ganzen vorherrschend jene Klarheit und
Ruhe, die ich vorhin als allgemeine Eigenthümlichkeit
der betreffenden Bauwerke jener Gegend bezeichnete; die
gesammten Bogenwölbungen des Innern sind besonders
noch schlicht und einfach gehalten. Aber wir finden, daß
die Details, wo das ästhetische Gefühl eine reichere
Gliederung forderte, in der Pfeilerformativn des In-
nern, und besonders in den Deck- und Fußgesimsen der
Pfeiler und Säulen sowie in den Kranz- und Fußge-
simsen des Aeußern u. s. w. mit einem Lebensgefühl,
mit einer Schönheit des elastischen Schwunges gebildet
sind, die nothwendig ein schon vollendetes Stadium ar-
chitektonischer Entwickelung bezeichnen. Ebenso bemerken
wir in den ornamentistischen Zierden, besonders der Ca-
pitelle, eine Leichtigkeit, eine harmonische Durchbildung,
selbst schon ein zierlich elegantes Spiel, daß wir hierin
mit gleicher Notl,Wendigkeit das Endresultat solcher Ent-
wickelung vor uns sehen. 2«, bei aller Klarheit in der
Gesammtanordnung fehlt es selbst nicht an einzelnen
Willkürlichkeiten, die bereits auf eine beginnende Aus-
artung hindeuten. Dahin rechne ich die gesetzwidrige
zahnförmige Verzierung, die in dem südlichen Giebel
des Querschiffes an den Giebelgesimsen emporsteigt, das
rautenförmige Fenster mit seinem Lilienschmuck in dem-
selben Giebel und das inkongruente Verhältniß des Fen-
sters zu den Giebelgesimsen. Dahin ebenso, und noch
mehr, den obersten Theil der östlichen Thürme, soweit
diese überhaupt dem alten Bau angchören. Hier sehen
wir unter dem Hauptgesims einen rundbogigen Fries,
und unter diesem einen zahnförmigen Fries hinlaufen,
eine Tautologie der Formen, die schon auf direktem
Mißverständnis' beruht, die sich aber ähnlich an spätro-
manischen Bauten deS Niederrheines wiederholt. Man
wird allerdings einwerfen, der gesammte Oberban dieser
Thürme könne füglich jünger seyn, als der Körper des
Gebäudes, und ohne Zweifel wird er erst nach dessen
Vollendung zur Ausführung gekommen seyn; dennoch
zeigt seine ganze Gestaltung im klebrigen'so wenig sth-
listische Verschiedenheit von jenem, daß wir ihn wenig-
stens einer noch durchaus nah liegenden Bauperiode
zuschreiben müssen.

Die Kunstgeschichte, wie alle Geschichte, bildet eine
Wissenschaft, die mehr will als leere Namen und Jahr-
zahlen zusammenhäufen; sie will den Organismus des
Lebens aufsuchen und ihn durch die verschiedenen Mo-
mente seiner Entwickelung verfolgen. Gehen wir von
solchem Standpunkte aus, wie wir doch wohl nicht an-
ders können, so können wir auf keine Weise zugeben,
daß eine Ausbildung der eben angedeuteten Art, die in

sich schon völlig abgeschlossen ist und die sich sogar be-
reits der Entartung zuneigt, einer Periode des Mittel-
alters angehöre, die für die bezüglichen Verhältnisse fast
noch gar keine Vergangenheit hat, die vielmehr selbst
noch, wie andere genügend gesicherte Beispiele darthun,
auf der Stufe einer halb barbarischen Rohheit steht.
Wo wären für den Anfang des 11. Jahrhunderts die
Vorstufen zu finden, die zu einer also vollendeten Aus-
bildung hinüberführten? Halten wir uns an anderen
gesicherten Beispielen fest, so müssen wir Jahrhunderte
weiter schreiten, um den entsprechenden Zeitraum zu
finden, und wir können in der That nur den Anfang
des 13. Jahrhunderts als die Periode bezeichnen, in
welcher die älteren Theile des Naumburger Domes auf-
geführt sind. Die Uebereinstimmung der Details mit
denen urkundlich sicherer Gebäude aus dieser Zeit ist
hiefür völlig entscheidend. Einige Beispiele der letzteren
habe ich in Nr. 73 des Kunstblattes für 1842 aufgeführt.

(Fortsetzung folgt.)

Kunst, Künstler und Knnstnnsstellnng
in Genf.

(Schluß.)

Wir kehren nach langer Abschweifung zu unserer
Kunstausstellung zurück. Eines sehr ausgezeichneten Ta-
lents müssen wir in der Blumenmalerei erwähnen. Es
ist der Maler Courönne, dessen Blumen- und Frucht-
stücke alle Kenner durch Compositivn, Wahrheit, zarte,
naturgetreue Behandlung und durch Schmelz der Farben
angezogen haben. Selbst unsere strenge Decandolle'sche
Schule der Botanik war darüber sehr erfreut, weil sie
neben der künstlerischen Behandlung auch eine wissen-
schaftliche fand.

Wenden wir uns nun zu dem Genf eigcnthümlichen
Zweig der Emailmalerci, welcher für unsere Bijouterie
und Horlogerie besvndern Werth hat. Hier prangten
vor Allen Constantins zwei große Porzellangemälde,
Copien der Transfiguration und der Foligner Madonna
von Raphael. Trügen uns unsere römischen Erinne-
rungen nicht ganz, so ist der Fleischton der Originale
nicht so roth und aufgedunsen wie hier. Wir ehren so
viel wie irgend Jemand Constantins bewunderungswür-
digen Fleiß, sei» langes, schweres und tiefes Studium
der Raphaelischen Bilder; wir freuen uns über diese,
wenn auch kleine, doch gelungene Copien in einem Ma-
terial, das aller Zeit trotzt; aber wir stehen an, Con-
stantin einen Schüler Raphaels zu nennen, wie dies
hier geschieht. Alle Schüler des großen Meisters waren
weniger gute Cvpisten als selbstschaffende Künstler, auf
denen ein Theil, wenn auch nur ein kleiner Theil des
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