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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925 (April-September)

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Nr. 15
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Literatur / [Notizen] / Antiquariat / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41231#0292

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270

Chinesische Möbel im Berliner Kunsthandel


Abb. 7. Chinesische Liegestatt, Schwarzlack mit Einlagen in Perlmutter. Anf. 18. Jahrh.
Kunsthandlung Edgar Worch-Glenk, Berlin

und in der Durchbrucharbeit der Lehnen
macht sich bereits der L bergang zu dem
chinesischen »Rokoko« bemerkbar. Die-
sen Ausdruck kann man in der Tat an-
wenden auf die Epoche der späten Kang-
Hi- und der Chienlung-Zeit, indem da-
mals die strenge und schlichte Form der
altchinesischen Möbelkunst bewegteren
und verschnörkelten F ormen Platz mach-
te. Das zeigt sich vornehmlich in der
Aufnahme üppiger Schnitzarbeit an den
Gestellen und an den Rücklehnen der
jetzt häufiger werdenden Lehnsessel und
Stühle, die für repräsentative Zwecke
üblich wurden. Edgar Worch hat ein
Reispiel der Art in einem großen schwarz
lackierten Lehnstuhl, dessen Lehnen aus
dichtem, tief ausgeschnittenem Wolken-
und Rankenornament bestehen (bei
Rosche, Tafel 40). Wie weit der Einfluß
der europäischen Möbel seinerseits auf
diese spätere Entwicklung der chinesi-
schen Möbelarbeit — wofür schon die
Zunahme der den Chinesen von Hause
aus fremden hohen Sitzmöbel spricht —,
wie weit dieser bestimmend gewesen ist,
wäre einer näheren Untersuchung wert.
Offenbar sind auch in der Spätzeit des

18. Jahrhunderts chinesische Möbel im-
mer noch in Europa bestellt worden.
Merkwürdige Zeugnisse dafür sind eine
Reihe schwerer schwarz lackierter Sofas
und Sessel mit Steineinlagen in der Woh-
nung Friedrich Wilhelms II. im Charlot-
tenburger Schloß (um 1790). Rekannte,
kunstgeschichtlich wichtige Beweise für
die Einwirkung der chinesischen Möbel-
kunst auf die europäische nach der Mitte
des 18. Jahrhunderts sind die englischen
Möbel in »the Chinese taste« von Chip-
pendale, die um 1770 entstandenen Rohr-
möbel in der Art William Chambers’, die
z. B. bei uns in zwei »chinesischen Kabi-
netten« im Schloß in Wörlitz Vorkom-
men. Auch die englischen Möbel im
letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, von
Heppelwhite und Sheraton, haben stel-
lenweise Motive der Chinesenmöbel ver-
arbeitet, z. B. das Gitterwerk, das »Chi-
nese strapwork«, die senkrechten unver-
jüngten Pfostenbeine — ein Mahagoni-
schreibtisch im Stil Sheratons mit sol-
chen Beinen ist übrigens auch gerade bei
Edgar Worch. Aber selbst noch in der
Zeit um 1800 — wie die »Chinesenmöbel
und -tapeten« in den Schlössern von Pa-
 
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