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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925 (April-September)

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Nr. 24
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Literatur / [Notizen] / Antiquariat / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41231#0421

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Raffael-Zuschreibungen

399

FORSCHUNGEN
Raffael- Zuschreibungen
Die Entdeckungen bekannter Bilder
in Italien mehren sich; auf Michelangelos
Selbstporträt im »Jüngsten Gericht« und
das Raffaels im »Heliodor«, läßt jetzt
im »Bollettino« Georg Gronau einen
Artikel folgen, der es unternimmt, zwei
unerkannte Werke von Raffael an kei-
ner geringeren Stelle als in der Galerie
des Palazzo Pitti zur Diskussion zu
bringen.
Die Lösung für dies paradoxe Rätsel
liegt in der Gleichgültigkeit der Ver-
waltungen an vielen Stellen der zivili-
sierten Welt gegen die Uberfüllung
ihrer Galerien: die von Gronau ins Licht
gesetzten Bilder hängen, innerhalb der
berühmten Galerie, das eine im dunkeln
Kabinett, das andere im Prachtsaal, aber
im Schatten des pompösen Barock-
rahmens um den benachbarten Andrea
del Sarto.
Es sind die Bildnisse desUrbinatischen
Herzogspaares Guidobaldo von Monte-
feltro und Elisabetta Gonzaga. Sie waren
wohl jedem intimeren Besucher der
Galerie von jeher aufgefallen, in ihrer
strengen Vorderansicht, die merkwürdig
mit der fast unheimlichen seelischen Ab-
gestilltheit der Modelle harmoniert und
in der Diskretion der auf schwarz und oliv
gestimmten Farben; Stücke von einem
herben Reiz, der neugierig auf den Autor
machte, zumal wenn man die Person des
Herzogs erkannte, bezeugt durch das
Bildnis der Ambraser Sammlung und der
Miniatur im Vatikan, vor allem aber
durch eine alte Wiederholung im Palazzo
Albani zu Urbino. Das weibliche Bildnis
war als das der Herzogin schon länger
identifiziert. Begreiflich, daß die rätsel-
haften Werke sich verschiedenen Taufen
durch die Kenner unterziehen mußten:
Mantegna als Maler der Gonzaga hielt
sich so wenig wie der kümmerliche Gia-
como Francia. Mit Buonsignori kam man
wieder in die Bahn des großen Paduaners
und Morelli nannte den herben Vero-
nesen Caroto. Neuerdings führte Ven-
turis Attribution an einen »Schüler Fran-
cias« ganz vom Wesen der Bilder fort, und
sollte ihrem Autor wohl nur die Sicher-

heit geben, dabei gewesen zu sein, wenn
künftig jemand Timoteo Viti nennen
wollte. Gronau bemüht sich, mit aller
Gewissenhaftigkeit, seine Lberzeugung
zu beglaubigen. Er vermag mit guten
Gründen alle Künstler, denen die Bilder
zugeschrieben wurden, und alle, die für
die urbinatischen Fürsten in Betracht
kämen, abzulehnen und kommt »per es-
clusione« zu dem jungen Günstling des
Hauses Montefeltro, zu Raffael selbst,
der 1504/05 den heiligen Georg mit dem
Hosenbandorden für den Herzog malte,
und 1505 und 1507 in Urbino nachweis-
bar ist.
Die beiden Bildnisse, in ganz gleicher
Auffassung, aber von so verschiedener
Größe und Anordnung der Figur im
Rahmen, daß man an Pendants — selbst
wenn das kleinere, das der Herzogin, ver-
kürzt sein sollte — nicht recht glauben
kann, haben auch in der Malerei manche
Verschiedenheit. Das Bild des Herzogs
schwimmt heute in feinen bräunlich ge-
wordenen Nuancen und verrät, vielleicht
nur an seinem ungünstigen Platz, nicht
eine Farbe in aller dieser Reserve; das
Porträt der Herzogin scheint weniger
Original oder ist trüber in seiner Er-
haltung; nichts ist recht räumlich emp-
funden: das wundervolle leise Vorwärts-
kommen der Formen, für Raffael so
charakteristisch, will sich weder an
Nase und Mund, noch an der über
Hebungen und Senkungen des Halses
hinlaufenden Kette empfinden lassen.
Aber die Malerei des Hintergrundes ließe
umbrischen Strich ahnen; das Licht am
Felsen, der aus dem Dämmer hochtaucht,
erinnert an die Landschaft der Madonna
Terranuova in Berlin. Auch der Akkord
des Fleisches mit dem Schwarzweiß und
Gold des Kleides läge koloristisch durch-
aus in Raffaels Linie. Wenn nur das,
was man heute an dem Bilde sieht,
würdig des vornehmen und lückenlosen
Stammbaumes wäre, der ins Schloß von
Urbino hinaufführt!
Gronau stellt diesen beiden das neuer-
dings zu frischem Leben erweckte Face-
bildnis in der Galerie Borghese gegen-
über; man will darin Peruginos Züge
sehen. Es hat, wie alle gesicherten Bild-
 
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