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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Schlie, Friedrich: Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0214

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DAS HAMBURGISCHE MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE.

199

haben. Wie reizend liest sich z. B. die Schilderung der
köstlichen Brokatgewebe, und wie hübsch ist die von
warmer Liebe zur Sache zeugende Beschreibung eines
großen Wandschirms, der zu den schönsten Erzeugnissen
japanischer Stickerei aus neuerer Zeit gehört (S. 46).
Und wie die Leichtigkeit, Schönheit, Eleganz. Mannigfal-
tigkeit und Zweckmäßigkeit der Formen japanischer Korb-
flechtereien in der Welt abendländischer Kunsterschei-
nungen kaum eine Parallele findet, es sei denn, dass
man, so paradox auch der Vergleich im ersten Augen-
blick erscheinen mag, die griechische Vasenwelt als etwas
verhältnismäßig Ähnliches herbeiziehen dürfte, so eigen-
artig und überraschend ist andererseits die Fülle von
oft höchst humoristischer Naturpoesie, die das asiatische
Inselvolk in der Behandlung seiner Bronzen und sonstigen
Metallarbeiten aller Art ent-
wickelt hat. Nach der tech-
nischen Seite hin interes-
sirt besonders der bis zur
höchsten Vollendung ge-
brachte Guss aus verlore-
ner Form, der Beichtum
mannigfaltiger Legierung
und die hohe Kunst des
Tauschirens, überhaupt die
durchweg nur auf kaltem
AYego erfolgende Einlege-
arbeit. In dieser Beziehung
gewährt die in ihrer Art
einzig dastehende Samm-
lung von japanischen
Schwertzierraten, beson-
ders Stichblättern, dir in
sehr übersichtlicher Weise
in nicht weniger als acht-
nndzwanzig Schaukästen
mit zusammen über fünf-
zehnhundert Nummern ge-
ordnet sind, ein jeden zum ersten Mal an die Dinge heran-
tretenden Europäer geradezu in Erstaunen setzendes Bild.
Und Brinckmann hat Recht, wenn er dieses Bild einem
die ganze Kultur und Natur Japans umfassenden Orbis
pietus nennt, aus welchem — vielleicht mit guten
Gründen (s. S. 150) — nur die Darstellungen der Hand-
werker, Künstler und Kaufleute und außerdem die der
geschichtlichen Kaiser, sowie der Shogune aus den letz-
ten beiden Jahrhunderten fortgeblieben sind. Höchst be-
lehrend und anziehend ist die Beschreibung aller dieser
kleinen reizvollen Wunderwerke, die uns so viel von den
zahlreichen eigenartigen Anschauungen und Schönheiten
des fernen asiatischen Volkes und Landes zu erzählen haben.
Auf gut Glück seien aus diesem Füllhorn des Segens nur
die acht Schönheiten des Omi- oder Biwasees herausge-
griffen: Das Einfallen der Wildenten bei Katada, nächt-
licher Regen zu Karasaki, das Abendglockenläuten zu

Vierifinder Spange vom Jahre 1834. Nat. Größe.
Aus a.-m Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.)

Miidcra, der Abend schnee am Hiraberge, der Herbst-
mond über den Felsen von Ishiyama, die Heimkehr der
Fischerbote zu Yabase, das Abendlüftchen bei den Briik-
ken zu Seta am Ausfluss des Sees, leichter Wind bei
heiterem Himmel bei Awadju. Und alles das auf kaum
handgroßen eisernen Stichblättern mit köstlichen Ein-
lagen von Gold, Silber und anderem farbigen Metall.
Wer alle diese Leistungen feiner und feinster Kunst voll
Poesie und Humor eingehender prüft, dem wird zuletzt
das Herz warm, er spürt etwas von der großen Liebens-
würdigkeit und Tüchtigkeit des japanischen Volkes, das
in der mongolischen Rasse den höchsten Gipfel darstellt.
Der Inhalt dos großen, 816 Seiten Text zählenden
Buches ist zu reich und zu vielfältig, um auf jede Ab-
teilung näher einzugehen; auch ist es nicht die Aufgabe

einer Besprechung, diese
Fülle zu erschöpfen. Daher
wollen wir nur darauf hin-
weisen, dass die übrigen
Kapitel, die über Holz-
schnitzereien, Möbel, Ge-
weite, Stickereien, Spitzen,
1 iild Wirkereien, Fächer,
Bucheinbände, Ledorarbei-
ten,Zinn-, Kupfer-,Gold- und
Silberarbeiten, Schmucksa-
chen , Schmiedeeisenarbei-
ten, Ornamente aus Stein
und Terrakotta, Bauschrei-
nereien, ebenso wie die bis-
her besprochenen Abschnit-
te, mit stets sich gleich
bleibender klarer und ge-
schmackvoller Darstellung
und mit einer sowohl auf
gründlicher katalogischer
Durcharbeitung der einzel-
nen Museumsschätze als
auch auf sonstigen umfassenden Studien beruhenden Tüchi ig-
keit und Gediegenheit durchgearbeitet und behandelt sind.
Dem Kataloge ist so in jedem Teil der Charakter eines
praktischen Handbuches gewahrt geblieben, in welchem
kein Gebiet zu kurz kommt. Überall aber tritt auch,
trotz mancher Lücken, auf die jedes Mal gewissenhaft
hingewiesen wird, der Reichtum des Museums zu Tage,
der die Grundlage des Buches bildet. Sehr gerne wären
wir auf das große Kapitel der Möbel, Bauschreiner-
arbeiten, Holzschnitzereien und der ungewöhnlich reichen
Sammlung von Kerbschnittarboiten eingegangen, wenn
wir nicht fürchteten, es zu lang zu machon. Die Dar-
stellung der von Land zu Land verschiedenen Ent Wicke-
lung von Schränken und Truhen mit ihren sorgfältigen
Beschreibungen zahlreicher interessanter Einzelobjekte,
z. B. der spätgotischen Brömsen'schen Hochzeitstruhe
aus Lüneburg (S. 636), des prächtigen Aktenschrankes
 
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