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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Groth, Ernst: Das Kunstgewerbe als Nährquelle für das Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0178

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DAS KÜNSTGEWERBE ALS NÄHRQUELLE FÜR DAS HANDWERK.

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fehlen, davon kann man sich in jedem Laden über-
zeugen.

Lei allen Ornamenten kommt es also in erster Linie
nicht auf den Effekt an, sondern vor allen Dingen auf
die konstruktive Unterordnung, auf die stilgerechte und
logische Übereinstimmung mit dem zu verzierenden
Gegenstande, auf die innere Wahrheit oder Wahr-
scheinlichkeit der ornamentalen Formen und endlich auf
die Zweckmäßigkeit des ganzen Gegenstandes. Denn
das Ornament soll den Gegenstand nicht nur schöner

System von wirr durcheinanderliegenden dünnen Reifen,
die womöglich bis über den Handrücken fallen, wider-
spricht vollständig dem Sinne und der natürlichen
Bedeutung des Schmuckes, ist also stilwidrig oder
manierirt.

Ich habe vorhin von der logischen Übereinstimmung
des Ornaments mit dem zu verzierenden Gegenstande ge-
sprochen. Dafür ein Beispiel: es ist unlogisch, wider-
sinnig, auf einem Zunftpokal, der beim Gelage kreist,
die Auferstehung des Herrn anzubringen, oder^in einen

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und wertvoller machen, sondern auch seinen Gebrauch
begünstigen. Ich brauche hierbei nicht an die Verzierung
der Messergriffe, der Waffen, der Schlüssel, der Bücher tLB.w.
zu erinnern.

Dass diese Grundsätze auch für Schmuckgegen-
Stände, Armbänder, Ringe, Broschen u. s. w. gelten,
ist selbstverständlich. Das Armband hat z. B. den
ornamentalen Zweck, den so wichtigen Teil des Armes,
das 'Hangelenk, hervorzuheben, also gewissermaßen die
Grenze zwischen Arm und Hand künstlich zu bezeichnen.
Ein einfacher, festsitzender, verzierter Reifen erfüllt
diesen Zweck am besten, der ist stilgerecht. Ein ganzes

Teppich, auf den die Menschen treten, heilige Altar-
gerätschaften hinein zu weben, wie das bei dem Chor-
teppich der Notredamekirche in Paris der Fall ist.

Der junge Kunsthandwerker muss also die Grund-
gesetze der Dekoration genau kennen lernen; und an
den Vorbildern der älteren Zeit soll er sich klarmachen,
wie sich die strenge innere Notwendigkeit der Formen
mit der künstlerischen Freiheit vereinigen lässt. Mehl
sklavisch nachahmen soll er die überlieferten Werke und
seien sie auch vollendete Meisterstücke des Handwerks,
sondern lernen soll er an ihnen, wie das Material natur-
gemäß zu behandeln ist, wie die Form schön zu gliedern
 
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